Industrie 4.0 Deutsche Firmen dominieren weltweit den Sensormarkt
![epa05050777 Robots work at the first digital fabric of the Netherlands, an initiative of Siemens and Airborne in The Hague, The Netherlands, 01 December 2015. In the fabric carbons plates are produced for the aircraft industry. EPA/BART MAAT [ Rechtehinweis: (c) dpa ] Quelle: picture alliance/dpa](/images/mittelstand/21223606/6-format2020.jpg)
epa05050777 Robots work at the first digital fabric of the Netherlands, an initiative of Siemens and Airborne in The Hague, The Netherlands, 01 December 2015. In the fabric carbons plates are produced for the aircraft industry. EPA/BART MAAT [ Rechtehinweis: (c) dpa ]
Owen Hier ist wirklich jeder Quadratmeter genutzt. In der großen Produktionshalle von Leuze Electronic in Owen drängen sich die Fertigungsinseln aneinander. Die Büros der Produktionsleitung thronen neuerdings in einem neu geschaffenen ersten Stock, so wurden wieder ein paar Quadratmeter für die Fertigung gewonnen. „Wir platzen aus allen Nähten“, sagt Leuze-Chef Ulrich Balbach im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Kaum haben wir das Hochregallager erweitert, reicht es schon nicht mehr aus, so gut ist die Auftragslage.“
Eine Erweiterung der Kapazitäten in Form eines neuen Produktions- und Logistikzentrums ist schon in Planung. Denn ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. Auch im laufenden Jahr dürften die Leuze-Umsätze, zuletzt waren es knapp 200 Millionen Euro, wieder zweistellig wachsen.
Alle sprechen ja von der Industrie 4.0, vom Internet der Dinge und vom Datenschatz, den es zu heben gilt. Doch um die wertvollen Daten zu gewinnen, bedarf es Sensoren, vieler Sensoren. Sie sind quasi die Sinnesorgane, die Augen und Ohren der Industrie 4.0. „Die Nachfrage nach Sensortechnologie steigt rapide“, heißt es in einer Studie von Roland Berger. Der Absatz intelligenter Sensoren werde von zuletzt etwa 21 Milliarden Stück bis zum Jahr 2020 auf 29 Milliarden steigen.
Konkurrenten vor der Tür
Die deutschen Unternehmen sind ganz vorne mit dabei. „Unsere Marktbegleiter sind alle in einem räumlich sehr engen Radius angesiedelt“, drückt es Balbach aus. Die meisten Konkurrenten auf dem Weltmarkt sitzen ebenfalls in Baden-Württemberg, soll das heißen. Große Namen sind zum Beispiel Pilz und Sick.
Es war eine weitblickende Entscheidung, die aus Leuze einen der Marktführer im Bereich der Industrie 4.0 gemacht hat. Ursprünglich war das Familienunternehmen, wie so viele andere Firmen in Schwaben auch, in der Textilbranche. Die Sensoren für die eigenen Textilmaschinen entwickelte Leuze selbst – und konzentrierte sich 1963 als Leuze electronic ganz auf dieses Geschäft.
Während die Textilindustrie weitgehend aus Deutschland verschwunden ist, kooperiert Leuze eng mit Tech-Riesen wie Microsoft und kann mit seinen optischen Sensoren auf renommierte Kunden in der Intralogistik, dem Werkzeugmaschinenbau, der Verpackungstechnik und der Autoindustrie verweisen. Die Chancen, die Wertschöpfung zu erweitern, sind im Zeitalter von Big Data groß.
Es geht nicht mehr nur darum, einfache Sensoren zum Beispiel für Lichtschranken oder die Abstandsmessung oder als Barcode-Leser zu verkaufen. Leuze will helfen, die Daten in die Cloud zu bringen. Viele Sensoren können direkt in die Cloud senden, wo die Daten dann weiter genutzt werden können.
Zudem wachsen die Möglichkeiten. „Sensoren sind in der Lage, eine Vielzahl von Daten und Informationen zu sammeln, mehr, als vielen bewusst ist“, sagt Balbach. „Welche dann wirklich benötigt werden, wird sich zeigen.“ So kann der Sensor für einen Regalroboter zum Beispiel erfassen, wie viele Meter die Maschine am Tag zurücklegt – und so die Basis für vorausschauende Wartung liefern. Die Möglichkeiten sind immens.
Mehr Daten in der Cloud
„Die Skalierbarkeit der Cloud-Kapazitäten erlaubt es, auch Daten aufzunehmen, von denen man jetzt noch gar nicht weiß, welche Erkenntnisse daraus gezogen werden können“, sagt Herbert Köbel, Software-Experte bei Leuze. Bildlich gesprochen baue man derzeit eine Autobahn, auf der Güter transportiert werden können, die für neue Geschäftsmodelle genutzt werden können. „Im Moment weiß niemand so ganz genau, wohin uns diese Autobahn führen wird.“
Auf der Hannover Messe waren intelligente Sensoren zentrales Thema. Schließlich werden die insbesondere für die kollaborativen Roboter benötigt, die direkt neben dem Menschen arbeiten. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigte zum Beispiel multimodale Sensoren, die sowohl sehen als auch fühlen können.
Von der steigenden Nachfrage nach Sensoren profitieren viele deutsche Unternehmen. Der Automatisierungsspezialist Balluf zum Beispiel hat gerade erst den Ausbau des Hauptquartiers in Neuhausen auf den Fildern – nur gut 20 Kilometer von Leuze in Owen entfernt – angekündigt. Binnen fünf Jahren war die Belegschaft des Unternehmens mit zuletzt 378 Millionen Euro Umsatz in Neuhausen um 38 Prozent auf mehr als 1000 Mitarbeiter gewachsen.
Die Nachfrage ist groß, auch die Mittelständler setzen inzwischen auf Industrie 4.0 und das Internet der Dinge. „Wir spüren bei den Kunden eine hohe Dynamik“, sagt Leuze-Chef Balbach. „Da bewegt sich was im Maschinenbau.“
Das Umsatzwachstum also wird auch 2018 anhalten. Laut einer Befragung des AMA Verbands für Sensorik und Messtechnik rechnet die Branche hierzulande für 2018 mit einem weiteren Umsatzwachstum von acht Prozent. Im vergangenen Jahr waren es laut Verband sieben Prozent.
Balbach sieht für Leuze electronic weltweit gute Chancen, das Wachstum weiter zu steigern. In Deutschland hat Leuze hohe Marktanteile, in anderen Weltregionen, die daher teils überproportional wachsen, gibt es noch großes Potenzial. Doch auch wenn künftiges Wachstum vor allem im Ausland stattfinden wird, wird davon auch die Zentrale in Deutschland profitieren.
Der Grund: Geforscht und entwickelt wird nach wie vor hierzulande. Müssen nur noch die dafür nötigen Mitarbeiter gewonnen werden. „Das wird zusehends schwieriger“, urteilt Balbach. Damit steht die schwäbische Firma nicht allein. Nach Angaben des Branchenverbands AMA suchen 80 Prozent der Firmen dringend weitere Ingenieure.
Engpass Fachkräfte
Weltweit beschäftigt Leuze inzwischen 1200 Beschäftigte, knapp die Hälfte davon am Firmensitz unter der Burg Teck in der Schwäbischen Alb. Bislang gelang es, die meisten Mitarbeiter in der Region zu finden. Leuze kooperiert mit Hochschulen und setzt noch stärker auf Ausbildung im eigenen Betrieb.
Doch so langsam entstehen Engpässe, Facharbeiter sind schwieriger zu finden als in früheren Jahren. Bislang war Leuze einer der „Hidden Champions“. Im Kampf um die besten Köpfe müssen sich die versteckten Champions nun mehr aus der Deckung wagen.
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