Maschinenbauer Manz Opfer der eigenen Risikofreude

Der Reutlinger Maschinenbauer steckt in der Krise.
Dieter Manz presst die Lippen zusammen, runzelt die Stirn, nestelt an seiner Armbanduhr: alles typische Gesten der Verlegenheit. Verflogen ist der Elan, mit dem er früher die Aktionäre des Reutlinger Maschinenbau- und Automatisierungsspezialisten in den Bann zog. In seiner Rede auf der Hauptversammlung in der „Filharmonie“, einer biederen Veranstaltungshalle nahe Stuttgart, schlägt er Molltöne an: „Es gab auch Rückschläge.“
Das ist mehr als untertrieben. Bereits eingebuchte Großaufträge fielen plötzlich aus. Zweimal musste er im vergangenen Jahr die Prognose kassieren. Statt erwarteter 320 nur 222 Millionen Euro Umsatz. Unterm Strich stand ein Verlust von mehr als 60 Millionen Euro. Über 20 Millionen Euro mehr als im Katastrophenjahr 2011, als mit der Solarindustrie binnen weniger Monate seine größte Kundschaft wegbrach.
2015 rettete den Unternehmer eine Kapitalerhöhung, bei der 40 Millionen in die Kassen flossen. Danach ging es kurz aufwärts. Manz nutzte das und verkaufte Ende 2015 Aktien im Wert von 8,5 Millionen Euro. Auch das hat im Nachhinein ein „Geschmäckle“.
Denn der nächste Tiefschlag folgte kurz danach. Der Internet-Gigant Apple, der Manz nach dem Einbruch des Solarbooms mit Aufträgen für Anlagen zum Bau von Smartphone-Displays noch gerettet hatte, stornierte einen Großauftrag für Energiespeicher. Manz stand vor der Pleite. Nur der Einstieg des chinesischen Investors Shanghai Electric verhinderte Schlimmeres.

„Im Nachhinein bin ich wohl zu hohe Risiken eingegangen.“
Die Bemühungen des 55-jährigen Ingenieurs, den Einstieg der Chinesen und der damit verbundenen Kapitalspritze von über 70 Millionen Euro als Erfolg zu verkaufen, gelingen an diesem Tag nicht. „Hören Sie auf, das Geld der Aktionäre zu verbrennen“, wetterte der Aktionärsvertreter Matthias Gaebler in Stuttgart. Manz habe den Maschinenbauer zu einem „experimentellen Gemischtwarenladen“ gemacht – und zu einem „Insolvenzkandidaten“. Auch das neueste Projekt mit Adidas für den Bau einer modernen High-Tech-Turnschuhfabrik in Deutschland sei wieder so eine „Schnapsidee“.
Zudem wollen die Kleinaktionäre endlich wissen, welche Kunden denn die Aufträge stornieren. Manz will sie erst nicht nennen. Aber dann sagt er, was jeder eigentlich schon weiß: Es war Apple. Zerknirscht gesteht Manz, dass die Großkunden die Bedingungen diktieren. „Entweder Sie akzeptieren die Verträge, wie sie sind, oder Sie bekommen den Auftrag nicht“, bemerkt Manz.
Zu große Risikofreude
Wie stolz war Manz noch, als Apple ihm einst erlaubte, den Internetgiganten als Kunden zu nennen. Aber Manz ist kein Opfer von Apple. Manz ist vor allem Opfer seiner Risikofreude. Die hat ihn zunächst weit nach oben gebracht. 1987 gegründet, entwickelte sich das Unternehmen gut, baute erst Produktionstechnik für Solarmodule und kurze Zeit später Automatisierungstechnik für die Display-Industrie. 2006 wagte Manz den Börsengang, um den Solarboom richtig nutzen zu können.
Fünf Jahre später überlebte er als einziger deutscher Maschinenbauer den Solar-Crash. Und das nur, weil der Smartphone- und Tablet-Boom ihm Ersatzaufträge bescherte. Mit der Abkühlung dieser Industrie setzte Manz auf Maschinen zur Produktion von Batterien. Ausgerechnet bei seinem letzten Tigersprung spielte Apple aber nicht mehr mit.
„Im Nachhinein bin ich wohl zu hohe Risiken eingegangen“, gibt Manz vor den Aktionären fast kleinlaut zu. Was er nicht sagt: Er hat auf Branchen gesetzt, die von politischen Entscheidungen abhängen oder stark zyklisch sind. „Wenn Subventionen gekürzt werden, bricht über Nacht alles weg“, sagt ein Branchenkenner.
Manz hat jetzt externe Berater ins Haus geholt und einen Sanierungsspezialisten. Über 300 Beschäftigte müssen gehen. Aber mit seiner Technologie konnte er immerhin Shanghai Electric für den Einstieg gewinnen. Knapp 20 Prozent der Aktien haben die Chinesen schon. Zudem können die Investoren eine Stimmrechtsvereinbarung ziehen, durch die Manz seine Stimmrechte (knapp 30 Prozent) an die Chinesen abtritt. Das wäre dann der endgültige Kontrollverlust für ihn – auch wenn Manz bis 2021 noch Vorstandschef bleiben soll.
Guoxing Yang, Vertreter von Shanghai Electric, hörte sich die Kritik der Aktionäre in aller Ruhe an. Als er sich für die Wahl in den Aufsichtsrat vorstellte, sagte er, sein Unternehmen mit 11 Milliarden Euro Umsatz sei in China so etwas wie Siemens, nur kleiner. „I hope you like me“, endete er seine Vorstellung. Den Aktionären und Dieter Manz wird nichts anderes übrig bleiben. Yang übernimmt den Aufsichtsratsposten von Trumpf-Geschäftsführer Peter Leibinger. Martin-Werner Buchenau
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