M&A-Geschäft Zukäufe im Bereich Digitalisierung sind für Mittelständler eine Chance – doch nur wenige trauen sich

Die Digitalisierung bietet Mittelständlern die Chance, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
München Die Digitalisierung zeigt derzeit auch vielen Mittelständlern ihre Grenzen auf. „Die Coronakrise ist ein Warnschuss für unseren Mittelstand“, sagt Stefan Sambol von der Digitalfirma Ommax dem Handelsblatt. Viele hätten das Thema in den vergangenen Jahren vernachlässigt, weil die Geschäfte auch auf traditionelle Weise gut liefen.
Doch nun zeige sich, wie wichtig digitale Kanäle und eine gute Sichtbarkeit in der digitalen Welt seien. „Es findet eine Zwangsdigitalisierung statt.“ Nach Corona werde die Wirtschaftswelt nicht mehr in alte Verhaltensmuster zurückfallen, prophezeit er. Wer nun die richtigen Weichen stelle, könne Marktanteile hinzugewinnen.
Eigentlich wäre damit nun nach Einschätzung vieler Experten die richtige Zeit für strategische Akquisitionen, um neue digitale Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Doch derzeit seien als Interessenten für Transaktionen vor allem Private Equities und Family Offices unterwegs, sagt Sambol.
Ommax ist auf die Digital Due Diligence von Unternehmen spezialisiert, untersucht also im Rahmen von Übernahmen das digitale Potenzial des Kaufobjekts. Zudem entwickeln die Experten Digitalisierungsstrategien und helfen nach der Übernahme bei der Umsetzung.
Theoretisch gibt es derzeit günstige Kaufgelegenheiten. Die Aktienkurse vieler Unternehmen sind gefallen, auch könnten sich nach Einschätzung von Experten Übernahmemöglichkeiten aus der Insolvenz heraus ergeben. Doch halten sich die meisten Investoren derzeit zurück. Das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen ist im ersten Quartal deutlich eingebrochen.
Manche Transaktionen sind derzeit auf Eis gelegt, weil die Unternehmen ihr Geld beisammenhalten. „Die Kaufinteressenten warten ab, ob und inwieweit sich die heftige weltweite Rezession auf das Geschäft der Zielgesellschaft auswirkt“, sagt Christian Pleister von der Wirtschaftskanzlei Noerr.
Reges Interesse in Software- und Gesundheitsbranche
Unsicherheitsfaktor sei vor allem die Dauer der Pandemie. „Bereits unterzeichnete und noch nicht vollzogene Transaktionen werden oft von den Käufern daraufhin untersucht, ob ein Rücktritt wegen möglicher nicht eingetretener Vollzugsbedingungen möglich ist oder Hebel zu Preisanpassungen bestehen.“ Auch viele Finanzinvestoren seien derzeit mit der Liquiditätssicherung ihrer Portfoliounternehmen beschäftigt.
Doch sind nicht alle Bereiche gleichermaßen betroffen. Es gebe zum Beispiel in der Softwarebranche und im Gesundheitsbereich durchaus noch reges Interesse für ausgewählte Assets, sagte Sambol, allerdings vor allem von Finanzinvestoren. „Die Private Equities sind immer noch investitionsfreudig, wenn auch teilweise auch aufgrund der aktuellen Finanzierungsmärkte und logistischen Prozessherausforderungen temporär etwas gebremst.“
Es gebe immer noch hohen Anlagedruck, weil die Fonds viel Geld eingesammelt hätten. Viele Investoren hofften derzeit auf eine Art „Corona-Nachlass“ von zehn bis 15 Prozent.
Doch auch für strategische Investoren sei jetzt eigentlich der richtige Moment, zuzuschlagen, wenn sie es sich leisten können, ist Sambol überzeugt. „Das ist die Chance, um ein, zwei Schritte vor dem Wettbewerb zu sein.“ Auch Pleister von Noerr glaubt, dass liquiditätsstarke Strategen die Chancen ergreifen werden. „Hier sind dann nicht selten kartell- und investitionsrechtliche Hürden zu überwinden.“
Käufer wollen eine Absicherung
Wer sich jetzt aus der Deckung wagt, will aber eine stärkere Absicherung. Sogenannte MAC-Klauseln gewinnen laut Transaktionsexperten wieder an Bedeutung. Dabei können Käufer im Falle einer wesentlichen nachteiligen Veränderung (Material Adverse Chance) vom Kaufvertrag zurücktreten.
In Deutschland hatten sich Firmen zum Beispiel nach dem Platzen der Dotcom-Blase und während der Finanzkrise 2008 auf MAC-Klauseln berufen. In den vergangenen Jahren aber konnten die Käufer laut Noerr nur noch in Ausnahmefällen MAC-Klauseln platzieren.
Im Zuge der Coronakrise aber könnte die Regelung ein Comeback schaffen. „Tatsächlich haben wir für Käufer bereits in mehreren aktuell noch vereinbarten Transaktionen Corona-MAC-Klauseln vereinbart“, berichtet M&A-Experte Pleister von Doerr. Diese können statt einer harten Vollzugsbedingung auch Preisanpassungsmechanismen bei Verfehlen bestimmter Umsatz- oder Ergebnisziele im laufenden und kommenden Geschäftsjahr vorsehen.
Auch Sambol sagt: „Wir sehen, dass aufgrund der Covid-19-Unsicherheit mehr mit Earn-outs gearbeitet wird.“ So werde der Kaufpreis zum Beispiel stärker an das Erreichen bestimmten Geschäftsziele gekoppelt.
Zu den Unternehmen, die eine Akquisition gewagt haben, gehört Haniel. Der Familienkonzern aus Duisburg übernahm vor einigen Tagen die Mehrheit am Matratzen-Start-up Emma. Über den Kaufpreis für das 2013 von Manuel Müller und Dennis Schmoltzi gegründete Unternehmen, das zuletzt auf 150 Millionen Euro Umsatz kam, wurde Stillschweigen vereinbart.
Haniel-Chef Thomas Schmidt sagte, womöglich könne der Konzern in Zeiten von Corona „Mittelständlern in Not“ helfen. Weitere Akquisitionen sind also möglich.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.