Paketöffnungsmaschine von ALS Helfende Hand für Amazon, Zalando & Co.

600 Kartons schafft das Gerät in der Stunde – egal wie groß.
München Es ist die Kehrseite des Onlineshopping-Booms. Schnell sind mehrere Paar Schuhe bestellt, bei Nichtgefallen werden sie eben wieder zurückgeschickt. Mehr als eine Viertelmilliarde Retouren gehen laut einer Studie der Uni Bamberg im Jahr in Deutschland an den Versandhändler zurück. Eine enorme logistische Herausforderung. Hier sieht der schwäbische Mittelständler ALS seine Chance. ALS steht für Automatic Logistic Solutions. Das Unternehmen hat eine vollautomatische Maschine entwickelt, die Pakete öffnet, ohne den Inhalt zu beschädigen.
ALS ist überzeugt, eine riesige Marktlücke gefunden zu haben. „Es gibt 200 Verpackungsmaschinenhersteller“, sagt Geschäftsführer Paul Kammerscheid. „Aber für das Entpacken gab es bis vor drei Jahren gar keinen.“ Allein in Europa habe der Markt ein potenzielles Volumen von einer Milliarde Euro.
Der Paketöffner zeigt, was im Industrie-4.0-Zeitalter möglich ist. Im Zusammenspiel wirken die ALS-Maschine, Automatisierungstechnik von Siemens und ein Kuka-Roboter. Die Maschinen kommen mit Hilfe von Sensoren mit ständig wechselnden Paketgrößen zurecht. Individualisierung ist einer der großen Trends bei der Digitalisierung der Produktion. Möglich sind sieben verschiedene Schnittarten, von der Durchtrennung von Klebebändern über die Abtrennung des Deckels bis zur Perforierung des Deckels.
600 Pakete können in der Stunde geöffnet werden. Kammerscheid war schon bei etlichen potenziellen Kunden, bei denen die Pakete mit der Hand geöffnet werden, und hat mitgestoppt: „Ein Mensch schafft vielleicht etwa 150 Pakete in der Stunde – je nach Schnittmuster.“ Hinzu käme die Gefahr von Verletzungen der Mitarbeiter und Beschädigung der Ware. Als Kunden kommen nicht nur die Versender infrage. Auch in der Industrie müssen unzählige Pakete geöffnet werden. Eine Milliarde Pakete, schätzen Experten, seien es pro Tag.
ALS existierte bereits als Sondermaschinenhersteller für Autozulieferer, als Gründer Bernhard Hörl die erste Paketöffnermaschine entwickelte. In den USA gibt es noch einen Maschinenbauer, der etwas Ähnliches vertreibt, ansonsten steht der Weltmarkt theoretisch offen. Die technischen Eintrittshürden seien recht hoch, ist Kammerscheid überzeugt. „Wir haben die Maschinen und – vielleicht noch wichtiger – die Messer.“
Ein digitaler Zwilling
Bislang, sagt Kammerscheid, habe die Automatisierung in der Industrie vor allem die Produktion und die IT erfasst. „Die Logistik wurde vernachlässigt.“ Dennoch rollt das Geschäft nur langsam an. Die Serienfertigung der Maschinen gestaltet sich schwierig, denn jeder Kunde hat eigene Anforderungen. Doch die beiden Unternehmer wollen einen langen Atem beweisen. Schließlich bringen sie schon viel Erfahrung mit. „Wir sind keine Boygroup, sondern gestandene Unternehmer“, drückt es Kammerscheid aus.
Die Paketöffnungsmaschinen könnten auch einen Markt finden, weil sie heute dank moderner Steuerungstechnik in den innerbetrieblichen Warenfluss – also in Transport- und Fördersysteme – integriert werden können. Mit Simulationssoftware wie zum Beispiel Tecnomatix von Siemens können Firmen durchspielen, ob sich der Einsatz lohnt. „Durch eine Simulation des Warenflusses mit Tecnomatix können die Unternehmen virtuell testen, optimieren und eine gesicherte Investitionsentscheidung treffen“, erklärt Thomas Kreuzer, Siemens-Manager in der Division Digitale Fabrik.
Firmen könnten heutzutage ein digitales Abbild der gesamten Wertschöpfungskette erzeugen. Das Datenmodell, in der Branche „digitaler Zwilling“ genannt, ermögliche dann die Optimierung der Prozesse. Dabei könne sich zeigen, ob sich der Einsatz einer Paketöffnungsmaschine lohnt.
ALS hat bereits einige Maschinen verkauft, zum Beispiel an Versandhändler. Noch ist die Firma aber in der Aufbauphase. Sollten sich die Paketöffnungsmaschinen durchsetzen, dürfte das Unternehmen bald an seine Grenzen stoßen. Die Unternehmer sind daher auf der Suche nach strategischen Investoren.
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