Rassismus im Fußball Schalke-Boss Tönnies wehrte sich gegen die Rücktrittforderungen

Seine verbale Entgleisung hat für den Schalke-Boss kaum Konsequenzen.
Düsseldorf Nach Angaben von Teilnehmern war es eine nicht nur lange, sondern in ihrem Verlauf auch sehr emotionale und hitzige Krisensitzung beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04. Schließlich ging es um nicht weniger als die mögliche, öffentlich breit diskutierte Ablösung des Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies, nachdem dieser sich kürzlich einen verbalen Fehltritt geleistet hatte.
Während einer Festrede beim „Tag des Handwerks“ in Paderborn in der vergangenen Woche hatte sich der Fleischfabrikant abfällig über Afrikaner geäußert. Doch am Ende des gut vierstündigen Rapports, zu dem der Schalker Ehrenrat – so etwas wie die klubeigene Ethikkommission – Tönnies am Dienstagabend herbeizitiert hatte, kam der Klub-Boss der Königsblauen glimpflich davon.
Einen Sturz des Aufsichtsratschefs zog das Gremium indes offenbar nicht ernstlich in Betracht. Über die Schwere der Verfehlung gab es allerdings teils kontroverse Ansichten.
Letztlich wird Tönnies sein Amt nur drei Monate ruhen lassen. Dieses Strafmaß schlug Tönnies dabei selbst vor. In dieser Zeit übernimmt sein Stellvertreter Jens Buchta das Amt. Danach, so der Plan, macht Tönnies als Klub-Boss weiter.
Die Diskussion um seine Person kann der 63-Jährige mit dieser Pause aber nicht beenden. Tönnies hatte Anfang August vor 1 600 Zuhörern höhere Steuern zur Bekämpfung des Klimawandels kritisiert und vorgeschlagen, lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika zu finanzieren. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“
Mit diesen Stammtischparolen entfachte Tönnies einen Sturm der Entrüstung und rief auch den Schalker Ehrenrat auf den Plan. Das fünfköpfige Gremium, bestehend aus drei Juristen, einem Steuerberater und einem Pfarrer, prüfte, ob durch die Äußerungen ein Verstoß gegen Leitbild und Satzung des Vereins vorliege, sowie mögliche Sanktionen. Der Ruf nach Konsequenzen war im Verein wie auch außerhalb groß, eine Entschuldigung von Tönnies änderte daran nichts.
Die Entschuldigung wiederholte Tönnies auch vor dem Ehrenrat. Zu einem Rücktritt aber soll er, nach allem, was aus dem Verein zu hören ist, in keinem Fall bereit gewesen sein. Und er soll auch klargemacht haben, dass er für drakonische Sanktionen wie eine Ablösung sehr wenig Verständnis habe. So ist der Vorstoß, sein Amt ruhen zu lassen, wohl mehr als nur ein bloßes Zugeständnis gegenüber öffentlichen Forderungen.
Neben Tönnies lud der Ehrenrat auch ehemalige Schalke-Spieler mit afrikanischen Wurzeln zur Anhörung, darunter Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah und den früheren Schalke-Profi Thilo Kehrer. Sie sollten sich dazu äußern, ob Tönnies ihnen gegenüber mit rassistischen Ausfällen auffällig geworden ist.
Außerdem holte das Gremium nach Handelsblatt-Informationen mehrere Rechtsgutachten ein, die die Aussagen von Tönnies im Hinblick auf Verstöße beurteilen sollten. Auf dieser Basis kam der Rat zu dem Schluss, dass der „Vorwurf des Rassismus unbegründet ist“. Allerdings habe Tönnies „gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen“. Dass der Chefaufseher sein Amt ruhen lasse, begrüße man.
Für das Ergebnis der Sitzung erntete das Gremium heftige Kritik. Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag (SPD), fand klare Worte: Der Ehrenrat zeige seine „völlige Ohnmacht“ und mache sich damit „aus meiner Sicht überflüssig“, sagte sie dem Handelsblatt.
In einem anderen Fall urteilte der Ehrenrat weit härter: Nachdem ein Aufsichtsrat 2016 versucht hatte, Tönnies zum Verzicht auf eine Wiederwahl oder zu einem Rückzug zu bewegen, wertete das Gremium dies als unehrenhaftes Vorgehen und suspendierte den Kontrolleur für ein Jahr.
Mehr: Sein Geltungsdrang hat den Schalke-Chefaufseher im grotesk überhöhten Fußballgeschäft auf Abwege gebracht, meint Handelsblatt-Senior-Editor Hans-Jürgen Jakobs. Er müsse sich neu bewähren.
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Herr Thönnies hat Stammtisch-Geschwafel von sich gegeben. Sowas in diesem Kreis als Redner von sich zu geben, ist schlimm. Da fragt man sich, wie er einen Milliarden-Konzern zumindest mitführen kann! Aber: die Familien-Streitigkeiten mit seinem Neffen sprechen ja Bände! Ihn durch den Ethik-Rat abzusetzen, halte ich für falsch. Er hätte - meiner Ansicht nach - aus freien Stücken abtreten sollen und dem Verein mit seinen Kontakten hinter den Kulissen weiterhin behilflich sein sollen. Auf jeden Fall eignet sich dieser Vorfall nicht dazu, ihn in die rassistische Ecke zu plazieren; es war einfach nur Blödheit.
Die ganze Diskussion über diese Angelegenheit zeigt deutlich, wohin sich unser ach so moralisch vorbildliches Land entwickelt hat.
Schalke-Boss Tönnies soll wegen seiner Äußerungen zurücktreten, aber in einem anderen Fall der jüngeren Vergangenheit durfte ein verurteilter Straftäter (Steuerhinterziehung) nach Verbüßung seiner Haftstrafe sogar wieder Boss von (s)einem Fußballverein werden! Wo war da der Aufschrei der Moralapostel?