Schuhkönige Lars und Lukas Meindl Teurer Klotz im bayerischen Idyll

Bekenntnis zum Standort.
Kirchanschöring Wer sich auf den Weg zu den Meindls nach Kirchanschöring macht, durchquert dunkle Wälder und saftige Wiesen, der kommt vorbei an Hügeln, Weihern und Weilern. Hier ist Oberbayern so, wie es sich ein Urlauber vorstellt: ein bisschen verschlafen, in jedem Fall aber idyllisch.
Mit der Beschaulichkeit ist es vorbei, wenn einer der gelben DHL-Trucks über die engen Staatsstraßen donnert. Und das passiert recht häufig. „Im Grunde ist hier der dümmste Platz für ein Logistikzentrum“, gibt Lukas Meindl zu. Trotzdem hat der Unternehmer und Miteigentümer der Wanderschuhfabrik Meindl sein neues, hochautomatisiertes Lager in dem 3175 Seelennest gebaut, in Sichtweite der Alpen und eine halbe Autostunde nördlich von Bad Reichenhall. „Weil es unsere Heimat ist“, betont er.
Jahrelang haben Lukas und sein Bruder und Co-Gesellschafter Lars mit sich gerungen, haben Für und Wider abgewogen. Schließlich handelt es um die größte Einzelinvestition in der 333-jährigen Firmenhistorie. „Manches geht in Familienunternehmen einfach langsamer“, meint Lukas Meindl. Doch jetzt steht der mächtige Bau, solang wie ein ausgewachsener Supermarkt, in der beschaulichen Gemeinde. Wie viel die graue, elf Meter hohe Halle gekostet hat, verraten die Geschwister nicht. Ein hoher einstelliger Millionenbetrag wird es wohl gewesen sein.
Unabhängigkeit steht an erster Stelle
In vielen Großkonzernen wäre ein Lager, wie es die Meindls gebaut haben, nicht einmal eine Randnotiz einer Vorstandssitzung. Doch für die Brüder, die nicht in Quartalen, sondern in Generationen denken, ist es eine Entscheidung von erheblicher Reichweite. Auf Jahrzehnte ist der Schuhproduzent mit 60 Millionen Euro Jahresumsatz an Kirchanschöring gebunden. Dazu kommt: Gestandene, aber eben doch vorsichtige Unternehmer wie die Meindls gehen nicht einfach so zur Bank und besorgen sich einen Kredit. „Für uns ist es wichtig, unsere Unabhängigkeit zu bewahren“, unterstreicht Lukas Meindl.

Bayerische Handarbeit.
So wie die Meindls müssen viele Mittelständler abwägen, ob sie in ein neues Lager investieren, oder den Versand an einen Logistiker vergeben. Nichtstun ist keine Option. Die Schlagzahl gibt Amazon vor: Der Internetkonzern stellt seine Ware in manchen Großstädten inzwischen innerhalb von einer Stunde zu. Dazu kommt, dass Sportartikelriesen wie Nike mehrere Hundert Millionen in die Hand nehmen, um schneller und pünktlicher zu liefern.
Das setzt die mittelständisch geprägte Outdoor-Branche, zu der auch Meindl zählt, gehörig unter Druck. Doch die Strategien sind unterschiedlich. Die Schweizer Bergsportmarke Mammut beliefert ganz Zentraleuropa inzwischen von einem neuen Logistikzentrum südlich von Memmingen aus. Der Rucksackproduzent Deuter wiederum verschickt alle Pakete von seiner gerade gebauten Zentrale an der A8 nördlich von Augsburg. Allerdings verzichtet Deuter im Gegensatz zu Mammut auf Maschinen und stellt die Sendungen per Hand zusammen.
Zwei grundverschiedene Brüder
Dass die Entscheidungsfindung bei den Meindls etwas länger dauerte, das kann sich lebhaft vorstellen, wer die Zwei einmal getroffen hat. Die Brüder sind grundverschieden. Dort Lukas, der stämmige, dessen Haarpracht früh einer Glatze gewichen ist. Er ist der Praktiker, der das Schusterhandwerk von der Pike auf gelernt hat und schon in der Schule Schuhe entworfen hat. Daneben Lars, gelocktes Haar, randlose Brille. Er ist der Rechner. „Ich bin der Kaufmann. Für das Handwerkliche habe ich mich nie so interessiert“, beschreibt er sich selbst.
Schon als Kinder verbrachten Lars und Lukas viel Zeit im Geschäft, um sich ihr Taschengeld zu verdienen. Als ihr Vater 2006 starb, übernahmen sie gemeinsam den Betrieb, Lukas war Anfang 40, Lars Ende 30.
Im Betrieb fertigen 220 Mitarbeiter Tag für Tag hochwertige Wanderschuhe aus Leder, fast komplett in Handarbeit. Jeder Stiefel benötigt über 200 Arbeitsschritte. So war es eigentlich schon immer in den vergangenen 333 Jahren.
Die Heimatliebe der Meindls hat ihren Preis. Spätestens um Viertel vor vier muss der letzte Lastwagenfahrer den Motor starten, muss er raus auf die kurvige Route ins Verteilzentrum der Post im Münchener Umland. Nur dann sei garantiert, dass die Händler am nächsten Tag die Stiefel im Laden ihren Kunden anbieten könnten, erklärt Lukas Meindl. Hätte er das Lager beispielsweise an der Autobahn bei Rosenheim errichtet, wäre erst um 17 Uhr Schluss. Nur eine gute Stunde. Doch im E-Commerce-Zeitalter, eine Ewigkeit. Auch im Alpenvorland.
„Wir sind für die Konsumenten greifbar“
Die Meindls beliefern ausschließlich Fachhändler. Damit die mit den Internetkonzernen nur ansatzweise mithalten können, sind sie auf eine Übernacht-Belieferung zwingend angewiesen. Mehr als eine Million paar Schuhe schleusen die Meindls jedes Jahr durch das neue Lager. Andererseits: Die Kunden honorieren, dass die Brüder ihre oberbayerischen Wurzeln pflegen. „Wir sind für die Konsumenten greifbar“, erläutert Lars Meindl. Die Marke gilt bei Millionen Bergsteigern als Synonym für zuverlässige Schuhe für jedes Gelände. Auch Bundeswehr-Soldaten und Sondereinsatzkommandos der Polizei verlassen sich auf die Stiefel.
Unter den größten Lieferanten der Handelskette Sport 2000 hat Meindl in den vergangenen drei Jahren einen mächtigen Sprung gemacht, von Rang 14 auf Platz 8 gemach und liegt damit nur knapp hinter dem ungleich größeren Turnschuh-Hersteller Puma. Die Ladeninhaber ordern gerne bei den Meindls, auch, weil die Brüder an übermächtige Online-Konkurrenten wie Amazon oder Zalando gar nicht erst verkaufen. Von globalen Marken wie Adidas und Nike fühlen sich die mittelständischen Händler immer häufiger über den Tisch gezogen. „Meindl hingegen bekennt sich klar zum Fachhandel“, sagt ein Ladenbesitzer.
Noch läuft es im neuen Lager längst nicht so, wie sich das Lukas Meindl vorstellt. Mensch und Maschine brauchen mehr Zeit als erwartet, um sich aneinander zu gewöhnen. Dabei sind schon die nächsten Handwerker da, die Meindls modernisieren die Fertigung, renovieren die Büros.
Die nächsten 300 Jahre, das ist auch den Heimatverbundenen klar, wird die Firma nur überleben, wenn sie sich wandelt. Immer wieder.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.