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Stihl-Chef Bertram Kandziora „Amerika greift in einen verrosteten Werkzeugkasten“

Stihl-Chef Bertram Kandziora sieht in Trumps Abschottungspolitik kein Zeichen von Größe. Im Interview spricht er über die Produktion des Motorsägenpioniers in den USA, den nicht „kostenoptimalen“ deutschen Standort und seinen smarten Garten.
13.02.2017 - 12:20 Uhr Kommentieren
„Mein eigenes Haus ist voll vernetzt, inzwischen auch mit dem Garten.“ Quelle: picture alliance/dpa
Stihl-Chef Kandziora mit Motorsäge

„Mein eigenes Haus ist voll vernetzt, inzwischen auch mit dem Garten.“

(Foto: picture alliance/dpa)

Bertram Kandziora hat zum Gespräch in der Waiblinger Zentrale das „Time Magazine“ mitgebracht – mit acht Seiten Weihnachtswerbung für Stihl. „Wählen Sie ein Geschenk, das schwer einzupacken ist“ – abgebildet eine Säge, eine Heckenschere und ein Trimmer. Mit Humor nahm der Weltmarktführer für Motorsägen zuvor schon im „Wall Street Journal“ die hart umkämpfte US-Wahl werblich auf die Schippe: „One thing all of us can agree on“. Darunter ein Mann mit Cowboyhut und Stihl-Säge. Der Mittelständler traut sich was in den USA und im Interview. Deutliche Worte in Richtung Trump.

Herr Kandziora, was machen Sie eigentlich, wenn Donald Trump sagt, kein amerikanischer Baum wird mehr mit einer deutschen Säge gefällt?
Dann schneidet sich Trump ins eigene Fleisch. Er will ja Arbeitsplätze schaffen. Wir haben seit 42 Jahren ein Produktionswerk in Virgina Beach mit 2. 000 Mitarbeitern. Die USA sind unser wichtigster Markt. Wir verkaufen dort ein Drittel unserer Geräte.

Aber Schutzzölle würden Sie treffen?
Weniger als unsere europäischen Konkurrenten. Bei einigen Zulieferteilen ja, aber 85 Prozent unseres US-Absatzes stammen aus dem amerikanischen Werk mit einer ordentlichen Fertigungstiefe. Ein Drittel unserer US-Produktion geht in andere Länder. Das ist viel mehr als nur ein Montagewerk. Wir fertigen dort unter anderem Kurbelwellen und Kunststoffteile sowie Kolben für die gesamte Unternehmensgruppe. In den USA sind wir Marktführer, seit den 30er-Jahren im Markt und werden als amerikanische Marke empfunden.

Das wird im Ernstfall nicht viel helfen.
Natürlich gefällt es mir nicht, was da derzeit an Themen aufkommt. Das hat nicht unbedingt etwas mit Stihl zu tun. Wir treten für Freihandel ein und lehnen jede Form von Protektionismus ab.

Und was ärgert Sie besonders?
Die kraftvolle, starke, selbstbewusste Weltmacht Amerika greift in einen verrosteten Werkzeugkasten, den allenfalls Schwellenländer nutzen. Wir kennen ja hohe Importzölle von unserem Werk in Brasilien. Es ist kein Zeichen von Größe, wenn Trump solche Mittel wie Abschottung wählt. Das ist sehr enttäuschend. Dabei hatte lange kein Präsident mehr so gute Voraussetzungen, Politik für eine starke Industrie und mehr Beschäftigung zu betreiben.

Halten Sie Trump für gefährlich?
Die Hoffnungen, dass er sein Auftreten und seine Thesen aus dem Wahlkampfmodus ablegt, haben sich nicht erfüllt. Das Gute ist, dass es eine funktionierende Demokratie in den USA gibt mit ausgleichenden Kräften.

Sie werden die Gartenmarke Viking in Stihl integrieren, um neue Märkte zu erschließen. Warum wollen Sie gerade jetzt in die USA mit Gartengeräten?
Durch den Markenwechsel werden wir nicht automatisch alle bisherigen Viking-Produkte in alle Märkte einführen. Außerhalb Europas existiert die Marke Viking nicht. Durch den Markenwechsel stehen diesen Produkten jetzt aber alle 160 Stihl-Länder offen, da dort keine teure Markenwerbung für die unbekannte Marke Viking nötig ist. Werbung ist teuer, besonders in den USA. Da ist es einfach besser, das unter einer Marke zu machen. Aber wir haben nicht nur die USA im Blick, auch Asien.

Sie haben Viking schon 1992 gekauft. Warum kommt der Schritt erst jetzt?
Bei Viking stimmte damals die Qualität noch nicht. Seit einigen Jahren nun sind alle Produkte top, bieten Alleinstellungsmerkmale und passen deshalb zum Premiumsegment der Marke Stihl.

Was haben Sie vor – Garten 4.0?
Wir haben schon ein paar smarte Sachen im Köcher. Im Januar haben wir uns mit 35 Prozent am israelischen Start-up GreenIQ beteiligt, das sich mit seinen Softwareexperten intensiv mit der Vernetzung von Gartenprodukten beschäftigt. Wir arbeiten daran, Bewässerungssysteme und Robotermäher miteinander zu verbinden. Der existierende GreenIQ-Hub berücksichtigt Sensordaten und aktuelle Wetterdaten verschiedenster Dienste. Er bewässert nur, wenn wirklich Wasser benötigt wird, und kann so leicht 50 Prozent Wasser sparen. Mittelfristig geht es aber um die Vernetzung unterschiedlichster Produkte. Mein eigenes Haus ist voll vernetzt, inzwischen auch mit dem Garten. Ich habe da auch privat ein Faible. Diesen Dingen gehört die Zukunft.

Wachsen Sie denn im Kernsegment nicht mehr so stark, dass Sie die Stihl-Palette auffächern müssen?
Nein, das ist nicht der Grund. Wir haben ja schon 2008 die handgetragenen Elektrogeräte von Viking in die Marke Stihl integriert und gute Erfahrungen gemacht. Wir haben damit ein deutliches Absatzplus erzielt. Jetzt folgt der logische nächste Schritt.

Welchen Anteil hat die Akku-Linie?
Der Anteil wird sich 2017 verdoppeln und zweistellig sein. Wir sind 2009 in den Markt gegangen zu Preisen für Profi-Produkte von 450 bis 600 Euro einschließlich Akku. Heute sind wir bei 249 bis 299 Euro. Und wir können sogar Einstiegsgeräte für 129 Euro bieten. Damit sind Stihl-Akkugeräte eine echte Alternative auch für Privatkunden. Da kommt jetzt Schwung in den Absatz.

Wann verdient die Sparte Geld?
Wir sind noch in der Investitionsphase.

Wie können Sie als Mittelständler die Versorgung mit Akkus sichern?
Da müssen wir schon kreativ sein. Wir können heute bereits absehen, dass spätestens 2020 die Nachfrage nach Akkukapazitäten durch die Zweirad- und Autoindustrie so stark sein wird, dass für uns nicht viel übrig bleibt. Wir haben uns bei unserem Batteriezellenhersteller durch Vorfinanzierung Kapazitäten gesichert und uns an einem chinesischen Akkugeräte- und Batteriehersteller beteiligt. In Deutschland sind wir an BMZ beteiligt – Europas führendem Systemlieferanten für Akkutechnologie.

Die Batteriezellen selbst zu bauen war keine Alternative?
Der Einstieg in die Batteriezellenherstellung ist ein langer und mühsamer Weg. Eine einzelne Fertigungslinie würde rund 300 Millionen Euro kosten. Wir hätten mehr Risiken, eine hohe Kapitalbindung und keine besseren Batterien als die auf dem Markt. Da machen für uns als Mittelständler Beteiligungen und Kontrakte mehr Sinn.

Fertigungstiefe ist eines Ihrer Markenzeichen. Bei Akkugeräten können Sie die aber nicht halten.
Wir haben fast 40 Millionen Euro in die Erweiterung unseres Entwicklungszentrums investiert – unser Kompetenzzentrum für Akku- und Elektrotechnologie. Natürlich prüfen wir, ob der Einstieg in diese neuen Fertigungstechnologien Sinn macht. Mit den neuen Produktlinien kommen jetzt auch die dafür notwendigen Stückzahlen.

Können Sie sich auf Dauer den teuren Standort Deutschland leisten.
Der deutsche Standort ist nicht kostenoptimal. All unsere Beschäftigten arbeiten permanent daran, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Aber wir sind weltweit vertreten. So schaffen wir es, hier am Standort zu fertigen, insbesondere die Produkte für Profis. Die Qualität der Entwicklung in Deutschland ist für uns immens wichtig. Nicht nur für die Produkte, auch für die Fertigung.

Weil Sie den Anschluss bei der vernetzten Fertigung nicht verpassen dürfen?
Bei Stihl sind schon viele Prozesse in der Fertigung vernetzt und werden digital unterstützt. Natürlich gibt es erhebliches Potenzial durch die neuen Technologien und digitale Geschäftsmodelle.

Was ist Ihr Erfolgsrezept als Familienfremder 14 Jahre im Amt?
Ein Patentrezept gibt es nicht. Es ist vor allem eine Sache des Vertrauens zwischen Eigentümern und Vorstand, das im Laufe der Jahre gewachsen ist.

Hätten Sie gedacht, dass Sie bei Stihl auch in Rente gehen werden?
Laut Statistik konnte ich anfangs nicht davon ausgehen, aber mein Vertrag wurde 2016 um weitere fünf Jahre verlängert. Jetzt sieht es danach aus. Aber keine Angst: Themen wie Akku, Digitalisierung und Vernetzung halten mich schon auf Trab.

Herr Kandziora, danke für das Interview.

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