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Wohnmobilhersteller Hymer-CEO Martin Brandt: „Wir wissen überhaupt nicht, wie lieferfähig unsere Lieferanten sind“

Der CEO der Erwin Hymer Group meldet Rekorde und sieht kein Ende des Booms bei Wohnmobilen. Doch es fehlen wichtige Zulieferteile – den Mitarbeitern droht Kurzarbeit.
07.10.2021 - 10:30 Uhr Kommentieren
Der Hersteller hat im abgelaufenen Geschäftsjahr einen neuen Umsatzrekord erzielt. Quelle: imago images / Revierfoto
Hymer-Wohnmobil

Der Hersteller hat im abgelaufenen Geschäftsjahr einen neuen Umsatzrekord erzielt.

(Foto: imago images / Revierfoto)

Düsseldorf Martin Brandt könnte sich zurücklehnen. Die Erwin Hymer Group, die er seit sechs Jahren führt, hat einen neuen Umsatzrekord vorgelegt: 2,7 Milliarden Euro im Geschäftsjahr, das Ende Juli 2021 endete – 23 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, das sind drei Prozent mehr als im Branchenschnitt.

Die Nachfrage ist nach wie vor hoch, der Auftragsbestand reicht schon jetzt für mehr als ein Jahr, erzählt der 61-Jährige. Doch er macht sich Sorgen, ob Hymer die große Nachfrage auch bedienen kann: „Wir wissen überhaupt nicht, wie lieferfähig unsere Lieferanten sind. Daher können wir es überhaupt nicht einschätzen.“

Wie Brandt geht es derzeit vielen Firmenchefs. Der Grund ist immer derselbe: die Engpässe auf dem Halbleitermarkt. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Entscheidern trifft Hymer der Mangel nicht als Zulieferer, sondern als Kunde der großen Autohersteller. Und er wundert sich ein wenig.

Hymers Lieferanten sind Daimler, Fiat und PSA. Brandt ist erstaunt, dass „die Marktmacht der OEMs nicht ausreicht“. Die Lage sei dramatisch: „Wir wissen erstens nicht, wie stark wir betroffen sind, und zweitens sind die Bestellungen bereits jetzt am Anschlag, das können wir also nicht aufholen.“ Im Ende Juli 2021 endenden Geschäftsjahr habe es das Problem noch nicht in dem Ausmaß gegeben.

Die Folge: Im November und Dezember könnte es bei Hymer zu Kurzarbeit kommen, schlicht weil das Material zum Verarbeiten nicht vorhanden ist. Es fehle auch mal an Holz oder Kühlschränken aus Asien, sagt der Firmenchef. „Der größte Engpass aber sind die Chassis.“

70 Prozent der Wertschöpfung kauft Hymer ein

Wie die großen Autohersteller kauft auch Hymer rund 70 Prozent der Wertschöpfung ein, wobei ehrlicherweise 60 Prozent für das Chassis reserviert seien, sagt Brandt. Und er macht es auch wie die großen Hersteller, er fragt inzwischen selbst in der Halbleiterindustrie nach, wann es besser wird. Seine Erkenntnis: In seiner aktuellen Vertragslaufzeit wird ihm das Thema treu bleiben: „Ich denke, der Halbleitermarkt wird sich erst so richtig im Sommer 2023 entspannen.“

Und helfen kann auch die Konzernmutter in den USA nicht. Thor Industries, der US-Marktführer, hatte vor rund zwei Jahren die Erwin Hymer Group übernommen. Sie fährt ebenfalls Rekorde ein, steht aber auch vor ähnlichen Problemen. Viele Synergien in der Produktion gebe es nicht, weil die Fahrzeuge zu unterschiedlich sind, erklärt Brandt: „Aber beim Einkauf haben wir schon mehr Macht.“

Als Brandt 2015 zu Hymer kam, lebte der Firmengründer, der das Unternehmen 1956 startete, schon zwei Jahre nicht mehr. Seine Witwe und die Kinder waren nicht in der operativen Geschäftsführung. Das Unternehmen aber wuchs immer schneller. Als das Angebot von Thor kam, stimmte die Chemie, wie Brandt bestätigt. Selbst Hymers Konzernbetriebsratschef Janusz Eichendorff äußerte sich zu Beginn des Jahres positiv zum Verkauf von Hymer. Die Entscheidung zugunsten von Thor sei „goldrichtig“. Mehr als 1500 Mitarbeiter sind allein im vergangenen Jahr dazugekommen, inzwischen sind es rund 8900.

Brandt ist überzeugt, dass der Wachstumstrend zu Wohnmobilen auch noch mittelfristig anhalten werde. Besonders beliebt: die Vans, die sich fahren wie ein Pkw, sich aber für Wochenendtrips eignen. 60 Prozent plus sind es in diesem Segment bei Hymer. Vorstandschef Brandt glaubt, dass von den Neueinsteigern auch viele weiter Wohnmobile nutzen werden. Seine Perspektive: „Immer mehr werden immer mal wieder mit Wohnmobilen verreisen – nur vielleicht nicht jedes Jahr.“

CO2-Ausstoß bei Hymer soll 2030 bei 20 Prozent des Wertes von 2019 liegen

Doch damit der Trend bleibt, müssen die Hersteller etwas für das gute Gewissen ihrer Kunden tun. So hat auch Hymer klare Nachhaltigkeitsziele formuliert. 2030 soll der CO2-Ausstoß bei nur noch einem Fünftel dessen von 2019 sein. Dabei muss Hymer auch kompensieren und hat sich dafür mehreren Allianzen angeschlossen. Dem amtierenden COO Jan Francke wurde die Verantwortung für das Thema Nachhaltigkeit übertragen.

Dass Brandt das Thema weit nach oben auf die Agenda gesetzt hat, verwundert nicht: Die Fahrzeuge verbrauchen mehr Kraftstoff als normale PKW, die Kunden sind aber vor allem Naturliebhaber. So hat das Institut für Energie- und Umweltforschung die verschiedenen Reisemöglichkeiten verglichen. Dabei schneiden Wohnmobile schlechter ab als reine PKW-Reisen, aber besser als Flug und deutlich besser als Kreuzfahrten. Durchgerechnet wurde es anhand einer Skandinavien-Reise.

Die Kunden werden insgesamt anspruchsvoller – vor allem die am stärksten wachsenden Gruppen: Best Ager, deren Kinder einen Führerschein haben und bei denen das dritte Fahrzeug ein Van ist. Und Jüngere, die so ein Fahrzeug überall mit hinnehmen und regelmäßig Wochenendtrips machen. Ein Start-up-Unternehmer lebe sogar in einem Wohnmobil, erklärt Brandt.

Bei den klassischen Kunden und Wohnwagen ist der Zuwachs mit zehn Prozent deutlich geringer, aber auf höherem Niveau mit 30.000 Fahrzeugen. Aber auch das Mietgeschäft, das zum Teil über Joint Ventures, Franchise-Partner und eigene Stationen angeboten wird, umfasst pro Jahr rund 6500 Fahrzeuge.

Doch zu den ganzen Rekorden gesellt sich bei Brandt neben der Lieferkette noch ein weiteres Problem, was er gern konkret an die kommende Bundesregierung adressieren will. „Wenn künftig mit den bisherigen Führerscheinen nicht erlaubt wird, auch 4,25 Tonnen schwere Fahrzeuge zu lenken, dann können wir nicht innovieren, also keine Hybrid-Antriebe entwickeln.“

Denn: Batteriebetriebene Autos, auch Hybride sind deutlich schwerer als Verbrenner. Und reine Elektrofahrzeuge sind derzeit auch noch nicht in Planung, weil die Reichweite und die Ladeinfrastruktur in Europa für Wohnmobile noch nicht ausreicht. In den USA aber, weiß Brandt, „gibt es überhaupt kein Problem mit den Führerscheinen, dort gibt es eine solche Obergrenze nicht“.
Mehr: 210 Milliarden Dollar weniger Umsatz: Chipmangel bremst die Autoindustrie aus

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