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Africa Greentec Diese Gründer machen Klimaschutz in Afrika zum profitablen Geschäft

Torsten und Aida Schreiber haben eine Mission: Sie wollen drei Millionen Menschen in Subsahara-Afrika mit Solarstrom versorgen. Dafür gehen sie einige Risiken ein.
11.04.2021 - 13:49 Uhr Kommentieren
Mit selbst entwickelten Solarstrom-Containern versorgen Torsten und Aida Schreiber Dörfer in Subsahara-Afrika mit Energie.
Die Africa-Greentec-Gründer

Mit selbst entwickelten Solarstrom-Containern versorgen Torsten und Aida Schreiber Dörfer in Subsahara-Afrika mit Energie.

München Es war dieser Tag in Malis Hauptstadt Bamako im Jahr 2014, als Torsten Schreiber seine persönliche Offenbarung hatte. In einer Fabrik stieg er eine Stahltreppe zu einem Diesel-Generator hinauf. Mit einem Gehörschutz auf den Ohren stellte er sich auf die bebende Maschine, die noch aus der Kolonialzeit stammte.

„Es dröhnte, und das Öl spritzte nur so aus dem stinkenden Monster“, erinnert sich der 48-Jährige heute. Damals war Schreiber für seine grüne Crowdinvesting-Plattform Bettervest unterwegs, die mit den Einlagen ihrer Investoren Projekte auf Energieeffizienz und Rendite trimmt.

Schreiber wusste, wie viel Energie solche Generatoren verschwenden. Er spricht etwa von einer aus dem Jahr 1959 stammenden Anlage in Dar-Es-Salam, deren Wirkungsgrad gerade einmal bei 13 Prozent liegt. Das heißt, 87 Prozent der Energie gehen verloren. Modernere Generatoren erreichten immerhin 25 Prozent. In jedem Fall wird aber viel Öl verbrannt und die Luft mit den Abgasen verschmutzt.

„Das Erlebnis veränderte alles“, erinnert sich Schreiber. Ähnlich müsse sich Moses gefühlt haben, dachte der Unternehmer, als er nicht vom Sinai, sondern vom Generator herunterstieg und sich mit einer Erkenntnis zu seiner Frau Aida ins Auto setzte und sagte: „Wenn wir wirklich etwas beim Klimaschutz bewegen wollen, dann hier.“

Damit meinte Schreiber Subsahara-Afrika, wo rund 920 Millionen Menschen leben, davon laut den Vereinten Nationen rund 560 Millionen ohne elektrische Energie. Der gelernte Verlagskaufmann und E-Commerce-Spezialist, der mit seinem Rauschebart durchaus als Prophet durchgehen könnte, verließ daraufhin Bettervest und gründete im Januar 2016 mit der gebürtigen Malierin Aida Schreiber im hessischen Hainburg die Africa Greentec AG (AGT).

Algorithmen analysieren das Geschäftspotenzial

Was die Eltern von drei Kindern begannen, ist in nur fünf Jahren zu einer Firma mit 130 Mitarbeitern angewachsen, ihr Wert dürfte bei mindestens 38,5 Millionen Euro liegen. Machte AGT vor Corona einen Umsatz von 2,5 Millionen Euro, gehen die Schreibers für 2021 von zehn Millionen Euro Umsatz aus – etwa durch neue Tochtergesellschaften in Tschad, Madagaskar und Senegal.

Mithilfe ihrer in Deutschland selbst entwickelten „Solartainer“, mobilen Solarcontainer, die sich in 48 Stunden aufbauen lassen, hat AGT bereits 21 Dörfer und Ortschaften im Niger und in Mali elektrifiziert und somit über 100.000 Menschen in der Sahelzone Strom für Licht gebracht. 50 weitere Dörfer sollen in den kommenden drei Jahren folgen. Binnen zehn Jahren wollen sie weitere drei Millionen Menschen mit Strom versorgen. Überwiegend im Tschad, wo Africa Greentec seit Kurzem den Auftrag hat, „alte Dieselmonster“ in zehn Städten durch Grünstrom zu ersetzen.

Das Geschäft der Schreibers funktioniert üblicherweise so: Sie verkaufen ihre 150.000 Euro teuren Solartainer und den damit erzeugten Strom an eine Dorfgemeinschaft. Wo noch die Kaufkraft fehlt, gründet AGT eine lokale Betriebsgesellschaft, die die Anschaffung vorfinanziert und den Strom weiterverkauft. Das rentiere sich, so Torsten Schreiber, der im beigen T-Shirt per Videochat aus dem Tschad zugeschaltet ist, während seine Frau Aida im Hainburger Büro sitzt. Schließlich koste der Solarstrom die Dörfer nur halb so viel wie der aus ineffizienten Diesel-Generatoren.

Finanziert werden die Betriebsgesellschaften von den AGT-Investoren. Von den zehn Millionen Euro, die von AGT bislang in Solarstromprojekte geflossen sind, stammt ein Großteil aus einer Anleihe bei institutionellen Investoren wie der GLS-Bank und Family-Offices, die an das Geschäftsmodell glauben. Bei einem Zinssatz von 6,5 Prozent und 30 Cent pro Kilowattstunde sollen sich die Kosten für die Anlagen nach 15 Jahren amortisiert haben. Zusätzlich läuft noch bis Ende April ein Crowdinvesting, das mit bislang knapp zwei Millionen eingesammelten Euro das bislang größte Afrika-Funding aus Deutschland ist.

Arbeiter errichten einen sogenannten
Africa Greentec

Arbeiter errichten einen sogenannten "Solartainer" für eine unabhängige Stromerzeugung.

Weil es vor Ort an vielem fehlt, liefert das Unternehmen aber nicht nur Solarcontainer und Elektrizität. Es vernetzt den Strom auch mit integrierten Kältespeichern, Wasseraufbereitungsanlagen und anderen Dienstleistungen wie Solarwasserpumpen oder digitalen Verkaufsplattformen für den Direktvertrieb der Ernte.

An den „Impact Sites“, den von AGT ausgestatteten Dörfern im Niger und in Mali, verdirbt dank der Kühlung nun die Ernte der Kleinbauern nicht mehr. Zusätzlich errichtet das AGT-Team Stromnetze und bildet Techniker aus, um die Anlagen zu warten. Damit all das funktioniert, überwacht Africa Greentec mit moderner Analysetechnik die Stromverteilung in Echtzeit, sendet Wartungsteams und berechnet den Verbrauch.

Die Auswahl der Dörfer treffen die Gründer nicht nur nach sozialen Gesichtspunkten: Sie erschließen inzwischen nur mehr dann ein Dorf, wenn mit zahlungsfähigen Kunden zu rechnen ist. Algorithmen analysieren dazu Informationen wie die Bewegungsdaten von Mobiltelefonen, die Nähe zu Wasserstellen und Verkehrswegen.

Da die Bewohner kleine Betriebe gründeten, sobald Strom fließe, entstünden Arbeitsplätze und damit weitere Nachfrage nach den Diensten der Schreibers. Mehr als 500 Mikrounternehmen hätten sich bereits formiert, so die gelernte Buchhalterin Aida Schreiber. „Wir verstehen nicht, wie man bis zu 40.000 Euro für die Rückführung eines Flüchtlings bezahlt, während sich das Geld präventiv und besser vor Ort investieren ließe“, sagt die 36-Jährige.

So wie in den Malier Nassou Oumar. Der war auf der Flucht nach Europa, als er von der Stromversorgung in seinem Dorf erfuhr. Er kehrte aus Marokko zurück und gründete seither fünf Firmen mit insgesamt 50 Mitarbeitern. „Strom ist der Anfang von allem“, so beschreibt es Oumar auf der AGT-Homepage.

Börsengang im Blick

Laut einer Studie der Weltbank von 2020 könnten sich die Investitionen auszahlen. Demnach werde der Markt für Mini-Grids, also lokale Stromnetze mit eigener Erzeugung, in Subsahara-Afrika in den kommenden zehn Jahren um bis zu 1100 Prozent wachsen. Laut Frank-Martin Belz, Professor für Unternehmerische Nachhaltigkeit an der TU München, sei der Bedarf an Investments im Energiemarkt in Afrika „riesig“. Er sehe „ein hohes Maß an Skalierbarkeit für Africa Greentec“, da es sich bei den Mini-Grids in Afrika um einen Milliardenmarkt handele.

Dass der KFM Mittelstandsfonds, der selbst in Africa Greentec investiert ist, die Anleihe etwas zurückhaltend als „durchschnittlich attraktiv“ einstuft, liegt wohl auch daran, dass die Schreibers mit ihrer Firma in Länder gehen, die viele Firmen wegen der instabilen Lage lieber meiden.

Schon vor dem Militärputsch in Mali im vergangenen August reisten die Schreibers nur mit militärischem Geleit. Zwar blieben die Stromanlagen während der Kämpfe unversehrt. „Sie sind dezentral über das Land verteilt, schnell heruntergefahren und damit sehr krisenfest“, so Torsten Schreiber. Trotzdem war die Nervosität groß.

„Ich dachte, das sei das Ende unserer Firma“, so der Gründer. „Ich habe Angst bekommen, weil die Anleger uns auf allen Kanälen kontaktierten. Sie befürchteten, alles zu verlieren“, so Aida Schreiber. Das alles gut ging, sei wohl „Bestimmung“ gewesen. Dennoch sind die Schreibers Unternehmer genug, um ihre Lehren zu ziehen.

„Wir bleiben dem Sahel treu, gehen nun aber in weitere Länder, um die Risiken zu streuen“, sagt Torsten Schreiber. Derzeit liegt der Fokus auf dem Grünstrom-Projekt im Tschad. Durch die bis zu 60 Prozent günstigere Solarenergie gebe es auch dort genug Spielraum für Gewinne, so der Gründer.

100 Millionen Euro wollen die Schreibers für ihr Ziel aufnehmen, in zehn Jahren drei Millionen Menschen mit Strom zu versorgen, und arbeiten dafür an einem eigenen Fonds. Zusätzlich wollen sie Anteile verkaufen und „überlegen derzeit intensiv“, mit Africa Greentec an die Börse zu gehen. Womöglich wie der Flugtaxi-Entwickler Lilium über einen Spac. Dabei treiben weder Torsten noch Aida Schreiber die Aussicht auf einen lukrativen Exit.

Nach eigenen Angaben zahlen sie sich nur das Nötigste zum Leben aus und begeben sich „immer wieder in Lebensgefahr“. Ihre Motivation: Sie glauben daran, die Energiewende nach Afrika bringen und zugleich Armut und Fluchtursachen wirksam bekämpfen zu können.

Das Schicksal von Menschen wie dem Rückkehrer Oumar gibt ihnen recht. „Wenn mir heute jemand anbieten würde, nach Paris zu ziehen, würde ich es ablehnen“, sagt er. „Ich habe ja jetzt alles hier!“

Mehr: Wie Investitionen in Schwellenländern die EU-Klimabilanz aufbessern können.

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