Industrie Schlüssel zur Klimaneutralität: Wissenschaftler empfehlen Differenzverträge

Die konventionellen Produktionsverfahren in der Stahl- und der Cemieindustrie haben keine Zukunft mehr.
Berlin Differenzverträge stellen ein effizientes Instrument dar, um Branchen wie Stahl, Chemie oder Zement dabei zu helfen, das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Mehr noch: Anderen Instrumenten wie etwa einem Mindestpreis im Emissionshandel sind sie überlegen. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Analyse, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für das sogenannte CFM TRACTION-Projekt erstellt hat. Das Projekt bringt verschiedene Akteure aus Deutschland und Polen zusammen, die an Instrumenten für die Dekarbonisierung der Grundstoffindustrie arbeiten.
Im Zentrum der Analyse stehen projektbasierte Differenzverträge (project-based Carbon Contracts for Difference, kurz CCfDs). Die Verträge ermöglichen es Unternehmen, die Mehrkosten für die Umstellung auf klimaneutrale Prozesse zu stemmen.
„Unsere Analyse zeigt, dass CCfD-Modelle für Investitionen in Klimaneutralität essenziell sind. Sie ermöglichen Klimaschutz zu minimalen Kosten“, sagte Jörn C. Richstein, einer der Autoren der Analyse, dem Handelsblatt. „Darum empfehlen wir der Bundesregierung, CCfD-Modelle zu nutzen und auf europäischer Ebene dafür zu sorgen, dass der entsprechende Rahmen geschaffen wird“, ergänzte Richstein.
Differenzverträge gelten als ein wesentlicher Schlüssel, um in Branchen wie Stahl, Chemie und Zement das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist nicht die technische Machbarkeit das Problem.
So könnte etwa die Stahlbranche umgehend damit beginnen, auf CO2-arme oder gar klimaneutrale Produktionsverfahren umzustellen. Allerdings wären die Investitions- und die Produktionskosten immens. Die Produkte wären international nicht mehr wettbewerbsfähig.
CCfDs könnten die Brücke von der technischen zur betriebswirtschaftlichen Machbarkeit schlagen. Der CCfD wird zwischen dem Staat und dem investierenden Unternehmen abgeschlossen. Als Referenzmarkt dient der europäische Emissionshandel.
Der Vertrag garantiert die Zahlung der Differenz zwischen dem vereinbarten Vertragspreis und dem Preis eines CO2-Zertifikats für Emissionsminderungen gegenüber einem Benchmarkwert einer konventionellen Referenztechnologie. Konkret könnte es etwa um die eingesparten Emissionen von Wasserstoffstahl im Vergleich zu Stahl aus der konventionellen Hochofenroute gehen.
CCfDs könnten unsichere Unternehmen entlasten
Bei einem Vertragspreis über dem aktuellen CO2-Preisniveau bezuschusst der Staat das Projekt in den ersten Jahren. Steigt der CO2-Zertifikatepreis jedoch über den Vertragspreis hinaus, ist das Unternehmen verpflichtet, die Differenz an den Staat zurückzuzahlen.
Grundsätzlich sieht auch die Bundesregierung die Vorzüge solcher Differenzverträge. Im Handlungskonzept Stahl, das die Bundesregierung im vergangenen Jahr vorgestellt hatte, werden Differenzverträge als eine Handlungsoption genannt. In der 2020 beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie wird ein Pilotprogramm für Differenzverträge angekündigt. Das Problem ist jedoch, dass es bislang noch keine nutzbaren Modelle gibt.
Das bringt viele Unternehmen, die vor wichtigen Investitionsentscheidungen stehen, in Schwierigkeiten. Beispiel Thyssen-Krupp: „Seit mehr als zwei Jahren sagen wir sehr deutlich, dass wir verlässliche regulatorische und finanzielle Voraussetzungen brauchen, um Planungssicherheit für den notwendigen Umbau unserer Produktion zu schaffen“, heißt es bei dem Unternehmen.
CCfDs könnten Abhilfe schaffen. „Indem sie die Unsicherheit der Unternehmen in Bezug auf den CO2-Preispfad reduzieren, können sie die finanzielle Tragfähigkeit eines Transformationsprojekts erhöhen und so zu Investitionen in saubere Technologien führen“, heißt es in der Analyse.
Doch auch der Staat profitiert: CCfDs könnten „das Risiko für die Regierung begrenzen und sogar zu Einnahmen für den Staat führen, wenn die CO2-Preise hoch sind“, heißt es in der Analyse.
Im Vergleich zu einem CO2-Mindestpreis im Emissionshandel haben CCfD-Modelle aus Sicht der Unternehmen einen entscheidenden Vorteil: Während CO2-Mindestpreise im Emissionshandel auf einer politischen Entscheidung beruhen und auch wieder verändert werden können, bieten die CCfDs die Sicherheit vertraglicher Vereinbarungen. Das erleichtert den Unternehmen die Finanzierung.
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