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Interview Weltbank: Kohleausstieg würde China fast zehn Billionen Dollar kosten

Der Weltbank-Vize Axel van Trotsenburg fordert vor dem G20-Gipfel von den Industrienationen mehr Finanzhilfen für ärmere Länder. Zudem sei eine Anschlussregelung für das Schuldenmoratorium nötig.
28.10.2021 - 04:08 Uhr Kommentieren
Das Land hat bisher massiv auf Kohle gesetzt. Quelle: Getty Images
Kohleverbrennung in China

Das Land hat bisher massiv auf Kohle gesetzt.

(Foto: Getty Images)

Weltbank-Vize Axel van Trotsenburg ist ein Veteran seiner Organisation. Der 62-jährige Managing Director hat für die Weltbank bereits die Verhandlungen über eine Entschuldung der ärmsten Länder (HIPC-Initiative) in den 1990er-Jahren geleitet. Im Handelsblatt-Interview geht van Trotsenberg mit den reichen Industrienationen scharf ins Gericht: Sie müssten den ärmeren Ländern beim Kampf gegen die Klimawandel helfen, wenn die Welt die Pariser Klimaziele einhalten wolle.

Der Weltbank-Manager verweist dabei auf die enormen Kosten für einen Ausstieg aus der Kohle, die er allein in Asien auf bis zu 13 Billionen Dollar in den kommenden 20 Jahren schätzt. Van Trotzenberg warnt auch vor den Kollateralschäden des Klimawandels, der nach Prognose der Weltbank die politische Stabilität vieler Entwicklungsländer gefährdet und 100 Millionen Menschen zusätzlich in die Armut stürzen könnte.

Die Coronakrise hat nach Meinung des gelernten Ökonomen die globale wirtschaftliche Ungleichheit weiter verschärft. Um eine neue Schuldenkrise zu verhindern, müsse eine Anschlussregelung für das Schuldenmoratorium gefunden werden, das die G20-Staaten den ärmsten Ländern bislang gewährt haben.

Hier lesen Sie das vollständige Interview:

Herr van Trotsenburg, in Rom treffen sich am Wochenende die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20). Auch Sie werden dabei sein. Eine der wichtigsten Fragen in Rom und danach beim Klimagipfel in Glasgow ist, wie schnell wir aus der Kohleverstromung aussteigen können. Wer soll dabei vorangehen?
Etwa ein Fünftel der weltweiten CO2-Emissionen kommt von der Kohleverarbeitung. Das meiste davon aus Asien. Länder wie China, Indien oder Indonesien gewinnen fast 60 Prozent ihrer Elektrizität aus Kohle. Die Weltbank hat ausgerechnet, dass allein in Asien der Kohleausstieg zwischen neun und 13 Billionen Dollar kosten würde. Davon würden nahezu zehn Billionen auf China entfallen.

Und der Rest?
Selbst die übrigen drei Billionen Dollar würden über 20 Jahre hinweg 150 Milliarden Dollar pro Jahr kosten. Außerdem müsste man jeden Tag ein Kohlekraftwerk abschalten – und das 20 Jahre lang. Das passiert aber nicht. Im Gegenteil: Es ist geplant in den nächsten Jahren noch einmal 300 Kohlekraftwerke dazuzubauen.

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Auch hier in Deutschland zeigen viele auf China, um einen schnelleren Kohleausstieg abzubremsen. Zu Recht?
Mit dieser Argumentation kommt man nicht weiter. Alle Länder müssen Anstrengungen unternehmen, zumal die Entwicklungsländer darauf hinweisen, dass die Industrienationen im Zuge ihrer Industrialisierung massiv Kohle als Energiequelle genutzt haben.

Wie könnte ein globaler Kompromiss für den Kohleausstieg aussehen?
Zusammen mit den Regierungen müssen wir den Übergang so gestalten, dass alternative Energiequellen die Kohle ersetzen können. Dafür braucht es viel Geld, und insbesondere Entwicklungsländer sind dabei auf internationale Hilfe angewiesen.

Die reichen Länder haben den ärmeren eine Finanzhilfe von 100 Milliarden Dollar pro Jahr versprochen, um ihnen beim Kampf gegen den Klimawandel zu helfen. Die Summe wird in Glasgow vermutlich nicht erreicht. Woran liegt das?
Das fragen wir uns auch. Die Weltbank hat im vergangenen Jahr 26 Milliarden Dollar dafür zur Verfügung gestellt. Ein Viertel kommt von einer internationalen Organisation. Wo ist denn der Rest der Welt? Es muss kollektiv mehr gemacht werden, und man darf nicht immer auf die anderen schauen. Es wird zu viel versprochen und zu wenig geliefert.

Der Klimawandel verschärft auch andere Probleme: Armut, politische Konflikte, Migration. Was wissen wir über diese Zusammenhänge?
Es gibt immer mehr politisch und wirtschaftlich fragile Staaten. Die Weltbank hat ihre Hilfen für diese Länder um 40 Prozent von zehn auf 14 Milliarden Dollar erhöht – das meiste davon sind Zuschüsse. Der Klimawandel verschärft die Lage dort weiter. Nach unserer Schätzung können negative Klimaeffekte in den kommenden zehn Jahren weitere 100 Millionen Menschen in die Armut stürzen. Afrika ist besonders davon betroffen, obwohl der Kontinent nur etwa vier Prozent zu den Treibhausgasen beisteuert.

Menschen stehen Schlange, um im Kiswa Health Centre III in Kampala eine Dosis eines Corona-Impfstoffes zu erhalten. Quelle: dpa
Corona-Pandemie in Uganda

Menschen stehen Schlange, um im Kiswa Health Centre III in Kampala eine Dosis eines Corona-Impfstoffes zu erhalten.

(Foto: dpa)

Was steht noch auf ihrer „To-do-Liste“ für das G20-Treffen?
Die Corona-Pandemie ist nach wie vor nicht überwunden, und wir dürfen die Risiken nicht unterschätzen. Bei der Impfung gibt es immer noch eine eklatante Ungleichheit zwischen den ärmsten Ländern und den Industrienationen. In Afrika sind weniger als vier Prozent der Menschen voll geimpft. Dabei hat die Pandemie doch gezeigt, dass man sich nicht allein schützen kann. Die Weltbank wird ihren Teil beitragen und 20 Milliarden Dollar für den Ankauf und die Administration von Impfstoffen zur Verfügung stellen. Außerdem müssen wir in Rom über die Erholung der Weltwirtschaft sprechen, denn auch hier gibt es eine sehr ungleiche Entwicklung zwischen reichen und ärmeren Ländern. Die Volkswirtschaften in den Industrienationen wachsen im Durchschnitt um etwa fünf Prozent, in den ärmsten Ländern sind es gerade einmal 0,5 Prozent.

In Europa und den USA wird jetzt intensiv darüber diskutiert, mit einer dritten, sogenannten „Booster“-Impfung den Schutz gegen das Virus weiter zu verbessern. Macht das Sinn, oder sollten wir besser die Impfstoffe an ärmere Länder abgeben, um zu verhindern, dass dort neue Varianten des Virus entstehen, die wir dann hier mit Boostern bekämpfen müssen?
Viele Industrieländer verfügen über Impfstoffmengen, die ein Mehrfaches ihrer Bevölkerung ausmachen. Einen Teil dieser Bestände könnte man ärmeren Regionen wie Afrika überlassen. In diesem Jahr werden weltweit insgesamt zwölf Milliarden Impfdosen hergestellt, und 2022 werden es 25 Milliarden Dosen sein. Da muss man sich schon fragen, warum man nicht mehr Impfstoffe an ärmere Länder abgibt. Offenbar fehlt dafür der politische Wille.

Die Coronakrise hat nach Meinung des gelernten Ökonomen die globale wirtschaftliche Ungleichheit weiter verschärft. Quelle: PR
Axel van Trotsenburg

Die Coronakrise hat nach Meinung des gelernten Ökonomen die globale wirtschaftliche Ungleichheit weiter verschärft.

(Foto: PR)

Woran liegt das?
Für mich ist das Verhalten unverständlich, insbesondere weil es jetzt in den Industrienationen keinen Mangel an Impfstoffen mehr gibt.

Wie schaffen wir es, mehr Produktionskapazitäten von Impfstoffen in ärmeren Ländern aufzubauen – braucht es dazu auch eine Lockerung des Patentrechts?
Das ist ein langfristiger Prozess, der Jahre dauern kann. Dabei müssen alle Aspekte, inklusive des Patentschutzes und der Handelsbeschränkungen, auf den Tisch gelegt werden. Es darf keine Monopolpreise geben.

Ein weiteres Problem für viele ärmere Länder ist ihre enorme Verschuldung durch die Staatshilfen während der Pandemie und die Belastungen durch die hohen Energiepreise. Steuern wir auf eine neue Schuldenkrise zu?
Die Schuldenstruktur der ärmeren Länder hat sich in den vergangenen Jahren entscheidend verändert. Früher waren die Mitglieder des Pariser Clubs die Hauptgläubiger, also vor allem reiche OECD-Staaten. Heute sind Länder, die nicht zum Pariser Club gehören, die größten Kreditgeber. Das macht eine Umschuldung schwieriger. Hinzu kommen private Käufer von Staatsanleihen ärmerer Länder. Wir brauchen zunächst eine größere Transparenz, wer wem wie viel schuldet. Im Moment werden den ärmsten Schuldnern die Zins- und Tilgungszahlungen gestundet. Danach müssen wir über eine Umstrukturierung reden.

Muss die G20 ihr Schuldenmoratorium (DSSI) für ärmere Länder noch einmal verlängern?
Wir brauchen auf jeden Fall in den nächsten zwei Monaten eine Anschlussregelung. Für viele Länder ist es sehr schwierig, ihre Rückzahlungsverpflichtungen angesichts der Coronakrise und einer schwachen wirtschaftlichen Erholung zu erfüllen.

Herr van Trotsenburg, vielen Dank für das Interview.

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