Kampf gegen Greenwashing Umweltschützer starten Gütesiegel für Klimabemühungen von Großkonzernen

Der Windkraftproduzent unterstützt den ersten unabhängigen Prüfstandard für CO2-Ziele von Unternehmen.
Zürich An Klimaschützern gibt es keinen Mangel – zumindest auf dem Papier: Tausende börsennotierte Firmen weltweit haben sich zu mehr Klimaschutz verpflichtet. Doch welche Unternehmen meinen es ernst und haben sich verbindliche und überprüfbare Ziele gesetzt, die mit dem im Pariser Klimaschutzabkommen verankerten 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind? Diese Frage will ein Zusammenschluss mehrerer Umweltschutzorganisationen unter dem Namen „Science Based Targets initiative“ (SBTi) beantworten.
Die Initiative, der unter anderem das Carbon Disclosure Project (CDP), der Unternehmerpakt der Vereinten Nationen (UNGC) und die Naturschutzorganisation WWF angehören, hat am Donnerstag einen Netto-null-Standard ins Leben gerufen. Laut SBTi ist es der weltweit erste unabhängige Prüfstandard für die Klimaschutzbemühungen von börsennotierten Unternehmen. Die Initiative verspricht, wissenschaftliche Maßstäbe anzulegen, um zu überprüfen, ob die Firmen beim Thema Klimaschutz halten, was sie der Öffentlichkeit und ihren Aktionären versprechen.
Alberto Carrillo Pineda, Co-Gründer von CDP und einer der führenden Köpfe bei SBTi, sieht vor dem Start des Klimaschutzgipfels in Glasgow großen Bedarf für einen solchen unabhängigen Prüfstandard. „Bislang müssen wir den Unternehmen glauben, dass sie die Wahrheit sagen“, so Carrillo Pineda. Vielfach seien Firmen nicht transparent genug, oder es würden Ziele ausgelobt, ohne sie mit einem verbindlichen Zeithorizont zu verbinden. „Bei den CO2-Bilanzen wird viel getrickst“, kritisiert Carrillo Pineda weiter.
Die SBTi verspricht, dass Greenwashing beim ihrem Netto-null-Standard praktisch ausgeschlossen ist. Um das Gütesiegel zu erhalten, müssen die Unternehmen nicht nur konkrete kurz- und langfristige Ziele etwa zu CO2-Einsparungen vorlegen. Sie müssen ihre Versprechen auch mit Daten unterfüttern. Zu den ersten sieben Firmen, denen SBTi eine vorbildliche Klimastrategie bescheinigt, gehören der Impfstoffhersteller Astra-Zeneca, die US-Apothekenkette CVS Health, der Windkraftproduzent Orsted sowie der Schweizer Baustoffriese Holcim.
Mads Nipper, CEO von Orsted, sagt: „Wir brauchen mutige, aber glaubwürdige Netto-null-Emissionspläne von Unternehmen.“ Sein Unternehmen wolle den CO2-Ausstoß bis 2025 um 98 Prozent gegenüber dem Niveau von 2006 senken. Anderen Firmenchefs rät er, es ihm gleichzutun: „Wenn Sie als Unternehmenslenker ihren Worten Taten folgen lassen wollen, empfehle ich Ihnen, die Klimastrategie Ihres Unternehmens an den wissenschaftlichen Anforderungen auszurichten.“
Jan Jenisch, CEO von Holcim, ergänzt: „Der Bausektor spielt eine wesentliche Rolle, um den Übergang unserer Welt zu Netto-null-Emissionen zu beschleunigen.“ Daher habe sich auch Holcim verpflichtet, bis 2050 CO2-neutral zu wirtschaften. Holcim entwickelt etwa Zement und Beton mit einem stetig wachsenden Anteil von recyceltem Baumaterial, um so CO2 in der energieintensiven Produktion einzusparen.
Die Teilnahme am Zertifizierungsprozess von SBTi ist freiwillig. Doch Manager Carrillo Pineda hofft, dass der Druck von Investoren und Kunden auf immer mehr Unternehmen wächst. Wer einmal das Siegel hat, kann sich jedoch nicht darauf verlassen, dass er es auch behält. Die Initiative will die Einhaltung der Klimaschutzziele regelmäßig überprüfen – und im Zweifel Unternehmen das Gütesiegel entziehen. So wollen die Umweltschützer gewährleisten, dass die Firmen halten, was sie versprechen.
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