Klimaschutz-Investitionen Oxfam prangert hohe Gewinnausschüttung der Dax-Konzerne an

Die große Anzeige in der Börse in Frankfurt am Main
Berlin/Düsseldorf Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Oxfam hat die Dividendenpolitik von Konzernen aus dem Börsenindex Dax scharf kritisiert und ihnen mangelnde Investitionen in den Klimaschutz vorgeworfen. „Die Unternehmen könnten andere Prioritäten setzen, wenn sie wollten. Doch die Politik lässt es zu, dass sie sich aus der Verantwortung stehlen“, sagte Barbara Sennholz-Weinhard von Oxfam Deutschland.
Die NGO beruft sich bei ihrer Kritik auf eine Untersuchung der Gewinnausschüttungen der im früheren Dax 30 notierten Unternehmen zwischen 2009 und 2020. Demnach stiegen die Dividendenausschüttungen im genannten Zeitraum um 85 Prozent und damit etwa doppelt so stark wie die ausgewiesenen Gewinne. Zugleich investierten die Konzerne zu wenig, um bis 2050 klimaneutral zu werden. So belaufe sich die Investitionslücke bei den Unternehmen BMW, Daimler, Volkswagen und Lufthansa (damals noch im Dax 30) auf 13,8 Milliarden Euro, heißt es im Oxfam-Bericht.
BMW bekräftigte in einer ersten Reaktion, dass der Konzern „bis spätestens 2050 über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg klimaneutral arbeiten“ werde. Bereits bis 2030 werde die BMW Group die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus – von der Lieferkette über die Produktion bis zur Nutzungsphase – eines Fahrzeugs um 40 Prozent gegenüber 2019 senken. Für seine eigenen Werke und Standorte will der Konzern die CO2-Emissionen bis 2030 um 80 Prozent senken.
Auch Daimler verwies auf seine Anstrengungen für den Klimaschutz: „Unser Ziel ist es, Mercedes-Benz bis 2039 klimaneutral zu machen – mehr als ein Jahrzehnt vor dem Jahr 2050, das das Pariser Abkommen vorsieht“, sagte ein Konzernsprecher. Die von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagene Dividende berücksichtige „eine sorgfältige und umsichtige Abwägung der Interessen aller Stakeholder“ sowie die aktuelle Geschäftslage, die Liquidität und die Geschäftsaussichten. Daimler strebe seit Jahren grundsätzlich eine jährliche Dividendenzahlung von 40 Prozent des ausschüttungsfähigen Nettogewinns an. Dabei solle die Dividende vom Free Cashflow im Industriegeschäft gedeckt werden.
Investoren und Anteilseigner machen seit einigen Jahren Druck auf Unternehmen, mehr für den Klimaschutz zu tun. Große Pensionsfonds wie Calpers aus Kalifornien oder der weltgrößte Asset-Manager Blackrock drängen insbesondere Ölkonzerne zu einer grünen Energiewende. Unter dem Namen „ClimateAction100+“ haben sich weltweit mehr als 600 Investoren mit einem verwalteten Vermögen von über 60 Billionen Dollar zusammengeschlossen, um Unternehmen auf die Pariser Klimaziele zu verpflichten.
Der Druck vonseiten der Aktionäre hat jedoch bislang nicht dazu geführt, dass die Unternehmen ihre Dividendenpolitik dem Klimaschutz opfern. Im Gegenteil: Hohe Ausschüttungen gehen mit Klimaversprechen Hand in Hand. Der französische Energiekonzern Total ist dafür ein gutes Beispiel: Auf der Hauptversammlung im Mai befürwortete eine große Mehrheit der Anteilseigner einen Klimaplan, der das Unternehmen bis 2050 klimaneutral machen soll. Zugleich verkündete Konzernchef Patrick Pouyanné stolz, dass der grüne Kurswechsel keinen Einfluss auf die Ausschüttungen haben werde, die, so Pouyanné, seit fast 40 Jahren nicht gesunken seien.

Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock drängt Unternehmen, mehr für den Klimaschutz zu tun.
Hohe Ausschüttungen selbst im schwierigen Coronajahr
Das ist in Deutschland ähnlich. Gut die Hälfte der Dax-Konzerne hat in diesem Jahr eine höhere Dividende für das abgelaufene und schwierige Geschäftsjahr 2020 ausbezahlt. Mit vier Milliarden Euro überwies der Versicherer Allianz seinen Aktionären am meisten – gefolgt von BASF und Siemens mit jeweils rund drei Milliarden Euro. Die stärksten Anhebungen gab es bei Daimler mit einem Plus von 50 Prozent. SAP, die Deutsche Post und der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen hoben die Dividende um jeweils rund 15 Prozent an.
Insgesamt haben die bis zum September noch 30 Dax-Konzerne knapp 34 Milliarden Euro ausgeschüttet. Das war in etwa genauso viel wie im Jahr davor. Daraus errechnet sich auf Basis des gegenüber dem Vorjahr um fast die Hälfte eingebrochenen Gesamtnettogewinns von 43 Milliarden Euro eine Ausschüttungsquote von hohen 78 Prozent.
Mehr als drei Viertel des Gewinns flossen also an die Anleger ab. Allerdings sind der Nettogewinn und der Ertrag aus der Gewinn-und-Verlust-Rechnung nicht unbedingt ein geeigneter Maßstab, um zu beurteilen, ob sich ein Unternehmen Dividenden leisten kann. Wichtig sind darüber hinaus der freie Cashflow, Investitionsausgaben und Schulden.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr verzerrten milliardenschwere Abschreibungen den Gesamtgewinn empfindlich nach unten – und damit die Ausschüttungsquote nach oben. Der Umgang mit Dividenden nach dem schwierigen Corona-Geschäftsjahr 2020 belegt, dass sich Deutschlands börsennotierte Großkonzerne zunehmend den Mechanismen der Länder mit besserer und längerer Aktienkultur angleichen. Das bedeutet: möglichst stabile Dividenden in schlechten Jahren, so, wie es beispielsweise BASF vollzogen hat, und maßvolle Erhöhungen in guten Jahren. Auch deshalb war die Ausschüttungsquote für das schwierige Geschäftsjahr 2020 stark gestiegen.
Blickt man weiter als nur auf das Coronajahr 2020 zurück, dann schütteten die Dax-Konzerne in der Vergangenheit zwischen 30 und 60 Prozent ihres Nettogewinns an ihre Aktionäre aus. Ausnahmen waren die Krisenjahre 2008 und 2009, in denen deutlich mehr an die Anleger ging.
Dividenden bringen den Anlegern Traumrenditen
Im kommenden Frühjahr, wenn die große Mehrheit der Unternehmen ihre Dividenden an die Anteilseigner überweist, dürfte die in diesem Jahr stark gestiegene Ausschüttungsquote wieder drastisch sinken. Derzeit prognostizieren Analysten im Durchschnitt einen Gesamtnettogewinn von rund 105 Milliarden Euro für die Dax-Konzerne. Davon dürften zwischen 35 und 40 Milliarden Euro auf die Konten der Anleger fließen.
„Unternehmen schütten dank sich schnell erholender Gewinne und einer abnehmenden wirtschaftlichen Unsicherheit wieder mehr Dividenden aus“, prognostiziert Ulrich Stephan, der Chefanlagestratege der Deutschen Bank. Eine Abkehr von stetig steigenden Dividenden in guten Gewinnjahren ist trotz eines hohen Investitionsbedarfs nicht in Sicht. Dafür sind Dividenden viel zu wichtig, wenn es um langfristige Ertragszuwächse geht: Wer 1988 bei Einführung des Dax Anteile an allen Dax-Konzernen gekauft und bis heute behalten hat, fuhr damit einen Gewinn von rund 1500 Prozent ein. Nur gut ein Drittel, 570 Prozent, ergibt sich seitdem aus tatsächlichen Kurszuwächsen – der große Rest allein aus den jährlichen Dividenden. Darauf werden die meisten Aktionäre wohl auch in Zukunft nicht verzichten wollen.
Mehr: Die Gas-Illusion: Warum weniger Gaskraftwerke nicht mehr Klimaschutz bedeuten
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Oxfam kann Aktien der DAX-Konzerne kaufen und auf der Hauptversammlung gegen die Dividendenausschüttungen stimmen. Die ihre Altersversorgung auf Dividenden aufgebaut und gegen Inflation geschützt haben werden schnell Alternativen finden.