Klimaschutz Schiene statt Flügel: Lufthansa und Bahn bauen Kooperation bei Zubringer-Zügen aus

Die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und dem Frankfurter Flughafen gilt als Paradebeispiel für die Verlagerung von Luftverkehr auf die Schiene.
Frankfurt Lufthansa und die Deutsche Bahn wollen mehr Fluggäste dazu bewegen, künftig mit dem Zug zu ihrem Anschlussflug zu reisen statt mit dem Jet. Dazu bauen sie ihre bestehende Kooperation deutlich aus. „Wir schaffen Mehrwert für unsere Kunden und für die Umwelt“, sagte Harry Hohmeister, Konzernvorstand von Lufthansa, am Montag. DB-Personenverkehrsvorstand Berthold Huber ergänzte: „Wir wollen den Umstieg von Flug auf den Zug deutlich vereinfachen.“
Ab Dezember soll ein ICE Sprinter aus München über den Flughafen-Bahnhof in Frankfurt und weiter nach Düsseldorf fahren. Das soll schneller gehen als bisher, weil der zeitfressende Halt am Frankfurter Hauptbahnhof entfällt. Auch von Hamburg über Hannover soll es einen solchen Sprinter zum Frankfurter Fernbahnhof geben. In den Sprintern gibt es für Lufthansa-Kunden reservierte Abteile, buchbar sind die Tickets auch über Lufthansa.
Wirklich neu sind diese Ideen nicht. Man kann bereits mit dem Lufthansa-Ticket aus vielen Städten per ICE zum Frankfurter Flughafen reisen – „Express Rail“ genannt. Dieses Angebot wird aber nun ausgebaut. Zu den bisherigen 134 Zubringerzügen aus 17 deutschen Städten kommen fünf Städte hinzu: Hamburg, München, Berlin, Bremen und Münster.
Es bleibt abzuwarten, wie die Angebote bei den Kunden ankommen. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt: Die Idee Schiene statt Flügel hat einige Hürden. Immer wieder gibt es zum Beispiel Probleme, wenn der Zug deutlich verspätet ist. Bei den eigenen Zubringerflügen weiß Lufthansa, wie viele Passagiere in dem Jet noch welche Anschlussflüge erreichen müssen. Bei der Bahn ist das schwieriger.
Zwar versprechen Lufthansa und Deutsche Bahn eine „Anschlussgarantie“ für Kunden, die mit dem Zug anreisen. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass es beim Informationsaustausch zwischen Bahn und Lufthansa immer wieder klemmt. Beide Unternehmen müssen sich also noch enger vernetzen – auch auf der IT-Seite.

Der BER ist erst kürzlich in Betrieb genommen worden, dennoch ist er bisher nicht an das Fernverkehrsnetz der Bahn angeschlossen.
Ein weiteres Problem ist der Gepäcktransport. Bei einem Zubringerflug gibt der Passagier das Gepäck einmal auf, es wird am Flughafen Frankfurt automatisch in das Langstreckenflugzeug umgeladen. Beim Angebot Express Rail muss der Kunde sein Gepäck dagegen selbst aus dem Zug wuchten und zur Gepäckausgabe transportieren.
Das soll künftig besser werden – zumindest etwas. Man werde moderne ICEs mit großen Gepäckfächern einsetzen, so Bahn-Vorstand Huber: „Sobald der Luftverkehr nach der Pandemie wieder zunehmend wird, bekommen diese Kunden Zugang zu den ‚Fast Lanes‘ und werden bei der Gepäckaufgabe bevorzugt behandelt.“ Und natürlich denke man weiter darüber nach, wie das Gepäckhandling noch einfacher werden könne.
Ein anderes Problem lässt sich dagegen nicht so schnell lösen: Viele Flughäfen haben gar keinen Anschluss an den Fernverkehr der Bahn. Das gilt zum Beispiel für München, das zweitgrößte deutsche Drehkreuz. „Auch in München sind Investitionen nötig, um unseren Hub in München besser anzuschließen“, sagte Hohmeister.
Der Druck, bei diesem Thema voranzukommen, ist groß. Zwar hat die Pandemie das Geschäft sowohl der Bahn als auch von Lufthansa durcheinandergewirbelt. Doch klar ist: Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz bleiben ganz oben auf der Tagesordnung.
Lufthansa rüstet sich mit der erweiterten Bahn-Partnerschaft auch für eine mögliche Regierungsbeteiligung der Grünen. Die fordern, Kurzstreckenflüge, soweit es möglich ist, überflüssig zu machen.
Inlandsflüge: Politik verweist auf das Beispiel Frankreich
Politiker verweisen dabei etwa auf das Beispiel Frankreich. Dort hat die Regierung mit einem Gesetz zum Klimaschutz Flüge untersagt, sofern es sich nicht überwiegend um Zubringerdienste für Langstreckenverbindungen handelt und es eine Alternative mit dem Zug gibt, die nicht länger als zweieinhalb Stunden dauert.
Einige Ziele seien in Frankfurt bereits weggefallen, weitere würden wegfallen oder reduziert werden, sagte Lufthansa-Vorstand Hohmeister: „Es wird weniger Flugaufkommen geben, weniger Frequenzen.“
Es ist jedoch schwer, ein Modell wie in Frankreich auf Deutschland zu übertragen. Die französischen Vorgaben würden bei Lufthansa nur eine einzige Strecke treffen, rechnete Konzernchef Carsten Spohr in der vergangenen Woche bei der Bilanzpräsentation vor: die von Düsseldorf nach Stuttgart.
Tatsächlich ist der Anteil der Umsteiger auf den meisten Inlandsflügen der „Hansa“ sehr groß. Bis zur Pandemie lag er etwa auf der Strecke von Nürnberg nach München bei 97 Prozent, von Hannover nach Frankfurt bei 88 Prozent oder von Nürnberg nach Frankfurt bei 96 Prozent.
In der Luftfahrtbranche wird geschätzt, dass maximal 20 Prozent der Fluggäste zu einem Umstieg auf die Schiene bewegt werden können. Das wird durch Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) untermauert. Danach nutzten 2019 – im letzten Vorkrisenjahr – knapp 248 Millionen Fluggäste die deutschen Flughäfen. Nur 46,2 Millionen Passagiere kamen aber von einem deutschen Ziel oder flogen dorthin. Der mit Abstand größte Teil der Kunden flog zu einem europäischen oder interkontinentalen Ziel.
Dabei würde Lufthansa die Zahl der Inlandsflüge gern reduzieren. Viele davon sind verlustträchtig, rechnen sich allenfalls in Verbindung mit den Anschlussflügen. Gleichzeitig werden sie angeboten, um zu verhindern, dass der Gast mit der Konkurrenz etwa direkt nach Dubai und von dort etwa in die USA fliegt.
Doch eine Reduzierung des Inlandsflugverkehrs ist ein Balanceakt. Die deutsche Wirtschaft ist dezentral und breit im Land verteilt. In Friedrichshafen am Bodensee sind zum Beispiel mit ZF und MTU zwei große Unternehmen angesiedelt, deren Mitarbeiter bis zur Pandemie regelmäßig Flüge vom Bodensee-Airport zum Drehkreuz Frankfurt nutzten.
Zwar dürften diese Firmen auch nach der Pandemie einige dieser Dienstreisen durch Videokonferenzen ersetzen. Dennoch hat etwa ZF schon vor einigen Monaten darauf hingewiesen, wie wichtig eine gute Anbindung an den Frankfurter Flughafen bleibt: „Da Frankfurt als größter deutscher Verkehrsflughafen vielfältige und vor allem internationale Anschlussflüge bietet, ist auch die Verbindung Friedrichshafen–Frankfurt für unsere Geschäftsreisen ein wichtiger Baustein.“ Auch weil der Zug hier zum Beispiel keine Alternative ist.
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Den Flughafen München endlich an den ICE anschließen. Das wäre mal eine sinnvolle Maßnahme.