Serie Klimapioniere Doppelter Umsatz, null Emissionen: Wie Hempel nachhaltig wachsen will

Der dänische Lack- und Beschichtungshersteller will bis 2025 in der eigenen Produktion klimaneutral werden.
Foto: Hempel
Düsseldorf Wenn Lars Petersson, Vorstandschef des dänischen Lack- und Beschichtungsherstellers Hempel, über Nachhaltigkeit spricht, dann meint er damit ganz viele Dinge auf einmal. Denn der Begriff, so Petersson, sei vielschichtiger, als er oft verwendet werde. „Nachhaltigkeit hat bei uns vier Dimensionen“, sagt der Manager im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Es geht um nachhaltige Produkte, aber auch nachhaltige Performance, Partnerschaften und Beziehungen zu unseren Mitarbeitern.“
Seinem Unternehmen hat Petersson deshalb ein ambitioniertes Ziel verordnet. Bis 2025, so sieht es die Mittelfriststrategie des Konzerns vor, will Hempel seinen Umsatz verdoppeln – und gleichzeitig in der eigenen Produktion klimaneutral werden. Im abgelaufenen Jahr erwirtschaftete der Konzern, der Lacke und Farben etwa für die Marineindustrie und den Infrastrukturbau, aber auch den Heimbedarf herstellt, einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro.
Mit seinem Reduktionsziel kommt Hempel dem Ziel der Europäischen Union (EU), die Wirtschaft bis 2045 zu dekarbonisieren, um zwei Jahrzehnte zuvor. Allerdings scheint der Weg dorthin nicht weit. Denn schon jetzt stößt das Unternehmen pro 1000 Liter produzierter Farbe nur etwa 0,02 Tonnen CO2 in der eigenen Produktion aus (Scope 1). Bezieht man die Emissionen aus der Energieversorgung mit ein, steigt der Wert auf rund 0,1 Tonnen pro 1000 Liter (Scope 2).
Das ist wenig etwa im Vergleich zur Stahlindustrie, wo die Produktion von einer Tonne Stahl derzeit noch Emissionen von etwa 1,5 bis zwei Tonnen CO2 verursacht. Doch für Hempel-Chef Petersson ist die Senkung der eigenen Emissionen nur der Anfang. „Weil unser eigener CO2-Ausstoß wegen unseres Geschäftsmodells ohnehin sehr niedrig ist, müssen wir in Zukunft verstärkt mit unseren Lieferanten und Kunden zusammenarbeiten, um dort den CO2-Fußabdruck zu senken“, so der Manager.
Schnittstellenfunktion in der Lieferkette
Hempel steht in der Wertschöpfungskette an der Schnittstelle zwischen großen CO2-Verbrauchern: Einerseits sind das die großen Chemiehersteller, die das Unternehmen mit Vormaterialien beliefern, die energieintensiv und damit CO2-belastet hergestellt werden. Hier entsteht ein Großteil der sogenannten Scope-3-Emissionen: also jenes CO2, das nicht bei Hempel selbst, sondern in vor- und nachgelagerten Teilen der Wertschöpfungskette anfällt.
Hier arbeitet der Konzern mit seinen Lieferanten zusammen, um die Belastung für das Klima zu senken. „Derzeit gibt es noch keine technologische Lösung, mit der unsere Lieferanten beispielsweise Lösungsmittel klimaneutral produzieren können“, erklärt Petersson. Wo möglich, setzt das Unternehmen daher auf alternative Vorprodukte. Ein Beispiel dafür liefert der 2018 zugekaufte Wandfarbenproduzent J. W. Ostendorf, der seinen Umsatz mit lösungsmittelfreien Farben in den vergangenen Jahren um rund 85 Prozent gesteigert hat.
Andererseits beliefert Hempel aber auch Abnehmer wie die Schiffsindustrie, die wegen ihres Geschäftsmodells selbst viel CO2 ausstößt. Hier versucht der Konzern über seine Produkte den globalen CO2-Ausstoß zu senken. So soll etwa eine besonders schmutzabweisende Beschichtung für Schiffsrümpfe dabei helfen, den Wasserwiderstand bei der Fahrt zu verringern. Nach Angaben des Unternehmens sind seit dem Produktstart 2013 in der Schifffahrt rund 23,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden – das entspricht dem Ausstoß von rund 1,2 Millionen Pkw in einem Jahr.
„Wir versuchen zu verstehen, wo die Herausforderungen unserer Kunden beim Thema Nachhaltigkeit liegen, und entwickeln dann in Zusammenarbeit mit ihnen entsprechende Lösungen“, so Petersson. Auch dafür hat der Konzern eine Zielmarke definiert. So will Hempel bei seinen Kunden bis 2025 insgesamt 30 Millionen Tonnen CO2 einsparen – und so im Prinzip klimapositiv werden. Im kommenden Jahr will das Unternehmen zudem einen Plan für den Wechsel zur Kreislaufwirtschaft formulieren, um das Abfallaufkommen entlang der Lieferkette zu reduzieren.
Ausgezeichnet von Kunden
Aus Sicht von Experten verfolgt Hempel damit eine durchaus gängige Klimastrategie. „Viele Unternehmen versuchen entsprechend, die Klimaschutzwirkung ihrer Produkte auf der Anwenderseite mit den in der Produktion entstehenden Emissionen gegenzurechnen“, sagt etwa Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Allerdings sei dabei stets zu berücksichtigen, dass das noch nichts darüber aussage, wie gut oder schlecht die Produktion selbst ist, „und ob hier nicht viel ungenutztes Einsparpotenzial schlummert“.
Hempel-Chef Petersson will bei der CO2-Reduktion in seinem Konzern so konsequent wie möglich vorgehen – und dabei, soweit es geht, auf Kompensationsmaßnahmen wie etwa Aufforstungsprojekte oder Ähnliches verzichten. „Es gibt allerdings auch sehr kleine Teile in unserer Wertschöpfungskette, wo das kurzfristig nicht möglich sein wird“, so der Manager. Diese Emissionen werde das Unternehmen zunächst ausgleichen müssen – auch wenn das nur die zweitbeste Lösung sei.
Wie wiederum die Zusammenarbeit mit den Kunden konkret dabei helfen kann, CO2 einzusparen, zeigt etwa die Kooperation des Lackproduzenten mit dem weltgrößten Windturbinenhersteller Vestas. Dank Prozessoptimierungen von Hempel kann Vestas bei der Oberflächenbearbeitung im US-Werk in Colorado künftig rund 60 Prozent seiner CO2-Emissionen einsparen. Insgesamt beträgt die Reduktion bis zu 1100 Tonnen CO2 pro Jahr – während digitales Monitoring gleichzeitig die Kosten senken soll.
Im vergangenen Jahr hat Vestas seinen Lieferanten daher mit einem internen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. „Wir sind beeindruckt von Hempels Hingabe, immer nachhaltigere Lösungen zu entwickeln, und von der langfristigen Zielsetzung, den Wandel in der eigenen Branche zu treiben“, lobte Lisa Ekstrand, Nachhaltigkeitschefin bei Vestas. Es sei Vestas ein Anliegen, die Lieferanten dabei zu unterstützen, immer nachhaltiger zu werden.
Nachhaltigkeit wird auch bei M&A wichtiger
Neben solchen relativ neuen Geschäftsfeldern, die für Hempel auch gerade erst durch die Dekarbonisierung entstehen, sollen auch Zukäufe bis 2025 zur Hälfte zur geplanten Umsatzverdopplung beitragen. Auch hier verfolgt Vorstandschef Petersson eine klare Strategie: „Wir schauen bei Akquisitionen genau auf die Nachhaltigkeitskennzahlen, um unsere Mittelfristziele einzuhalten.“ Müssen beim Thema Nachhaltigkeit etwaige Unterschiede ausgeglichen werden, fließe das in die Berechnung ein. „Ist der Aufwand zu groß, lassen wir es sein.“
Auch das organische Wachstum muss sich bei Hempel dem Nachhaltigkeitsprimat unterordnen. So strebe der Konzern in seinen weltweit 24 Werken ein einheitliches Nachhaltigkeitsniveau an – und nimmt dabei teilweise auch in Kauf, Marktanteile in weniger weit entwickelten Ländern zu verlieren, in denen der Preiskampf besonders hart ist. „Langfristig rechnen wir allerdings damit, dass sich die Regulierung weltweit angleichen wird“, prognostiziert Petersson. „Wenn es dann so weit ist, haben wir gegenüber der dortigen Konkurrenz einen Vorsprung.“
Serie – Klimapioniere der Wirtschaft: Es gibt kaum einen Tag, an dem nicht ein neues Unternehmen auf der Welt seine frisch gesetzten Klimaziele und Ambitionen für die Energiewende erklärt. Dabei gibt es einige, die dem Trend der „Green Economy“ schon lange vorausgehen und seit vielen Jahren beweisen, dass Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch sein müssen. In unserer Serie stellen wir ein paar dieser „Klimapioniere“ vor.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.