Weltklimakonferenz COP26 Finanzbranche verspricht, bis zu 130 Billionen Dollar klimaneutral einzusetzen

Der ehemalige Notenbankchef mobilisiert nun die Finanzbranche für den Klimaschutz.
London Die Deutsche Bank und der Klimaschutz – das war zuletzt ein heikles Thema für Vorstandschef Christian Sewing. Der Fondstochter DWS wird bei der Vermarktung ihrer ESG-Fonds Greenwashing vorgeworfen, die Finanzaufsichten in Deutschland und den USA prüfen die Firma wegen möglicher Anlegertäuschung.
Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow warb der Deutsche-Bank-Chef jedoch unbeirrt für seine grüne Agenda. „Wir müssen die Nachhaltigkeit ins Zentrum von allem stellen, was wir tun“, sagte Sewing bei einem Event am Rande der Konferenz. Man arbeite daran, die Deutsche Bank zu einem Musterbeispiel zu machen, „um Glaubwürdigkeit in der öffentlichen Diskussion zu haben“.
Den Banken komme eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel zu, sagte Sewing. Denn Infrastruktur und Energieprojekte erforderten große Anfangsinvestitionen. Bankkredite und öffentliche Subventionen reichten angesichts des gewaltigen Finanzierungsbedarfs allerdings nicht aus. Deshalb seien die Kapitalmärkte entscheidend für den Erfolg des grünen Umbaus.
Nach den Appellen der Regierungschefs an den ersten beiden Tagen der Klimakonferenz rückte am Mittwoch die Finanzbranche in den Mittelpunkt. Zum „Finance Day“ waren die Chefs von Banken, Vermögensverwaltern und Versicherern aus London, New York, Frankfurt und anderen Finanzzentren angereist, um ihren Beitrag zum Klimaschutz zu präsentieren.
Die wichtigste Ankündigung kam von der „Glasgow Financial Alliance for Net Zero“ (GFANZ). 450 der größten Finanzfirmen der Welt bekannten sich dazu, insgesamt 130 Billionen Dollar ihres verwalteten Kapitals zunehmend klimaneutral einzusetzen. Die beteiligten Banken und Vermögensverwalter verwalten 40 Prozent des globalen Finanzvermögens.
Schrittweise bis 2050 umschichten
Bis 2050 soll dieses Kapital schrittweise umgeschichtet werden – aus dreckigen Industrien wie Öl, Gas und Kohle hin zu erneuerbaren Energien, energieeffizienten Häusern, E-Mobilität und anderen klimafreundlichen Aktivitäten.
Noch vor wenigen Jahren hätten die meisten Vertreter der Finanzindustrie gedacht, das Klima sei ein Problem für andere, sagte Mark Carney, der Uno-Sonderbeauftragte für Klimaschutz und Finanzen. Jetzt hätten sich die größten Firmen auf „rigorose“ Ziele und Kontrollen eingelassen, um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.
Carney, der ehemalige britische Notenbankchef, hatte im April das GFANZ-Bündnis ins Leben gerufen und Klimazusagen von den Finanzfirmen eingesammelt. Nun zeigte er sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Das Geld ist da, wenn die Welt es will.“
London soll erster klimaneutraler Finanzplatz werden
Der britische Finanzminister Rishi Sunak wollte da nicht zurückstehen und bekräftigte in seiner Eröffnungsrede, dass er London zum ersten „Net-Zero-Finanzplatz“ der Welt machen wolle. Ab 2023 sollen alle an der Londoner Börse gelisteten Firmen eine Net-Zero-Strategie haben. Diese muss darlegen, wie die Firma bis 2050 klimaneutral werden will und welche konkreten Schritte sie dazu unternimmt. Um Greenwashing zu verhindern, soll eine Arbeitsgruppe aus Wirtschaftsvertretern, Experten und Aufsehern einheitliche Standards entwickeln.
Klimaschützer bemängeln jedoch, dass zwischen der Rhetorik und dem Handeln der Finanzbranche eine gewaltige Kluft besteht. Seit Jahren protestieren Aktivisten auf jeder Bank-Hauptversammlung gegen die Finanzierung fossiler Brennstoffe – in der Regel vergeblich.
Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 haben die Banken laut dem Finanzdienst Bloomberg weltweit vier Billionen Dollar an Kapital für fossile Brennstoffe organisiert. Allein in diesem Jahr waren es 460 Milliarden Dollar an Anleihen und Krediten für Öl, Gas und Kohle.
Versprechen ist mit Vorsicht zu genießen
Laut einer Studie des Thinktanks New Financial wird immer noch zehnmal so viel in schmutzige Industrien investiert wie in solche, die den Klimaschutz zum Ziel haben. Auch hat nur ein Drittel der Firmen weltweit eine Net-Zero-Strategie. In Europa ist es immerhin schon die Hälfte.
Vor diesem Hintergrund ist das Versprechen der 130 Billionen Dollar mit Vorsicht zu genießen. Aktuell ist ein Großteil dieses Kapitals in klimaschädliche Aktivitäten investiert. Und es sind Zweifel angebracht, wie schnell das Geld umgeschichtet wird. Denn es gibt keine verbindlichen Vorgaben, nur freiwillige Selbstverpflichtungen. Ein entscheidender Faktor dabei dürfte die Nachfrage der Anleger nach ESG-Produkten sein.
Eine weitere zentrale Frage ist die Definition dessen, welche Investition als nachhaltig gilt und welche nicht. Solange Firmen selbst die Kriterien festlegen dürfen, steht die Glaubwürdigkeit der Branche infrage.
Weltweit gültige Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen soll nun das International Sustainability Standard Board (ISSB) erarbeiten. Die Führung des neuen Gremiums wird in Frankfurt angesiedelt, wie die International Financial Reporting Standards Foundation am Mittwoch verkündete.
Mehr: Erfolg für Frankfurt im Wettbewerb um das Geschäft mit der Nachhaltigkeit.
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