Reisekonzern Der Tui-Konzern verliert das komplette Eigenkapital

Der Reiseveranstalter reduzierte die angebotene Kapazität in den Sommermonaten auf 60 Prozent des Vorkrisenprogramms von 2019.
Düsseldorf Der durch die Coronakrise angeschlagene Reisekonzern Tui verliert mitten in der üblicherweise ertragreichen Sommersaison sein komplettes Eigenkapital. Das geht aus den Zahlen zum dritten Quartal hervor, die das Hannoveraner Unternehmen am Donnerstag vorgelegt hat. Danach weist der Tui-Konzern ein negatives Eigenkapital von 525 Millionen Euro aus – nach einem noch positiven Eigenkapital von 193 Millionen Euro drei Monate zuvor.
Grund ist ein Quartalsverlust von 940 Millionen Euro, nach 1,5 Milliarden Euro im entsprechenden Quartal des Vorjahres. „Wir erwarten eine Erholung des Geschäfts, die Buchungen nehmen zu, und im vierten Quartal steigen die Umsätze“, sagte dazu ein Sprecher auf Anfrage. Damit werde sich das Eigenkapital wieder verbessern. Zudem sei die – nicht veröffentlichte – Bilanz der Tui AG, die maßgeblich sei für die Beurteilung der Solvenz, „deutlich positiv“.
Und aus Hannover gibt es eine weitere gute Nachricht: Erstmals seit dem Beginn der Pandemie erzielte Tui wieder einen positiven Cashflow vor Finanzierungstätigkeit. So flossen im Sommerquartal rund 320 Millionen Euro in die Kassen, 87 Millionen davon durch Verkäufe von Unternehmensteilen. „Das Geschäft kommt zurück, und die Transformation der Tui zeigt deutlich Wirkung“, sagte Vorstandschef Fritz Joussen.
Weil es weiterhin zu Reisebeschränkungen in einigen Märkten wie Großbritannien kam und nicht alle Ziele wieder aufgenommen werden konnten, blieb der Quartalsumsatz mit 650 Millionen Euro unter den Erwartungen. Analysten hatten im Schnitt mit 1,69 Milliarden Euro gerechnet. Während dort ein Quartalsverlust pro Aktie von 0,45 Euro prognostiziert worden war, meldete Tui nun ein Minus von 0,85 Euro. Die Aktie legte im frühen Handel an der Londoner Börse dennoch um 3,4 Prozent zu.
Die Kapazität für die Kernmonate des Sommerprogramms 2021 hat Tui auf 60 Prozent des Programms vom Sommer 2019 reduziert, die Buchungen für die Sommermonate liegen laut Quartalsbericht allerdings 68 Prozent unter dem Stand von vor zwei Jahren.
Erleichterung gab es zumindest bei den Durchschnittspreisen. Weil Urlauber höhere Kategorien buchten, stiegen sie um neun Prozent. Gebucht wurde vorwiegend online. Im dritten Geschäftsquartal seien global 52 Prozent der Reisen über das Internet verkauft worden, in Deutschland stieg die Quote auf 39 Prozent. Hierzulande hatten sich Reisebüros über die teils mangelhafte Betreuung durch die Tui-Zentrale beschwert, wobei der Vertriebschef von Tui Deutschland inzwischen Besserung gelobte.
Balearen und griechische Inseln sind beliebteste Reiseziele
Der Reisekonzern setzt seit Längerem auf die Digitalisierung. Mit mehreren ausgefeilten Apps begleitet Tui seine Gäste durch den Urlaub – und auch durch die Corona-Pandemie, indem wichtige Informationen automatisch aufs Smartphone gesendet werden. Die Anzahl der App-Nutzer sei auf eine Quote von 70 Prozent gestiegen, berichtete Joussen, und damit um 21 Prozentpunkte.
Neben den Balearen mit Mallorca gehörten die griechischen Inseln, insbesondere Kreta und Rhodos, zu den am häufigsten gebuchten Reisezielen. Zwischen April und Juni 2021 waren 283 der 345 Tui-eigenen Hotels geöffnet, acht der 15 Kreuzfahrtschiffe des Konzerns waren mit Gästen unterwegs.
Die bis 2023 jährlich angepeilten Einsparungen von 400 Millionen Euro werde man in diesem Geschäftsjahr schon zur Hälfte erreichen, kündigte Joussen an. „Wir sind hier auf einem guten Pfad“, sagte er. Laut Quartalsbericht sind von den 8000 angekündigten Stellenstreichungen bereits 7000 erfolgt.
Im laufenden Geschäftsjahr schloss Tui zudem mehrere Refinanzierungsmaßnahmen ab. Eine zuvor platzierte Wandelanleihe wurde um 190 Millionen Euro aufgestockt, im Mai kündigte der Konzern den Verkauf eines Immobilienportfolios von 21 Objekten an.
Sie bleiben Teil des Tui-Hotelportfolios, werden weiterhin gemeinsam von Tui und Riu betrieben und tragen wie gehabt zu den Umsätzen in der Hotelsparte des Konzerns bei. In einer ersten Kaufpreiszahlung hat der Konzern 541 Millionen Euro erhalten, weitere 130 Millionen Euro können bis 2023 hinzukommen.
Joussen will Staatskredite schnell zurückzahlen
Zudem hat Tui Ende Juli mit 19 internationalen Banken und der staatseigenen KfW vereinbart, die Laufzeit der revolvierenden Kreditfazilitäten in Höhe von insgesamt 4,7 Milliarden Euro bis Sommer 2024 zu verlängern. Der Konzern hat damit angesichts anhaltender Corona-Einschränkungen mehr Zeit und Flexibilität bei der Umsetzung der geplanten Refinanzierungsschritte. Eine Dividende ist jedoch bis zur Tilgung der Staatshilfen ausgeschlossen.
Das Ziel bleibe weiterhin die schnelle Rückführung der staatlichen Kredite, erklärte Joussen. Zum 9. August hatte Tui nach eigenen Angaben finanzielle Mittel in Höhe von 3,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Allerdings summierte sich die Nettofinanzverschuldung – einschließlich Leasingverbindlichkeiten – auf 6,35 Milliarden Euro.
Für das gesamte Geschäftsjahr, das im September endet, erwarten 16 Analysten im Schnitt einen Verlust je Aktie von 1,52 Euro. 2020 hatte Tui je Anteilschein noch 3,43 Euro verloren. Gleichzeitig rechnen die Analysten zum Geschäftsjahresende im Schnitt mit einem Umsatz von 7,8 Milliarden Euro, nach 7,94 Milliarden Euro im Vorjahr.
Mehr: Touristik-Aktien im Check: Sechs Zukunftswetten und ein Geheimtipp
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.