Schuhhersteller Birkenstock steht vor einer Vertriebsoffensive: 100 Millionen Euro für neue Werke

Der Sandalenhersteller will seine Produktionskapazitäten von 30 auf 40 Millionen Paar Schuhe pro Jahr steigern.
Als die französisch-amerikanische Beteiligungsgesellschaft L Catterton vor drei Monaten die Mehrheit am Sandalenhersteller Birkenstock übernahm, lieferte CEO Oliver Reichert die strategische Begründung für den Einstieg des neuen Investors: „Die Strategie von L Catterton zielt darauf ab, Konsumgüterhersteller auf einen beschleunigten Wachstumskurs zu bringen, und das bevorzugt in den auch für Birkenstock so wichtigen asiatischen Märkten wie China, Japan, Singapur, Korea und Indien.“
Anders ausgedrückt: Birkenstock steht ganz offenbar mit dem neuen Eigentümer, der zum Einflussbereich des weltgrößten Luxusgüterkonzerns LVMH gehört, vor einer umfassenden Vertriebsoffensive und muss dafür dringend die Produktionskapazitäten von derzeit knapp 30 Millionen Paar pro Jahr auf deutlich über 40 Millionen erhöhen.
Dazu will das fast 250 Jahre alte Unternehmen aus Linz am Rhein nun 100 Millionen Euro investieren. Ziemlich exakt die Hälfe der Summe soll in die Modernisierung der mit 1900 Mitarbeitern aktuell größten Birkenstock-Fabrik im ostsächsischen Görlitz fließen, wo künftig nahezu ausschließlich die besonders stark nachgefragten Kork-Latex-Sandalen hergestellt werden sollen.
Um am Standort in Görlitz Platz für neues Personal und Maschinen zu schaffen, wird die Fertigung von Kunststoffsandalen in eine neue Fabrik ausgelagert, weshalb weitere 50 Millionen Euro in den Bau eines ganz neuen Werks fließen werden.
Birkenstock-Chef Reichert will den neuen Standort mit zunächst 400, mittelfristig 1000 Arbeitsplätzen „zum Kompetenzzentrum für sogenannte einspritzbasierte Technologien“ entwickeln.
Lob für Investition, Kritik an Leiharbeiterquote
Weil es im Zuge dieser Maßnahmen in der Kunststoffsandalenproduktion auch Arbeitsplatzverlagerungen an den neuen Standort geben wird, war neben Lob für die Investments vereinzelt Kritik aus der Belegschaft zu hören, etwa auch an der „viel zu hohen Leiharbeitsquote in Görlitz“, wie es bei der IG Metall heißt.
Gleichwohl will Uwe Garbe, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Ostsachsen, die Kritik nicht überbewerten. „Die bestehende Unruhe in der Belegschaft kann ich gut nachvollziehen, da in der Vergangenheit die Kommunikation der Geschäftsleitung mit der Belegschaft nicht immer glücklich und umfassend war – insbesondere beim Einstieg des neuen Investors“, sagt Gewerkschafter Garbe.
Und weiter: „Grundsätzlich begrüßen wir den Aufbau von Beschäftigungs- und Produktionskapazitäten bei Birkenstock. Aus unserer Sicht war eine solche Entscheidung längst überfällig, da die Arbeitsbedingungen für viele Beschäftigte wegen der stark gestiegenen Produktionsmengen und den nicht mitgewachsenen Produktions- und Logistikflächen stark verbesserungswürdig sind.“
Wo genau die neue Fabrik entstehen wird, will Birkenstock im September, spätestens im Oktober entscheiden. Das Unternehmen prüft aktuell noch drei bis vier infrage kommende Standorte, darunter sind Kommunen in den neuen Bundesländern, aber auch im nördlichen Bayern.
Birkenstock-Chef Reichert sagt: „Die Investitionen sind ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland, wonach Birkenstock auch weiterhin nur ,Made in Germany‘ produzieren wird.“ Der Produktionsstart ist im ersten Halbjahr 2023 vorgesehen.
Neben der Schaffung zusätzlicher Produktionskapazitäten sollen auch Wertschöpfung und Nachhaltigkeit innerhalb des Standortverbundes weiter optimiert werden. Dazu hat Birkenstock für die neu geschaffene Funktion des Chief Technical Operations Officer, der direkt an CEO Reichert berichtet, Mark Jensen verpflichtet.
Der Däne gilt in der Branche als veritabler Produktionsexperte und ist vom dänischen Konkurrenten Ecco gekommen, der zu den weltgrößten Schuhhandelsunternehmen gehört.
Ein Unternehmen mit fast 250-jähriger Tradition
Die Marke Birkenstock gibt es seit 1774, entsprechend steht in drei Jahren das 250-jährige Jubiläum im Kalender. Mit 5500 Mitarbeitern erreicht die Gruppe in über 100 Ländern insgesamt einen Umsatz von knapp einer Milliarde Euro. Der Nettogewinn dürfte zuletzt bei über 150 Millionen Euro gelegen haben.
Das Unternehmen unterhält 16 Standorte, davon vier für die Produktion, allesamt in Deutschland. Neben Sandalen und Schuhen stellt Birkenstock seit vier Jahren auch Betten und Kosmetikprodukte her und bezeichnet sich seither selbst als „globale Lifestyle-Marke“.
Die Firma gehörte in sechster Generation den Brüdern Alexander und Christian Birkenstock, ehe die Beteiligungsgesellschaft L Catterton und die Familienholding von LVMH-CEO Bernard Arnault, Financière Agache, im Frühjahr die Mehrheit übernahmen.
Die Unternehmensbewertung dürfte bei rund vier Milliarden Euro gelegen haben. Die beiden Brüder Birkenstock blieben als Minderheitsgesellschafter investiert.
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