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Gender Pay Gap Kaum Fortschritte bei der Diversität seit 2015: Männer dominieren Banken

Die Finanzbranche braucht mehr weibliche Führungskräfte. Doch neue Zahlen zeigen: Frauen haben es beim Aufstieg weiterhin schwer – und verdienen deutlich weniger.
12.02.2020 - 04:05 Uhr 1 Kommentar
„Wieder nur Jungs hier?“, fragen inzwischen sogar Kunden. Quelle: MSUnger
Frankfurter Bankenviertel

„Wieder nur Jungs hier?“, fragen inzwischen sogar Kunden.

(Foto: MSUnger)

New York, Frankfurt Wenn es jemanden gibt, der sich mit dem Thema Gleichberechtigung in der Finanzwelt auskennt, dann ist es Christl Novakovic. Mit 37 – damals hieß sie noch Christine Licci – stieg die Südtirolerin zur Deutschlandchefin des Privatkundengeschäfts der Citibank auf. 2005 wechselte sie in den Vorstand der Hypo-Vereinsbank (HVB).

Als das Geldhaus von der italienischen Unicredit geschluckt wurde, machte sich die heute 55-Jährige als Kunsthändlerin selbstständig. Novakovic verabschiedete sich damals mit harten Worten aus der Branche: Natürlich gebe es auch Vorstände, mit denen sie gerne zusammenarbeite. „Aber häufiger sind die anderen, die sich im Job aufbrausend und herrschsüchtig geben, die echten Kotzbrocken.“

Heute ist Novakovic zurück im Bankgeschäft und Europachefin der Schweizer Großbank UBS. Doch die Nullerjahre wirken nach, „so viel hat sich seitdem leider nicht geändert“, sagt sie im Interview. „Weiter oben sind die Jungs meist unter sich.“

Die männliche Dominanz beeinflusst nicht nur die Kultur in vielen Großbanken.

Auch finanziell werden Bankerinnen nach wie vor benachteiligt. Frauen verdienen in der Finanzbranche im Schnitt deutlich weniger Geld als Männer, und sie werden seltener befördert.

Rückständiges Deutschland

Die offiziellen Daten des Statistischen Bundesamts bringen den „Gender Pay Gap“ in der Finanzbranche auf eine simple Zahl: Während Frauen in Deutschland über alle Branchen hinweg 21 Prozent weniger verdienen als Männer, ist die Kluft in den Geldhäusern besonders groß: Hier beträgt ihr Abstand 28 Prozent. Genauer aufgeschlüsselt hat das Phänomen die Personalberatung Willis Towers Watson (WTW).

Aktuelle Zahlen, die WTW für das Handelsblatt ausgewertet hat, zeigen deutlich, wie viel schlechter die Bezahlung und die Jobaussichten für weibliche Mitarbeiter von Finanzfirmen ausfallen. WTW hat hierzu die Personalchefs von 147 deutschen Geldhäusern befragt.

Auf den ersten Blick wirkt die Finanzwelt wie ein Hort der Gleichberechtigung. Über alle befragten Institute hinweg liegt das Verhältnis von Frauen zu Männern bei rund eins zu eins. Unter den Angestellten bis 35 Jahre sind die Frauen sogar leicht in der Überzahl. Bei den älteren Jahrgängen kippt die Verteilung allerdings – und noch deutlicher zeigt sich der Unterschied auf der Managementebene: Wenn es um Führungspositionen geht, kommen in der deutschen Finanzbranche drei Männer auf eine Frau.

Grafik

Die Experten von WTW haben die Unternehmensorganisation in 20 Hierarchieebenen unterteilt (siehe Grafik), wobei die ersten drei Ebenen im Bankensektor keine Rolle spielen. Die höheren Ebenen gehen mit mehr Verantwortung einher und mit deutlich mehr Gehalt. Sind Frauen auf den Hierarchieebenen vier bis neun noch in der Überzahl, so übernehmen die Männer ab Hierarchieebene zehn die Führung. Nur am Ende der Skala, auf der Topmanagementebene, steigt der Anteil der Frauen wieder leicht an.

Während in den Bankfilialen, auf Sachbearbeiterebene und im Kundendienst, etwa in Callcentern, Frauen überrepräsentiert sind, sind die Ebenen, die einen Studienabschluss erfordern, und das Management fest in männlicher Hand. An die Spitze, etwa in den Vorstand, berufen manche Banken zwar gerne öffentlichkeitswirksam eine Frau. Aber schon eine Etage tiefer dominieren nach wie vor die Männer.

Das Problem der mangelnden Gleichberechtigung im Finanzsektor ist hartnäckig, Besserung bislang kaum in Sicht: „Zwischen 2015 und 2019 hat sich das Bild nicht nachhaltig verbessert, allen Diskussionen um mehr Frauenförderung zum Trotz“, erläutert Florian Frank, Leiter des Beratungsbereichs „Talent & Rewards“ von WTW.

Weniger Geld, weniger Verantwortung

Was bedeutet das für die Bezahlung? „In den meisten außertariflichen Bankjobs verdienen Frauen fünf bis zehn Prozent weniger als Männer, bezogen auf die gleiche Hierarchiestufe und in Vollzeit“, erklärt der WTW-Experte. Auf derselben Hierarchieebene ist der „Gender Pay Gap“ also vergleichsweise klein.

Wie kommt es dann zur 28-Prozent-Lücke, die das Statistische Bundesamt gemessen hat? Laut Frank entsteht diese vor allem, weil Frauen seltener in höhere – und damit besser bezahlte – Verantwortungsbereiche vorstoßen. „Hier liegt das eigentliche Problem.“

Am größten Finanzplatz Europas, in Großbritannien, sieht es laut der Untersuchung zumindest etwas besser aus als in Deutschland. Auch dort arbeiten etwa gleich viele Männer wie Frauen in den Banken. Im Management lag das Verhältnis 2019 immerhin bei drei zu zwei, statt wie hierzulande bei drei zu eins.

Die Geschlechterverteilung auf den Kompetenzebenen fällt allerdings ähnlich ernüchternd wie hierzulande aus: Auch in Großbritannien sind die Frauen bis zum Hierarchielevel zehn in der Mehrheit. Dann nimmt ihr Anteil deutlich ab, wenn auch etwas langsamer als in Deutschland.

Echte Fortschritte gab es in den vergangenen vier Jahren auch in Großbritannien nicht, aber zumindest mehr Transparenz: Seit 2018 müssen alle Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten aufgrund eines neuen Gesetzes ihre Daten zur Bezahlung von Männern und Frauen melden.

Im vergangenen Jahr wurde deutliche Kritik laut am fehlenden Engagement der großen Finanzhäuser, den Abstand zwischen den Geschlechtern zu schließen. „Fair Pay ist in der Finanzbranche hauptsächlich ein Thema der Chancengleichheit und weniger ein Thema von gleichem Geld für gleiche Arbeit“, bilanziert Frank.

„Auf gleicher Hierarchiestufe sind die Unterschiede nicht mehr ganz so groß. Die Banken müssen künftig deutlich mehr tun, um Frauen auf höhere Positionen zu befördern.“ Besonders schwer scheint das den Topverdienern der Finanzbranche zu fallen: Im Investmentbanking liegt selbst auf gleicher Hierarchiestufe die Bezahlung der Frauen deutlich unter der der Männer, das zeigen die deutschen WTW-Zahlen. Hier verdienen Frauen auf höheren Hierarchiestufen zwischen neun und rund 40 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Ein Grund: die höheren Boni, die die Männer aushandeln.

Transparenz an der Wall Street

Die Ungleichheit in Sachen Verdienst wird auch an der Wall Street diskutiert. Es war ein kleiner aktivistischer Fonds, der die Bankenwelt 2017 auf das Problem aufmerksam machte: Natasha Lamb vom US-Vermögensverwalter Arjuna Capital reichte Anträge auf Hauptversammlungen ein und forderte so die Finanzinstitute auf, die Gehaltsunterschiede zwischen den Männern und Frauen zu veröffentlichen. Damals wurden alle Anträge abgelehnt. Ein Jahr später zeigte sich zumindest in einem Fall Bewegung.

Citi war das erste große Finanzinstitut, das 2018 seine Gehaltsunterschiede veröffentlichte und sich dazu verpflichtete, die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen und zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Hautfarbe kontinuierlich abzubauen.

Im Januar 2020 veröffentlichte die Bank ihren zweiten „Pay Transparency Report“ und konnte erste Fortschritte vorweisen. Die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen schrumpfte um zwei Prozentpunkte. Für jeden Dollar, den ein männlicher Mitarbeiter verdient, bekommt eine Frau im Mittel 73 Cent.

Die Bank hat sich daher konkrete Ziele gesetzt, den Anteil von Frauen und Minderheiten in Führungspositionen zu erhöhen. „Wenn wir transparenter in diesem wichtigen Bereich sind, dann ist das der beste Weg, um uns selbst zur Rechenschaft zu ziehen“, stellte Citi-Personalchefin Sara Wechter klar. Im Oktober stieg Jane Fraser zur Chefin des Privatkundengeschäfts auf: Die gebürtige Schottin bringt sich damit in Stellung, eines Tages Vorstandschef Brian Corbat abzulösen.

Vergleicht man, wie viel ein Mann und eine Frau auf der gleichen Hierarchiestufe verdienen, dann ist der Gehaltsunterschied an der Wall Street heute praktisch ausgeglichen, dafür spricht zumindest der Report von Citi. Frauen verdienen hier 99 Prozent dessen, was Männer in gleicher Position erhalten.

Ähnlich wie für ihre europäischen Kolleginnen ist für Natasha Lamb der Vergleich über die Hierarchiestufen hinweg jedoch der relevantere: „Für uns ist es wichtig zu verstehen, wie sich die Gehälter innerhalb einer Organisation verteilen“, sagt die auf nachhaltiges Investieren spezialisierte Managerin.

Mehr Chancen durch Arbeitgeberwechsel

Doch woran liegt es, dass Frauen in oberen Etagen weniger vertreten sind – und dadurch weniger verdienen? „Männer wechseln häufiger die Bank und steigen dadurch schneller auf“, meint Dagmar-Elena Markworth, Partner bei der Personalberatung Odgers Berndtson.

„Zwar gibt es immer Ausnahmen, aber im Schnitt verhandeln Männer geschickter, wenn es um ihre eigene Karriere geht. Sie sind geldgetriebener, kompetitiver und holen so am Ende oft mehr für sich heraus.“ Frauen blieben hingegen häufiger im selben Unternehmen. Bekämen sie Kinder, bedeutete das heute zwar kein Karriere-Aus mehr, aber ihre Mobilität nehme ab, so Markworth.

Doch es gibt Hoffnung: „Ob es nun aus Überzeugung geschieht oder wegen des Drucks von außen – die Banken suchen händeringend nach weiblichen Führungskräften“, berichtet die Headhunterin. Jungen Frauen, die in der Finanzbranche nach oben kommen wollen, empfiehlt Markworth, sich gezielt zu vernetzen, ähnlich der Männer, und an ihren Qualifikationen zu arbeiten. „Für Frauen gilt immer noch, dass sie besonders gut sein müssen, vielleicht sogar einen Tick besser als ihre männlichen Kollegen“, so die Personalberaterin.

Wie stark der Druck auf die Banken mittlerweile ist, hat der Deutschlandchef eines großen US-Instituts vor Kurzem am eigenen Leib erfahren: Die Finanzchefin eines Kunden hat die ausschließlich männliche Bankerriege mit einem knappen Kommentar bedacht: „Wieder nur Jungs hier?“ Diese Blöße könne man sich künftig nicht mehr geben, so der Banker: „Das war eine verbale Ohrfeige.“

Mehr: Im Interview erklärt UBS-Europachefin Christl Novakovic, warum Männer lieber mit Männern konkurrieren und Frauen sich nicht auf das Macho-Niveau begeben sollten.

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1 Kommentar zu "Gender Pay Gap: Kaum Fortschritte bei der Diversität seit 2015: Männer dominieren Banken"

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  • Was waere denn ein Fortschritt? 50/50? Und warum?
    Es wird doch immer wieder nachgewiesen, dass Menschen unterschiedliche Neigungen haben. Der groesste Unterschied in der beruflichen Neigung liegt zwischen Maennern und Frauen. Und das kann man selbst wenige Tage nach der Geburt nachweisen, wo also noch keine Sozialisierung passiert sein kann. Alle Eltern wissen, dass Jungen und Maedchen andere Vorlieben haben - Jungs moegen Sachen und Zahlen, Maedchen moegen Puppen, Familie und Medizin. Und selbst wenn man die Kinder noch so "umerziehen" will und Jungs in Puppen einbetten und Maedchen verbietet mit Puppen zu spielen, es aendert sich nichts an den unterschiedlichen Vorlieben von Jungen und Maedchen.

    Daher ist es doch voellig normal, dass man nicht genuegend weibliche Angestellte im Bankenwesen findet. Wieso verabschieden wir uns denn nicht einmal von der maoistischer Denkweise des einheitlichen (gleichen) Ausgangs, sondern lassen einfach jeden Menschen sich so entwickeln, wie er oder sie gerne will? Das waere einmal eine ganz neue Idee, nicht war?

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