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Inflation Türkische Inflationsrate steigt Richtung 20 Prozent – und stürzt Erdogan in ein Dilemma

Den dritten Monat in Folge steigen die Preise in der Türkei deutlich. Die lockere Geldpolitik nach Wünschen von Präsident Erdogan stößt damit an ihre Grenzen.
03.09.2021 Update: 03.09.2021 - 12:26 Uhr Kommentieren
Seit Juni hat sich der Preisanstieg bei Lebensmitteln spürbar verstärkt. Quelle: Reuters
Bazaar in Ankara

Seit Juni hat sich der Preisanstieg bei Lebensmitteln spürbar verstärkt.

(Foto: Reuters)

Ankara In der Türkei hat sich die Inflation den dritten Monat in Folge verstärkt. Die Rate steuert auf die Marke von 20 Prozent zu. Im August seien die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 19,25 Prozent gestiegen, teilte das Statistikamt am Freitag mit.

Damit ist die Inflation nun wieder höher als der Leitzins. Die sogenannte Realverzinsung, also die Differenz dieser beiden Werte und ein Richtmaß für die Attraktivität eines Landes für Investoren, ist damit negativ. Im Juli hatte die Inflationsrate bei 18,95 Prozent gelegen und im Juni bei 17,53 Prozent. Zuletzt hatte die Teuerung Anfang 2019 über der Marke von 20 Prozent gelegen.

Volkswirte wurden von der Entwicklung überrascht. Sie hatten erwartet, dass sich die Inflation leicht abschwächt. Im Vergleich zum Vormonat stiegen die Verbraucherpreise im August um 1,1 Prozent.

Getrieben wurde der jüngste Anstieg durch Lebensmittelpreise. Sie waren im Schnitt 29 Prozent höher als vor einem Jahr. Seit Juni hat sich der Preisanstieg bei Lebensmitteln spürbar verstärkt, nachdem die Steigerungsrate in den Monaten zuvor stabil gewesen war.

Die Erzeugerpreise der Unternehmen legten im August sogar um 45,5 Prozent zu. Die steigenden Herstellungskosten der Firmen dürften mit einiger Verzögerung zumindest teilweise auf die allgemeinen Verbraucherpreise durchschlagen.

Inflation überschattet konjunkturelle Situation

Die Regierung um Staatspräsident Erdogan kommt angesichts der überraschend hohen Teuerung in eine Zwickmühle. Die lasche Geldpolitik aus Ankara führte einerseits im zweiten Quartal zu einem Rekordzuwachs beim Wirtschaftswachstum in Höhe von 21,7 Prozent. Doch die hohen Preise überschatten die konjunkturell gute Lage der türkischen Volkswirtschaft.

Anders ausgedrückt: Die Bürgerinnen und Bürger spüren kaum etwas vom Aufschwung, weil sie ständig mehr bezahlen müssen. Und Erdogan bekommt dafür schon jetzt, zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl, die Quittung.

Angesichts der negativen Realzinsen ziehen Investoren andere Währungsräume vor. Das lässt die türkische Lira sinken, was wiederum die Einfuhren verteuert. Gleichzeitig steigen weltweit die Rohstoffpreise. Der Inflationsdruck dürfte also hoch bleiben. Und offenbar machen die Menschen im Land dafür die Regierung verantwortlich.

Erdogans Beliebtheitswerte sind so niedrig wie lange nicht mehr. Nur noch knapp 40 Prozent der Menschen im Land bewerten seine Arbeit als Staatschef positiv, zeigt das Ergebnis einer Umfrage des türkischen Meinungsforschungsinstituts Metropoll.

Umfragen in der Türkei sind häufig mit hoher Unsicherheit behaftet. Antwortmöglichkeiten wie „weiß nicht“ oder „unentschieden“ werden weitaus häufiger genutzt als etwa in Deutschland. Doch der Trend ist klar: Erdogan hat im Vergleich zum Vormonat ganze zehn Prozentpunkte verloren.

Auch seine Partei AKP schneidet bei den Metropoll-Umfragen immer schlechter ab. Erhielt die Partei bei den jüngsten Wahlen 2018 noch über 42 Prozent der Stimmen, waren es in der jüngsten Sonntagsfrage nur noch 25,4 Prozent. Eine Mehrheit mit dem Koalitionspartner MHP würde derzeit deutlich verfehlt.

Alle Augen sind nun auf die Zentralbank gerichtet

Erdogan hat den Schlüssel zur Drosselung der Inflation selbst in der Hand. Längst hat der Staatschef die Kontrolle über die Zentralbank, ohne ihn wird dort keine Entscheidung mehr gefällt. 

Eigentlich müssten die Leitzinsen steigen, damit der Realzins wieder den positiven Bereich erreicht. Doch Erdogan will die Zinsen senken, um die Wirtschaft weiter anzukurbeln – auch wenn die Inflation dadurch hoch bleibt. Er betreibt damit Konjunkturpolitik auf Kosten der Konsumenten.

Der Deutsche-Bank-Ökonom Fatih Akcelik gehört zu den wenigen Analysten, die den Inflationsanstieg richtig vorhergesagt haben. Er glaubt, dass die Zentralbank trotzdem bald die Leitzinsen senken wird, wenn auch nur leicht. „Angesichts des herausfordernden externen Umfelds in Kombination mit dem höheren Inflationsprofil erwarten wir zwei Kürzungen um 50 Basispunkte, jeweils eine im November und Dezember“, sagte er bereits vor Bekanntgabe der Zahlen.

Die Beschleunigung der Inflation habe bestätigt, dass der Straffungszyklus der Zentralbank im März nach einer weiteren dramatischen Umbildung im Vorstand des Instituts vorzeitig beendet worden sei, sagte Piotr Matys, Währungsanalyst bei InTouch Capital Markets. „Der Leitzins hätte höher sein sollen, aber Gouverneur Kavcioglu wurde nicht ernannt, um ihn weiter anzuheben, sondern um weitere Zinserhöhungen zu verhindern.“

Die neuen Inflationsdaten bringen den Gouverneur auf einen möglichen Kollisionskurs mit Erdogan, der im vergangenen Monat seine unorthodoxe Ansicht bekräftigte, dass höhere Zinsen die Inflation verschärfen. „Eine weitere Beschleunigung der Inflation ist von nun an nicht mehr möglich, weil wir zu niedrigeren Zinsen übergehen“, sagte Erdogan. Das widerspricht der ökonomischen Theorie und Empirie.

Der Staatspräsident und selbst ernannte oberste Währungshüter dürfte bei seinen Ansichten bleiben. Er hat in den vergangenen zwölf Monaten drei Bankgouverneure entlassen und zweimal den Vorsitzenden der Zentralbank ausgetauscht.

Mehr: Die Türkei als Etappenziel nach Europa – UN rechnen mit über 500.000 Flüchtlingen aus Afghanistan

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