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GastkommentarDeutschland ist ein Gangsterparadies

Deutschland galt lange als Paradies für Geldwäscher – versucht nun aber vehement, diesen Ruf loszuwerden. Damit das gelingt, müssen alle an einem Strang ziehen.Markus Meinzer 19.02.2020 - 15:43 Uhr

Der Autor ist Direktor bei der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network.

Foto: ddp/INTERTOPICS/pa

Mitglieder einer libanesischen Familie, die mafiöser Verbrechen verdächtigt werden wie Erpressung, Drogenhandel, Diebstahl einer Riesengoldmünze (100 kg!) aus dem Berliner Bode-Museum und der Geldwäsche von Millionen von Euro durch Immobiliengeschäfte.

Diese Geschichte aus Berlin erinnert die ganze Welt daran, dass Deutschland wenig Grund hat, Länder zu verspotten, die von Veruntreuungsskandalen wie den jüngsten Luanda-Leaks in Angola erschüttert werden. Deutschland erscheint als große Wirtschaft, international vernetzt, mit einer Kultur der Geheimhaltung und praktisch chancenlos, Geldwäscher zu entlarven und zu bestrafen. Davon träumen Kriminelle. Jedes Jahr werden hierzulande bis zu 100 Milliarden Euro gewaschen, so eine wissenschaftliche Studie für das Finanzministerium.

Wenn illegale Gelder im Immobiliensektor gewaschen werden, finanziert das nicht nur Mafias und Terroristen, sondern trägt auch zu steigenden Mieten und Kaufpreisen bei. In Berlin stiegen die Umsätze mit Wohnimmobilien von 3,6 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf elf Milliarden Euro in 2018, die Preise explodierten.

Deshalb können wir nur begrüßen, dass Deutschland nach Jahren des Leugnens endlich entschlossen scheint, seinen Ruf als „Gangsterparadies“ loszuwerden. Laut dem vom Tax Justice Network – einem in London ansässigen Thinktank, in dessen Vorstand ich bin – veröffentlichten Schattenfinanzindex 2020 konnte Europas führende Wirtschaft ihren Beitrag zur globalen Schattenfinanzwirtschaft drastisch reduzieren. Sie ist von Platz sieben im Index 2018 auf Platz 14 zurückgefallen.

Diese Verbesserung ist vor allem auf die Umsetzung neuer EU-Richtlinien zurückzuführen – zum Beispiel das Ende der Verschleierung von Offshore-Investoren durch Register für Unternehmenseigentum. Bisher konnten sich Kriminelle hinter anonymen Firmenmänteln verstecken. Durch die neuen Register wird für alle in der Europäischen Union gegründeten Firmen aufgedeckt, wer diese letztlich kontrolliert.

Müssen Gewinne offengelegt werden?

Nur wenige Länder haben diese Regeln rechtzeitig umgesetzt. Das zügige Handeln Deutschlands ist umso beeindruckender, als die Offenlegungspflichten auf ausländische Trusts und Briefkastenfirmen, die deutsche Immobilien erwerben, ausgeweitet wurde.

Das geht sogar über das von der EU Verlangte hinaus. Diese Entscheidung fiel trotz heftiger Widerstände insbesondere vonseiten der mächtigen „Deutschlanddynastie“: Im Namen der Tradition drohen große Familienunternehmen, ihre Kultur der Geheimhaltung vor Gericht zu verteidigen.

Viele Familienunternehmen glauben, dass sie ein Recht darauf haben, ihre Gewinne nicht offenzulegen – obwohl viele von ihnen in Wirklichkeit multinationale Konzerne sind. Ihr Gegenangriff hat bereits begonnen. Im vorigen November war Deutschland wegen ihrer Lobbyarbeit eines der 15 europäischen Länder, die einer neuen EU-Richtlinie ihre Unterstützung versagten. Diese fordert von multinationalen Unternehmen aufzudecken, wie viel Gewinn sie machen und wie wenig Steuern sie in jedem Land der Erde zahlen.

Wenn es Konzernen und Superreichen gelingt, ihren fairen Anteil an Steuern nicht zu zahlen, können Regierungen nicht in den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und in Renten investieren oder Maßnahmen zur Milderung der Klimakrise ergreifen. Mit dem Verweis auf leere Kassen entscheiden sich Regierungen oft für Sparmaßnahmen, die populistische Gegenreaktionen und den Autoritarismus fördern.

Berlin muss nun beweisen, dass es seine strengeren Gesetze durchsetzen will. Dazu wird es bald Gelegenheit geben, wenn die Experten der Financial Action Task Force (FATF), dem wichtigsten internationalen Gremium zur Verhinderung von Geldwäsche, Deutschland ab April unter die Lupe nehmen.

Im Jahr 2010 waren die Experten entsetzt. Deutschland hatte 20 der 49 Kriterien nicht erfüllt und war der schwarzen Liste des Gremiums nur knapp entkommen. Um eine Wiederholung zu verhindern, sollte Berlin mutige Schritte gehen: Staatsanwaltschaften, Polizei und Aufsichtsbehörden besser ausstatten und alte Inhaberaktien, die ihren Besitzern trotz aller Transparenzregister völlig anonymen Besitz von Unternehmen ermöglichen, annullieren.

Mit dem Brexit besteht die Gefahr, dass sich Großbritannien in ein „Singapur an der Themse“ verwandelt, also in einen noch schädlicheren Schattenfinanzplatz. Aber der Brexit bietet auch eine Chance: Außerhalb der EU wird das Königreich Maßnahmen gegen das britische Spinnennetz aus Steueroasen in Brüssel nicht mehr blockieren können. Brüssel und Berlin haben dann keine Entschuldigung mehr dafür, die Finanztransparenz nicht auszubauen.

Mehr: Die EU-Geldwäsche-Richtlinie wurde bereits mehrmals verschärft. Doch die meisten EU-Staaten wenden das EU-Recht entweder gar nicht oder nur teilweise an.

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