Gastkommentar: Wie es gelingen kann, den wirtschaftlichen Wandel erfolgreich umzusetzen

Erfolgreiche Unternehmen sind die Grundlage unseres Wohlstandes. So weit, so unstrittig – und doch unbrauchbar, um zu erkennen, ob wir in eine versorgungssichere und chancengerechte Zukunft steuern. Denn unser Wohlstand ergibt sich letztlich daraus, dass Ressourcen verlässlich vorhanden sind und so effektiv wie möglich in gute Produkte und Dienstleistungen verwandelt werden. Und um das für die Zukunft abschätzen zu können, reichen die herkömmlichen ökonomischen Messgrößen für Wachstum oder Wertschöpfung nicht mehr aus. Hier müssen wir genauer hingucken.
Viele Initiativen aus dem Green Deal der Europäischen Union (EU) zielen genau darauf ab: die erweiterten Reportings für Unternehmen, eine Taxonomie für Finanzakteure, aber auch das Lieferkettengesetz. Eine Diskussion über die bestmöglichen Umsetzungsstrategien ist deshalb weiter wichtig, aber bitte zielorientiert und konstruktiv – weniger als Abwehrschlacht gegen bevormundende Verordnungen, sondern eher als Innovationsagenda mit Gewährleistung gleicher und fairer Wettbewerbsbedingungen.
Es gilt, frühzeitig dort hinzuschauen, wo Bestände oder Prozesse arg strapaziert werden
Denn wenn die Hälfte des globalen Bruttoinlandprodukts (BIP) von dem abhängt, was auch Ökosystemdienstleistungen genannt wird, dann sollten wir deren Zustand in unseren Kennzahlen für Wohlstand, Wertschöpfung, Ertrag und Produktivität auch berücksichtigen. Und damit auch endlich den Unternehmen Wettbewerbsvorteile bieten, die bereits zu Zeiten der Selbstverpflichtungen wirklich aktiv geworden sind.
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Es reichen ein Blick in den Klimarisiken-Bericht der Europäischen Umweltagentur (EUCRA) oder die Berechnung von Naturrisiken in Unternehmen vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), um zu verstehen, dass die Idee, wir könnten weiter Wohlstand herstellen wie bisher, nicht aufgeht. Der Future of Growth Report des World Economic Forum hat vier Kategorien eingeführt, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern qualitativ bewertet wird:
In der letzten Kategorie geht es um Anpassungsfähigkeit und Puffer gegen Schocks – also ein weiteres Argument dafür, frühzeitig hinzuschauen, wo Bestände oder Prozesse arg strapaziert werden.
Das Ziel sollte höchste Leistungsfähigkeit bei geringstem ökologischen Fußabdruck sein
Auch aus geopolitischer Perspektive wird schnell klar, dass wir über eine Sicherheitsagenda für das kleine und ressourcenarme Europa sprechen: Je weniger wir von Rohstoffen anderer Länder abhängen, die diese Abhängigkeiten auch in Drohkulissen verwandeln, umso mehr Gestaltungsspielraum und Versorgungssicherheit liegt in unserer Hand. Umgekehrt bietet sich so die Chance, in einer regenerativen, dekarbonisierten und zirkulären Wirtschaft des 21. Jahrhunderts vorn mitzuspielen. „Quality made in Germany 2.0“ könnte genau das bedeuten: höchste Leistungsfähigkeit bei geringstem ökologischen Fußabdruck.
Kurz vor der Europawahl ist es daher umso wichtiger, Position zu beziehen. Wissenschaft, Wirtschaft und Medien sind besonders gut befähigt, genaues Hingucken und zukunftsorientiertes Handeln aus der Politik zu fordern und für die Bevölkerung verständlich darzulegen, welche Transformationen zwar anstrengend und auch mal unbequem sind, aber einer zukünftigen Wohlstandssicherung dienen. Und welche Co-Benefits wie zum Beispiel der Verzicht auf Luftverschmutzung, auf verstopfte Straßen, Wasser- und Ernährungsknappheiten rausspringen.
Folgende Punkte sind zentral:





Wohlstand hängt von erfolgreichen Unternehmen ab. Aber diese sind eingebettet in soziale und ökologische Systeme. Deswegen brauchen wir ein starkes Europa mit koordinierter Infrastruktur- und Industriepolitik und einer Vision, die über den Wettlauf der Konzerne um Technologieführerschaft und Energiepreise hinausreicht.
Die Autorin:
Maja Göpel ist Politikökonomin, Transformationsforscherin und Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg.
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