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Gastkommentar – Homo OeconomicusDie Finanzbranche muss etwas für ihren Ruf tun

Zieht das Geldgewerbe weniger vertrauenswürdige Bewerber an? Eine Studie die der Wirtschaftsprofessor Matthias Sutter mit Kollegen angefertigt hat, legt dies nahe.Matthias Sutter 25.04.2022 - 11:12 Uhr Artikel anhören

Muss die Finanzbrache sich bemühen vertrauenswürdige Personen einzustellen?

Foto: dpa

In vielen Wirtschaftsbereichen wissen Verkäufer mehr über die Vor- und Nachteile ihrer Produkte und Dienstleistungen als die Käufer. Aufgrund dieser Informationsasymmetrie sind Kunden häufig auf die Vertrauenswürdigkeit der Verkäufer angewiesen, um gut beraten zu werden. Das gilt ganz besonders in der Finanzbranche mit ihren komplexen Produkten und den zum Teil hohen Beträgen, um die es geht.

Gemeinsam mit Andrej Gill, Matthias Heinz und Heiner Schumacher habe ich die Vertrauenswürdigkeit von 267 Frankfurter Wirtschaftsstudenten in einem Experiment gemessen. Dann haben wir untersucht, in welcher Branche sie arbeiten wollen und wo sie ihre erste Anstellung finden. Die Studie, die in der Fachzeitschrift „Management Science“ erscheinen wird, war motiviert von der Frage, ob weniger vertrauenswürdige Studierende mit höherer Wahrscheinlichkeit in der Finanzbranche arbeiten wollen als vertrauenswürdigere.

In unserem Experiment bekamen Studierende einen Geldbetrag, sagen wir zehn Euro. Diesen konnten sie ganz oder teilweise einem Mitspieler schenken, der nichts bekommen hatte, wobei der Experimentator auf den geschenkten Betrag das Doppelte drauflegte. Dann hatte der Empfänger Gelegenheit, von dem erhaltenen Betrag einen Teil an den Spender zurückzugeben. Wenn der Erste alles abgegeben hatte, konnte der Zweite also 30 Euro für sich behalten oder zum Beispiel die Hälfte abgeben, damit beide gleich viel hatten. Der zurückgegebene Anteil ist für Verhaltensforscher ein gängiges Maß von Vertrauenswürdigkeit.

Matthias Sutter ist Direktor am Max-Planck-Institut Bonn und Autor von „Der menschliche Faktor oder worauf es im Berufsleben ankommt“.

Foto: ECONtribute/Dustin Preick

Wir fanden heraus, dass Studierende, die nach ihrem Studium in der Finanzbranche arbeiten wollten, ungefähr ein Viertel weniger zurückgaben als diejenigen, die andere Branchen bevorzugten. Nun sind Absichtserklärungen nicht zwingend ein verlässlicher Indikator für die späteren Berufsentscheidungen. Darum kontaktierten wir die Teilnehmer unserer Studie sechs bis sieben Jahre später nochmals und erhoben, in welcher Branche sie ihren Berufsweg begonnen hatten.

Unser erstes Ergebnis bestätigte sich. Wer in der Finanzbranche seine Karriere startete, hatte in unserem Experiment deutlich weniger Geld zurückgeschickt als Personen, die woanders ihre Berufslaufbahn begannen. Das bedeutet, dass die im Schnitt weniger vertrauenswürdigeren Personen in der Finanzbranche eine Stelle suchten und fanden. Diese Selbstselektion könnte ein Grund sein, warum das mulmige Gefühl der Bevölkerung gegenüber der Finanzbranche sich hartnäckig hält. Die Entscheidungsträger der Branche sollten sich fragen, warum ihre Unternehmen die weniger vertrauenswürdigen Arbeitnehmer anlocken und wie im Einstellungsprozess stärker auf Vertrauenswürdigkeit geachtet werden kann.

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