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Der Ver(un)sichererUnterricht beim Strucki

Deutschland hat ein Problem. In den Schulen lernen die Heranwachsenden nichts zum privaten Risikoschutz oder über die Altersvorsorge. In einer Schule überlassen die Lehrer sogar Strukturvertrieblern den Unterricht.Axel Kleinlein 20.11.2013 - 16:15 Uhr Artikel anhören

Axel Kleinlein gilt aktuell als einer der schärfsten Kritiker der Versicherer. Er ist Vorsitzender des Vorstandes beim Bund der Versicherten.

Foto: Handelsblatt

Lehrer haben viel zu tun. Sie sollen sich darum kümmern, dass bestimmte pädagogische Defizite in der Familienerziehung ausgeglichen werden, sie sollen den Heranwachsenden Sozialverhalten beibringen und – ach ja – nebenbei, gilt es dann auch noch Inhalte zu vermitteln.

Die Anforderungen an die Pädagogen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und wer engagierte Lehrer im Freundes- und Bekanntenkreis hat, der weiß, dass das kein 37,5-Stunden-Job ist.

Dabei rutscht die Frage nach den Inhalten mehr und mehr in den Hintergrund. Die Lehrpläne in Sachen Mathematik sind zum Beispiel derart verstaubt und liegen Jahrzehnte und Jahrhunderte hinter der Zeit zurück. Kurvendiskussionen interessieren eigentlich niemanden mehr.

Nur die armen Gymnasiasten müssen sich mit dieser Reminiszenz des 17. Jahrhunderts noch rumärgern. Und weil sowohl Lehrpläne als auch Lehrmaterialien stets veralten, müssen sich engagierte Lehrer anscheinend andere Lösungen suchen.

Auch im Bereich der finanziellen Allgemeinbildung sieht es düster aus in Deutschland. Zinseszinsrechnung findet eigentlich nicht statt, auch in „Wirtschaft“ werden die Schüler von den Lehrern nur rudimentär über Versicherung und Altersvorsorge informiert.

Aber man kann wohl kaum erwarten, dass der Lehrkörper stets auf dem Laufenden ist, was etwa die aktuelle Steuergesetzgebung zu bieten hat. Auch hat kaum ein Lehrer die Chance nachzuvollziehen, was gerade auf dem weiten Feld der Altersvorsorge diskutiert wird und was es dabei zum Beispiel mit diesen ominösen Rürup-Renten oder Mehrtopfhybriden auf sich haben soll.

Was liegt da näher als sich den Sachverstand ins Klassenzimmer zu holen? So jüngst geschehen in einem Berliner Klassenzimmer. Eine Dame eines deutschlandweit agierenden Strukturvertriebs kam vorbei und hat den Schülern erklärt wie das mit der Altersvorsorge funktioniert.

Wie zu erwarten, war die Message an die Heranwachsenden klar: Die staatliche Vorsorge klappt nicht mehr richtig und man solle doch unbedingt privat vorsorgen. Und man könne nicht früh genug damit anfangen, sein Geld in Altersvorsorgeprodukte zu stecken.

Kurz und schmerzhaft: alle Kolumnen Foto: Handelsblatt

Der Auftritt der Vermittlerin war offensichtlich so gut, dass eine der Schülerinnen sich bemüßigt fühlte die Erkenntnisse auch zu veröffentlichen. Auf der Jugendseite einer großen überregionalen Berliner Tageszeitung fand der Bericht dann Einzug.

Die lernbegierige Schülerin berichtet darin über eine fiktive Zwiesprache mit ihrem eigenen Ich in mehreren Jahrzehnten. Dieses zukünftige Ich würde der heute jungen Schülerin den Rat geben, gefälligst private Altersvorsorge zu betreiben. Das Lernziel wurde also erreicht: Die Schülerin hat verinnerlicht, dass es zwingend sei, dass sie möglichst schnell in private Vorsorge investiert.

So trivial ist es aber nicht. Gerade für junge Menschen sollte eigentlich klar sein, dass die beste Altersvorsorge noch immer in Bildung besteht. Nur wer gut ausgebildet ist, kann später im Berufsleben gutes Geld verdienen und damit vernünftig vorsorgen – sowohl gesetzlich als auch privat.

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Es ist schon dreist, wenn Vermittler eines Strukturvertriebs bereits in den Schulen neue potenzielle Kunden werben wollen, indem sie erst die Ängste vor Altersarmut schüren und dann die private Altersvorsorge als Alleinlösung propagieren. Die Vermittler in Schulen so für den Unterricht einzubinden ist fast so, als würde ein Pharmareferent den Sexualkundeunterricht gestalten oder ein Fast Food-Restaurantleiter die Kinder über Ernährung informieren. Wollen wir das?

Axel Kleinlein (Jahrgang 1969) gilt aktuell als einer der schärfsten Kritiker der Versicherer. Kleinlein ist Diplom-Mathematiker und arbeitete im Aktuariat der Allianz Lebensversicherung. Ab 2000 betreute er bei der Stiftung Warentest den Bereich Lebensversicherung und Altersvorsorge. Weitere Stationen führten Kleinlein zur Rating-Agentur Assekurata, wo er mehrere Branchenuntersuchungen zu Lebensversicherungen leitete und für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich war. Danach gründete Kleinlein das versicherungsmathematische und fachjournalistische Büro Math Concepts. Aktuell ist er wieder Vorsitzender des Vorstandes des Bundes der Versicherten.

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