Kommentar Lilium ist nur etwas für zwei Arten von Anlegern: echte Fans oder nervenstarke Zocker

Die Lilium-Aktie ist nichts für gewöhnliche Anleger.
Wenn die DJI-Drohne nach 20 Minuten Flug außer Sichtweite zurückkehrt und wie von Geisterhand auf seiner Handfläche landet, dann glänzen die Augen meines Sohnes. Eine ähnliche Faszination üben Flugtaxis auf Erwachsene aus: Lilium geht an die Börse und will bei Anlegern mehr als 800 Millionen Euro einsammeln.
Wenn Börsengänge Träume vom Fliegen bedienen, sollten Anleger aber versuchen, auf dem Boden zu bleiben. Andernfalls drohen herbe Enttäuschungen.
Das Unternehmen Cargolifter wollte um die Jahrtausendwende Luftschiffe bauen, die Lasten von 160 Tonnen ohne Zwischenstopp bis in die entlegensten Ecken der Erde transportieren sollten. Eigentlich eine geniale Idee, weil Luftschiffe schweben und nicht fliegen.
Viele namhafte Luftschiff-Ingenieure aus der ganzen Welt heuerten damals in Brandenburg an. Aber am Ende kam es so wie oft bei ambitionierten, technisch-industrielen Entwicklungsprojekten: Entweder dauert es länger oder es funktioniert nicht.
Cargolifter ging jedenfalls das Geld aus und den Investoren die Geduld. Der Gigant der Lüfte wurde nie fertig. Zwei Jahre nach dem Börsengang war Cargolifter 2002 insolvent und die 300 Millionen DM der 13.000 Aktionäre verloren.
Nun ist es gut möglich, dass Lilium seinen elektrischen Senkrechtstarter mit sieben Sitzen tatsächlich in die Luft bekommt. Warum auch nicht?
Aber den Anlegern muss klar sein: Vor 2025 werden sie keinen Euro Umsatz oder Gewinn sehen. Zudem ist nicht sicher, ob die Luftfahrtbehörde bis dahin überhaupt alle nötigen Genehmigungen erteilt.
Der Prozess ist deutlich anspruchsvoller als die Typenzulassung eines Teslas. Anleger sollten auch nicht die Frage aus dem Blick verlieren, wie tragfähig ein Geschäftsmodell sein kann, bei dem es immer noch Piloten braucht.
Lilium ist somit nur etwas für zwei extreme Typen von Anlegern: Zum einen echte Fans, die Geld für eine Idee übrig haben, jahrelang keine Dividende erwarten und auch bereit sind, Kapital nachzuschießen. Oder es ist etwas für das genaue Gegenteil: nervenstarke Zocker, die, solange der Hype um Flugtaxis andauert, kurz mitträumen, den Kursgewinn mitnehmen und schnell wieder aussteigen.
Selbst neue Verkehrsflugzeuge brauchen immer länger bis zur Auslieferung als geplant. Jede Verzögerung schlägt doppelt durch, wenn ein Unternehmen kein laufendes Geschäft hat. Deshalb ist die Lilium-Aktie nichts für gewöhnliche Anleger.
Denn die Frage muss erlaubt sein: Wenn es sich um machbare Technik handelt, warum hält sich der Flugzeugbauer Airbus aus dem Bereich heraus? Warum erhöhen Finanzinvestoren ihr Engagement nicht noch viel stärker?
Der Verdacht liegt nahe, dass die Börse der einfachste Weg ist, an solch hohe Summen zu kommen. In der 107 Meter hohen einstigen Cargolifter-Halle ist heute ein Spaßbad – aber kein Cargolifter 2.0.
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