Regierungsfähigkeit Die Grünen füllen derzeit eine Leerstelle im bürgerlichen Lager
Berlin Die Gründungsmitglieder der Grünen konnten sich einiges vorstellen: die Sofortstilllegung aller Atomkraftwerke, die einseitige Abrüstung der Bundesrepublik, die Auflösung der Nato. Eine Vorstellung aber überstieg selbst ihre Fantasie. Dass sich ihre Anti-Parteien-Partei einmal zum Stabilitätsanker des bundesdeutschen Parteiensystems wandeln würde.
Doch genau so ist es gekommen. Deutschland im Februar 2020: Union und SPD zerlegen sich selbst. Die Liberalen kämpfen um ihre Relevanz. Rechts radikalisiert sich die AfD, links dilettiert die Linkspartei. Ganz anders die Grünen. Die Partei mit Annalena Baerbock und Robert Habeck an der Spitze gibt sich gereift, unaufgeregt und bemüht sich, Verlässlichkeit, Kompetenz und Regierungsreife auszustrahlen. „Die Grünen füllen eine Leerstelle im bürgerlichen Lager“, sagt Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. „Sie stehen als einzige Partei klar für Maß und Mitte und grenzen sich klar von den Rechten ab.“
Die Transformation wird auch im Ausland registriert. „Könnte eine der Folgewirkungen der CDU-Krise das Signal sein, dass die Entstehung einer von den Grünen mitgetragenen oder geführten Koalition in Deutschland früher als erwartet eintritt und damit das Ende der politischen Lähmung, die 2013 einsetzte?“, fragt der französische Politologe François Heisbourg auf Twitter.
Stabil oberhalb von 20 Prozent verorten Umfragen die Grünen inzwischen – mit Potenzial nach oben. „Je stärker die CDU rechten Verlockungen erliegt, desto mehr werden die Grünen profitieren“, ist Lühmann überzeugt. Vor allem sie verteidigten die liberale Bundesrepublik.
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Eine Regierungsmehrheit ohne die Grünen ist keine besonders realistische Option mehr, ein grüner Kanzler schon eher. „Uns wird eine Führungsrolle in Deutschland zugetraut“, sagt der grüne Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek, „Union und SPD immer weniger.“ Die Führungsrolle werde gerade zwischen Union und Grünen ausverhandelt, so sieht es auch Lühmann. Wenn die CDU nun monatelang ihre Führungsfrage offenlasse, nutze es den Grünen weiter.
Die Frage ist allerdings, ob die Erwartungen an die Partei zu groß geworden sind. Bei aller Gelassenheit, die die Partei derzeit ausstrahlt: Die Grünen haben den Dauerkonflikt um einen eher pragmatischen oder radikalen Kurs nicht überwunden, allerdings in ein temporäres Gleichgewicht gebracht.
„Wir wissen, dass Wahlen erst kurz vor Schluss entschieden werden“, räumt Janecek ein. Unklar ist bislang die Richtung, die die Grünen in den nächsten Monaten einschlagen: Tendieren sie eher zu einer Koalition mit der Union oder nach links? Die Grünen seien zum ersten Mal in ihrer 40-jährigen Geschichte in der Situation, in der sie nicht nur ihre Eigenständigkeit betonen, sondern auch leben, sagen Parteienforscher. Die Zeiten, in denen sie sich zum Anhängsel gemacht haben, scheinen vorbei zu sein.
Mehr: Die Grünen streben an die Macht – aber sind sie auch regierungsfähig?
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Wie kommt das Handelsblatt denn auf das schmale Brett und zu dieser gewagten Erkenntnis.
Wenn Regierungsfähigkeit mit ständigen unqualifizierten Verboten, Klimahysterie, Einreise in die Sozialsysteme für alle und Abschaffung unseres Wirtschaftssystems einhergeht, dann stimme ich Ihnen zu.
In Baden-Württemberg, Tübingen und Hessen gibt es Leute, die mit gesundem Menschenverstand unterwegs sind und einiges auf die Beine stellen.
Wirtschaftskompetenz kann ich schon gar nicht erkennen, eher das Thema Infrastrukturprojekte wie Stromleitungen, Windkraftanlagen sowie Straßen- und Bahntrassen verhindern.
Einzig der Kontakt zu den Medien scheint sehr erfolgreich sein, denn sie bestimmen die Themen.
Ich möchte nicht in Sarkasmus abgleiten dafür ist mir Deutschland zu wichtig.
ich weiß nicht. Maß und Mitte. ich sehe eine Verbotspartei und das ist kein Schlagwort, das ist belegbar nur
am kleinen Beispiel Raucherkneipe. Wirtschaftlich inkompetent, ich weiß von was ich rede, ich war bei Unternehmensgrün, das zeigt sich in der Steuerpolitik, bei der Energiewende, wo Deindustrialisierung
betrieben wird, einzig in der Agrarpolitik, ein ureigenes grünes Thema stimmt die Richtung. ich wohne in BW
mit einem grünen Ministerpräsidenten und einem Stgt OB und einem Tübinger OB. der Nahverkehr ist ein
Desaster und die Wohnungspolitik ein Komplettversagen. unsinnige Verbote im Straßenverkehr ist eher die
Handschrift. wenn das die Mitte ist, dann gute Nacht um diese Mitte. seit jahren fabuliert man über einen großen Wurf in der Steuerreform, kommen tut nichts. ich sehe kein grünes Reformvorhaben, das einem Respekt einflößt. in der Klimapolitik hysterisch und planlos, einzig in der Agrarpolitik und im Umweltschutz gestehe ich Ihnen Kompetenz zu. Frau Merkel hat halt die CDU inhaltlich entkernt und die SPD hat vergessen mit welchen Inhalten und Köpfen sie Wahlerfolge hatte. jetzt ist sie ein kläglicher Abklatsch der Linken. Handelsblatt Redakteure haben anscheinend vergessen, was den Wohlstand bei uns verursacht hat, nämlich ein breiter Mittelstand ( ich meine Unternehmen), den es in der Form fast nirgends auf der Welt gibt und die momentane Politik ( bsp. Steuern, Bürokratieabbau ) zerstört diese gesunde Basis.
ich kenne auch kein Land, das seine Schlüsselindustrie in sack und Asche legt, das ist dekadent und
unbegreiflich.