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Deutsche Bahn Sitzplätze auf Knopfdruck: Die Bahn will ihre Züge im Nahverkehr revolutionieren

DB Regio stellt Konzepte für den Nahverkehr der Zukunft vor. Die Umsetzungsentscheidung liegt aber bei den Ländern – und die zahlen ungern drauf.
26.07.2021 - 15:17 Uhr Kommentieren
In einem Modellzug hat DB Regio neue flexible Raumkonzepte vorgestellt, mit denen auf Knopfdruck bis zu 40 Prozent mehr Platzmöglichkeiten entstehen sollen.
Ideenzug

In einem Modellzug hat DB Regio neue flexible Raumkonzepte vorgestellt, mit denen auf Knopfdruck bis zu 40 Prozent mehr Platzmöglichkeiten entstehen sollen.

Düsseldorf Vor Ausbruch der Pandemie sind täglich 1,3 Milliarden Menschen mit der S-Bahn gefahren. Allein in München waren es 900.000 am Tag – mehr als im gesamten Fernverkehr. In Stoßzeiten sprengt das die Kapazitäten. Um morgens alle Menschen zur Arbeit zu bringen, braucht es mehr Platz zum Stehen. In München werden deshalb derzeit Sitze aus den Bahnen ausgebaut.

Keine ideale Lösung, wie DB Regio-Chef Jörg Sandvoß findet. Schließlich seien die Bahnen über den Tag hinweg nicht gleichermaßen ausgelastet. Wenn die Hauptverkehrszeit vorüber ist, finden dann nicht alle Passagiere einen Sitzplatz.

Bis 2025 will die Regionaltochter des Staatskonzerns zwei Milliarden Euro in ihre S-Bahn-Flotte investieren. In Zukunft sollen die Bahnen verschiedene Kapazitäten abdecken. „Einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“ hat die DB Regio eigenen Angaben zufolge bisher in das Projekt investiert. Hinzu kommen 40 internationale Technologie-, Industrie- und Produktpartner, die das Projekt sowohl finanziell als auch mit ihren Produktinnovationen unterstützt haben. Unter ihnen ist etwa der Display-Hersteller LG, der Technologiekonzern Siemens und der Autozulieferer Knorr-Bremse.

In einem Modellzug hat DB Regio die neuen flexiblen Raumkonzepte vorgestellt, mit denen bis zu 40 Prozent mehr Platzmöglichkeiten entstehen sollen. Je nach Tageszeit, Fahrgastaufkommen und Reiseanlass kann der Zugführer per Knopfdruck mehr Steh- oder Sitzplätze zur Verfügung stellen. Aus Vierersitzgruppen wird in wenigen Sekunden eine Längsbestuhlung an der Fensterfront. An den Wochenenden kann auf gleiche Weise mehr Platz für Fahrräder oder Kinderwagen geschaffen werden.

Ein anderer Wagon beinhaltet mit zeitgesteuerten Magnetmechanismen versehene Klappsitze. In Hauptverkehrszeiten lassen sich die Sitze nicht herunterklappen, um Platz zu sparen. In Nebenverkehrszeiten können sich Reisende setzen.

Aus Vierersitzgruppen wird in wenigen Sekunden eine Längsbestuhlung an der Fensterfront. Quelle: Deutsche Bahn – Oliver Lang
Flexibles Raumkonzept

Aus Vierersitzgruppen wird in wenigen Sekunden eine Längsbestuhlung an der Fensterfront.

(Foto: Deutsche Bahn – Oliver Lang)

Auch stehende Fahrgäste sollen zukünftig bequem reisen und bei Bedarf auch arbeiten können. Dank Stehstützen können sich Bahnfahrer anlehnen. Eine Art Bar an der Fensterfront versehen mit Steckdosen und USB-Anschlüssen dient unterwegs als Arbeitsplatz.

Um die vorgestellten Konzepte umzusetzen, brauche es keine neuen Züge, betont Sandvoß: „Es ergibt ökonomisch wie ökologisch wenig Sinn, einen Zug, der 30 Jahre hält, nach zehn Jahren herauszunehmen und durch einen neuen zu ersetzen.“ Die Maße der Züge seien die gleichen, und der Kunde werde nach der Modernisierung nicht zwischen neuem und altem Zug unterscheiden können.

Doch Bahnfahren soll nicht nur bequemer, sondern auch verlässlicher werden. In der Coronakrise habe sich gezeigt, dass das Aus- und Einsteigen unter anderem die meiste Verspätung verursacht. Deshalb brauche es größere Eingangsbereiche. Vor allem müssten Kunden aber besser informiert werden.

Sandvoß beschreibt das Problem wie folgt: „Ein Kunde, der sich nicht auskennt, steigt aus, bleibt stehen und schaut, ob der Ausgang rechts oder links ist.“ In dieser Zeit staut es sich hinter ihm. Eine Verzögerung von wenigen Sekunden, die sich täglich allerdings tausendfach addiert.

Künftig sollen Fahrgäste bereits vor dem Aus- und Einsteigen wissen, in welche Richtung sie gehen müssen. Anzeigen über der Zugtür informieren Reisende vor dem Aussteigen, wo der nächste Aufzug oder die nahe gelegenste Treppe ist. Beim Einsteigen zeigt ein Monitor in Echtzeit die Auslastung der einzelnen Wagons an.

Piktogramme in sogenannten Smartwindows im Zug markieren, wo sich Fahrrad- und Behindertenplätze befinden. Anders als die aktuell aufgepinselten Symbole lässt sich die Anzeige auf dem Bildschirm jederzeit ändern und an Kapazitäten anpassen. Sind etwa alle Fahrradplätze belegt, verschwindet das Piktogramm.

Inspiration aus Japan und New York

In die Scheiben wurde außerdem ein elektronischer Sonnenschutz eingebaut. Mit einem Schalter können Fahrgäste die Scheiben verdunkeln. So blendet zum einen die Sonne nicht, zum anderen erhitzen sich die Züge nicht zu stark. Die Klimaanlage muss also weniger leisten – das spart Energie.

Bei anderen Vorschlägen der DB Regio steht Komfort vor Funktionalität. Dazu gehört etwa die Idee für eine E-Scooter-Ladestation, künstliches Sonnenlicht sowie in die Scheiben integrierte Bildschirme auf denen Filme, Fernsehen oder auch Werbung gezeigt werden. „Bahnfahren muss Spaß machen, wenn wir die Menschen vom Auto in die Bahn locken wollen“, begründet Sandvoß die Vorschläge.

Eine simple, aber laut Sandvoß vielversprechende Idee: Einer der Wagons zeigt Logos eines Fußballvereins an der Decke. Die Bahn erhofft sich davon eine höhere Wertschätzung von mitfahrenden Fußballfans und damit weniger Randale. Auch alles andere kann mit dieser Funktion an die Decke projiziert werden.

DB Regio hat bislang „einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“ in das Projekt investiert.
DB-Regio-Chef Jörg Sandvoß

DB Regio hat bislang „einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“ in das Projekt investiert.

Zwei Jahre lang haben sie gemeinsam mit zehn Mitarbeitern des DB-Ideenzugs an dem Modell gearbeitet. Inspiration stamme unter anderem aus China und New York. Dort gibt es kaum noch Sitzplätze. Das Konzept, auf Knopfdruck das Raumkonzept zu ändern, sei jedoch das erste seiner Art.

Als die Corona-Pandemie ausbrach, stand zur Diskussion, das Projekt abzubrechen, erzählt Sandvoß. Die leeren Züge während der Lockdowns brachten der Deutschen Bahn einen Milliardenverlust ein und trieben die Verschuldung nach oben. Stattdessen wurde die Krise zum Anlass für neue Ideen genommen. Entwickelt wurde etwa eine antivirale Beschichtung oder ein Luftfilter, der nicht nur die Luftqualität in den Bahnen verbessert, sondern auch Virenlast und CO2-Gehalt anzeigt.

Innovation kostet

Doch die Entscheidung darüber, wie die S-Bahnen der Zukunft aussehen, liegt nicht bei der DB Regio, sondern bei den jeweiligen Bundesländern – vertreten durch 27 Aufgabenträger. Bei einer Ausschreibung gibt das Land die Ausstattung der Züge vor, verschiedene Eisenbahnunternehmen machen Angebote. Das beste gewinnt, meistens ist es auch das günstigste. Das sei Teil des Problems, sagt Sandvoß: „Der Auftraggeber will nicht draufzahlen“, deshalb fehle es in der Branche an Innovationsgeschwindigkeit.

Ein weiteres Hindernis: Bisher hat das Eisenbahn Bundesamt die im Ideenzug präsentierten Ideen nicht geprüft. Eine Genehmigung ist jedoch nötig, wenn sich durch die Veränderung Statik- oder andere sicherheitsrelevante Fragen ergeben. Welche Vorschläge realisierbar sind, bleibt also abzuwarten. Grundsätzlich gehe es nicht darum, den Ideenzug exakt nachzubauen, erklärt Sandvoß. Sondern darum, Dialoge anzuregen und zu zeigen, was möglich ist.

Trotzdem sei das Projekt nicht nur „Vision und Spinnerei“. 2017 hatte DB Regio ihren ersten Ideenzug präsentiert. Die ersten Konzepte daraus wurden in den S-Bahnen in München bereits umgesetzt. Noch in dieser Woche will DB Regio mit den Bundesländern über ihre neuen Ideen sprechen.

Mehr: So trifft die Flutkatastrophe die Deutsche Bahn

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