Museumspolitik in Bremen: Mit dem Freundeskreis Top-Werke gekauft

Gustav Pauli war der erste Direktor der Kunsthalle Bremen. Er wusste wie er wohlhabende Kaufleute für den Aufbau einer Sammlung begeistern konnte.
Bremen. Die Bremer Kunsthalle hat Geburtstag. Vor 200 Jahren wurde die bewunderte und viel gescholtene Institution gegründet. Dieses für eine Kunsthalle beeindruckende Jubiläum wird in Bremen nun mit einer großartigen Ausstellung gefeiert.
Gustav Pauli, ihr erster Direktor, hatte mit enormen Widerständen zu kämpfen, als er begann, die französische Avantgarde auszustellen und für die Sammlung anzukaufen. Das gefiel nicht jedem in Bremen. Im Rückblick wird jedoch deutlich, dass Pauli genau das richtige tat. Einige der Hauptwerke der Kunsthalle stammen aus dieser Zeit. Zur 200-Jahr-Feier gratuliert sich die Kunsthalle deswegen zu allererst selbst, mit einem Blick auf die eigene Geschichte und Sammlung.
Bevor Pauli 1899 seine Stelle antrat, dümpelte das seit seiner Gründung 1823 privat finanzierte Institut vor sich hin. Es nahm huldvoll heterogene Sammlungen der Bürger als Schenkung an und wurde so zu einem bedeutungslosen Sammelbecken des allgemeinen Geschmacks. Die Kunsthalle hatte kein Profil, sie inspirierte nicht.
Der Berliner Kritiker Hans Rosenberg brachte es 1902 auf den Punkt: „Wenn die vornehmen Bremer Patrizier ihre Bildbestände unter Assistenz eines Fachmanns einmal einer Revision unterziehen möchten, würden die meisten von ihnen zu ihrem Bedauern entdecken, dass sie ihr schönes Geld zwar für sauber gepinselte, aber künstlerisch recht nichtssagende und daher wertlose Machwerke ausgegeben haben. Diesem privaten Besitz entspricht leider auch ein Teil der Bestände der Kunsthalle.“
Bremen war vor allem von dekorativen Bildern wie denen der Düsseldorfer Malerschule überschwemmt. Gustav Pauli änderte das radikal. Auf einmal begann Bremen als Stadt der Kunst zu strahlen und wurde nicht mehr nur regional wahrgenommen. Aus der norddeutschen Kunstprovinz katapultierte Pauli seine Heimatstadt in das Zentrum einer aufgeregten Kunstdiskussion.
Die zentrale Frage im Deutschen Reich drehte sich darum, was den größeren Sammlungswert hat, die deutsche oder französische Kunst. Beide wurden gegeneinander ausgespielt. Aber auf diese Polarisierung ließ sich Pauli nicht ein. Er begann systematisch zu sammeln, vor allem französische Avantgarde.

1910 gelang mit Hilfe des potenten Freundeskreises der Ankauf von Vincent van Goghs Gemälde „Mohnfeld“ (1889).
Zwar wurde in Paulis Vertrag für die Kunsthalle hineingeschrieben, dass er sich nicht zu sehr dem allzu Modernen zuwenden solle; doch das beeindruckte ihn nicht. Pauli scherte aus, mit Strategie, taktischer Finesse und doppeltem Boden.
Einige der wohlhabenden Kaufleute und Kunstsammler Bremens scharte der Museumsdirektor um sich; Sie sicherten seine Position. Diese Handvoll Förderer war zu großem Geld gekommen, weil sie ihren Handel geschickt ausweiten konnten. Sie profitierten von deutschen Kolonien und der allgemein anziehenden Nachfrage nach Gütern, die über Bremen nach Deutschland kamen.
Mit dem Reichtum kam schnell der Wunsch nach Distinktionsgewinn. Kunst war dafür das richtige Instrument und Gustav Pauli der begnadete Dirigent zum Nutzen der Kunsthalle. Sie konnte mit ihrer Lage weit weg von Berlin unauffälliger agieren, als seine Kollegen in der Hauptstadt.
In Berlin hatte Kaiser Wilhelm II dafür gesorgt, das Hugo von Tschudy, dem Leiter der Nationalgalerie, administrative Handschellen angelegt wurden. Sie sollten ihn daran hindern, weiter französische statt deutscher Kunst zu kaufen. Bremen dagegen agierte unter dem hauptstädtischen Radar.
Bevor der Bürgermeistersohn Pauli die Kunsthalle übernahm, hatten Kunsthändler und regionale Künstler die Ausstellungen organisiert. Das änderte sich nun schlagartig. Pauli verkaufte schwache Werke oder füllte mit ihnen das Depot und baute die Kunstvermittlung als einen Pfeiler seiner Lobbyarbeit für die moderne Kunst aus.

Weniger als 10.000 Mark musste die Kunsthalle Bremen 1905 für Gustav Courbets „Brandungswelle“ (1869) bezahlen.
„Je populärer das Museum ist, umso leichter wird man öffentliche und private Mittel zu seiner weiteren Entwicklung gewinnen“, hatte Pauli schnell erkannt. Sein Hauptfeind war der lokale Künstler und Rubens-Epigone Arthur Fitger. Der attackierte Pauli in der Lokalpresse scharf. Ein Kunsthallenstreit folgte auf den nächsten, bis 1902 auch überregional auf die Bremer Kunsthalle geschaut wurde.
Paulis politisches Modell des Freundeskreises funktionierte dennoch weiterhin. Der Bremer Leopold Biermann, Sohn eines Bremer Zigarettenfabrikanten, sammelte auf Anregung Paulis Werke von Gustav Courbet, Vincent van Gogh und Max Liebermann. Und Alfred Walter Heymel, einer der Fortschrittlichsten Sammler Deutschlands hatte seine Schwerpunkte bei Henri de Toulouse-Lautrec und Edgar Degas. Die „Tänzerin“ von Degas war denn auch das erste moderne französische Bild der Sammlung.
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Der 1904 geründete Freundeskreis „Die goldene Wolke“ war Paulis starke Festung in der Brandung, weil er mit seinem Geld für die neue Kunst einstand. Das beeindruckte viele andere, die diese Kunst für minderwertig hielten. Aber wenn dafür Patrizier Geld ausgeben, dann musste das wohl doch schon etwas sein. Eine einfache Mechanik, die bis zum Ankauf von van Goghs „Mohnfeld“ im Jahr 1910 funktionierte. Danach begannen die Anfeindungen erneut.
Es wurde gestritten, vor Gericht geklagt und gejammert: Was das denn für Kunst sein soll? Sogar Intrigen wurden lanciert, damit die Kunsthalle wieder mehr deutsche Kunst kauft.
1913 hatte sich Pauli endgültig gegen alle Widersacher durchgesetzt; ein „neuer Typus des modernen Galerieleiters“ war mit ihm geboren, attestierte der Kritiker Karl Scheffler. Der geschmacksbildende Kurator begann die deutschen Museen zu dominieren. Dann wurde Pauli von der Hamburger Kunsthalle abgeworben, um die Nachfolge des legendären Alfred Lichtwark anzutreten.
Personen schreiben Geschichte, nicht Strukturen

Der erste Weltkrieg beendete diese für Bremen neue Epoche des Aufbruchs in die Avantgarde. Mit dem Niedergang der Wirtschaft konzentrierten sich die Bremer Sammler auf ein anderes Sammelgebiet, auf Papierarbeiten. Vorher aber wurde gekauft, was gut und oft auch teuer war. Von Gustav Courbet 1905 die „Brandungswelle“ für weniger als 10.000 Mark; von Claude Monet 1906 das ganzfigurige Bildnis seiner Lebensgefährtin „Camille“ für 50.000 Mark, für 21.000 Mark Eduard Manets „Bildnis des Zacharie Astruc“ von 1908.
Ankäufe von Werken Pissarros, Renoirs und Gaugins folgten bis es zum Erwerb des Mohnfeldes von van Gogh kam, für 30.000 Mark. Nun strahlt die Epoche der großen französischen Kunst wieder für einige Monate aus dem kleinen Bremen. Sie zeigt: Es sind nicht Strukturen, sondern Personen, die Geschichte schreiben.
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