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GastkommentarNeue KI-Ära kann beginnen

Weil KI-Modelle enorm an Wert verlieren, entstehen ungeahnte Optionen für Wirtschaft und Verwaltung. Die neue Bundesregierung kann entscheidend helfen, meint Jonas Andrulis. 25.02.2025 - 07:49 Uhr Artikel anhören
Der Autor ist Gründer und Chef von Aleph Alpha. Foto: GETTY IMAGES /PR

Deutschland hat gewählt, und wie auch immer sich die Parteien in den nächsten Wochen einigen werden – der neuen Bundesregierung bietet sich eine Riesenchance: Sie kann dazu beitragen, Unternehmen und Behörden eine neue Stärke, Souveränität und Verantwortung im Umgang mit Technologie und vor allem Künstlicher Intelligenz zu geben. Diese Chance bleibt nur noch einen Augenblick offen.

Spätestens seit dem Siegeszug der Internetgiganten ist die Strategie der großen Tech-Unternehmen kein Geheimnis mehr: Sobald ein neuer Markt entsteht, gilt es, mit maximalem Ressourceneinsatz eine frühe Dominanz zu sichern. Effizienz und Compliance spielen eine untergeordnete Rolle.

Durch „Blitzscaling“ erkaufen sich Firmen eine Vormachtstellung, bevor der Markt ausgereift ist

Dieses Vorgehen wird als „Blitzscaling“ bezeichnet: Unternehmen „erkaufen“ sich eine Vormachtstellung, bevor der Markt ausgereift ist. Später profitieren sie von technologischen Vorsprüngen, Netzwerk- und globalen Skaleneffekten, während hohe Wechselkosten potenzielle Konkurrenten abschrecken. Sobald die Marktführerschaft gesichert ist, steigen die Preise, und erst dann werden Prozesse optimiert.

Komplexe Systeme lassen sich jedoch nicht beliebig multiplizieren, ohne dass Probleme auftreten. Die Geschichte zeigt, dass die Qualität unter den hohen Wachstumsraten leidet, die Unternehmenskulturen durch schnelles Personalwachstum überfordert werden und die Effizienz in einem solchen Hypergrowth-Modus nicht auf einem nachhaltigen Niveau gehalten werden kann.

Beispiele aus der Vergangenheit verdeutlichen die Grenzen dieser Strategie: Das US-Unternehmen WeWork funktionierte gut, solange es auf ausgewählte Standorte und vorsichtiges Wachstum setzte. Doch um aggressive Expansionsziele zu erreichen, mussten hohe Kosten und suboptimale Standorte in Kauf genommen werden – mit bekanntem Ausgang: Im November 2023 meldete WeWork in den USA Insolvenz an. Auch das Wettrennen um E-Scooter in Innenstädten verdeutlichte, dass ein rasanter Markteintritt nicht automatisch ein tragfähiges Geschäftsmodell bedeutet.

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Digitale Geschäftsmodelle schienen zunächst perfekt für Blitzscaling geeignet, da sie nicht den physischen Einschränkungen traditioneller Unternehmen unterliegen. Künstliche-Intelligenz-Modelle (KI) beispielsweise benötigen auf den ersten Blick nur Rechenleistung und Daten – beides lässt sich mit Kapital beschaffen.

Ein zwei Jahre altes KI-Sprachmodell gilt heute als überholt und hat kaum noch Wert

Inzwischen setzt sich allerdings eine realistischere Einschätzung durch: Trotz massiver Investitionen haben selbst die führenden KI-Unternehmen Mühe, Geschäftsmodelle zu finden, die die hohen Kosten amortisieren. Die Idee von OpenAI, eine starke KI zu entwickeln und diese dann selbst nach einem Geschäftsmodell zu fragen, hat sich vielleicht als weniger durchführbar erwiesen als erhofft.

Gastkommentar

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Ein wesentliches Problem: KI-Modelle verlieren rasend schnell an Wert. Während Software von vor zwei Jahren oft noch einen hohen Wert hat, ist ein zwei Jahre altes Sprachmodell bereits überholt – bei Entwicklungskosten in Millionenhöhe eine ernüchternde Rechnung. Jüngste Entwicklungen, etwa die Veröffentlichung neuer Modelle wie Deepseek, zeigen, dass auch Architekturinnovationen den Wertverlust weiter befeuern. Unternehmen und staatliche Akteure haben erkannt, dass die besten Modelle von heute oft schon nach wenigen Monaten veraltet sind.

Dadurch hat sich eine frühe Annahme geändert: Zu Beginn der KI-Welle schien es, als seien Unternehmen und Behörden zwangsläufig von den größten Anbietern abhängig, weil deren Investitionen uneinholbar schienen. Doch heute ist klar: Der Vorsprung, den sich die Tech-Giganten mit Milliarden erkauft haben, ist flüchtig. Was heute nur mit teuren Closed-Source-Modellen machbar erscheint, wird bald unabhängig, kostengünstig oder sogar kostenlos möglich sein.

Da diese Modelle auch in ihren neusten Versionen nur Muster aus den Trainingsdaten reproduzieren, ohne eigene neue Erkenntnisse zu generieren, ist es umso entscheidender, das Wissen und die Erfahrung unserer Unternehmen und der Verwaltung souverän zu erhalten.

Erstmals erleben wir eine technologische Revolution, deren Erstinvestitionen nicht wertbeständig sind. Es entstehen ungeahnte Optionen für Unternehmen und Verwaltungen.
Jonas Andrulis

Um von dieser Innovationswelle zu profitieren, müssen Unternehmen und Behörden langfristig denken. Die Transformation großer Organisationen dauert Jahre – Systeme müssen so gestaltet werden, dass sie flexibel für neue Modelle, Agenten und Innovationen bleiben.

Erstmals erleben wir eine technologische Revolution, deren Erstinvestitionen nicht wertbeständig sind. Das eröffnet neue Handlungsspielräume, der „Second-Mover Advantage“ war noch nie so groß. Es entstehen ungeahnte Optionen für Unternehmen und Verwaltungen jenseits der Abhängigkeit; die souveräne Lösung ist nur wenige Monate hinter der neuesten Forschung – ein geringer Preis für eine starke Position nach dieser Transformation.

Diese Chance müssen wir jetzt nutzen: Die nächste Bundesregierung kann hier einen entscheidenden Wendepunkt einleiten – für die Verwaltung, aber auch für die Unternehmen in Deutschland. Die KI-Ära kann souverän werden.

Verwandte Themen Jonas Andrulis Deutschland WeWork Aleph Alpha Künstliche Intelligenz OpenAI

Der Autor:
Jonas Andrulis ist Gründer und Chef von Aleph Alpha.

Mehr: Agent im Auftrag der Künstlichen Intelligenz – Wie das Silicon Valley mit KI Geld verdienen will

Erstpublikation: 24.02.2025, 04:08 Uhr.

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