Sondervermögen: Wie die Milliarden Deutschland nach vorne bringen würden

Was für eine Wende. Auf einmal ist das Geld da. Das Sondervermögen für Energienetze, Kitas, Schulen, Straßen, Schiene, Krankenhäuser klingt massiv: 500 Milliarden. Das ist viel Geld. Entscheidend wird nun aber sein, wie dieses Geld wirklich Wirkung entfaltet.
Ohne tiefgreifende strukturelle Änderungen wird selbst die größte Summe verpuffen. Am Beispiel der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen zeigt sich, dass viel Geld erst mal nur viel Geld ist: Alleine in der letzten Legislaturperiode hat der Bund 16 Milliarden Euro dafür ausgegeben – mit überschaubarem Ergebnis.
Es wäre deshalb verantwortungslos, einfach mehr Geld in die bestehenden Strukturen zu geben. Der Beschluss des Sondervermögens muss einhergehen mit tiefgreifenden Reformen der öffentlichen Verwaltung. Eine Staatsreform ist notwendig, damit das Sondervermögen seine Ziele erreicht.
Gleichzeitig sehen wir, dass das beschlossene Sondervermögen eine große Chance bietet, weil es neben dem bestehenden Haushalt läuft. Man muss im ersten Schritt nicht gleich alles umkrempeln. Das Sondervermögen kann exemplarisch zeigen, wie der Staat von morgen funktionieren kann.
Das Sondervermögen sollte an politische Ziele gekoppelt werden
Ein Anfang wäre, das Sondervermögen an Wirkungsziele zu koppeln. So wird aus viel Geld auch viel Wirkung. Es muss zuerst geklärt werden: Was sollen die „Krankenhausinvestitionen“ erreichen? Die Bettenkapazität ausbauen? Reaktions- und Wartezeiten reduzieren? Was wollen wir mit den „Investitionen in die Energieinfrastruktur“ bewirken? Eine autarke Energieversorgung? Klimaneutralität?
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Das Sondervermögen soll eine Infrastruktur finanzieren, die zu den Bedürfnissen der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft im Jahr 2050 passt. Diese strategische Vorausschau kann nur aus der gemeinsamen Expertise von Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft gelingen.
Wenn der Bund aber gar kein Rechnungswesen hat, um Infrastrukturinvestitionen und Investitionsstau bilanziell abzubilden, droht eine Willkür in der Allokation. Deshalb sollte das Sondervermögen direkt als doppischer Haushalt aufgestellt werden, der sämtliche Vermögenswerte und Schulden in der Bilanz abbildet und einen realitätsnahen Infrastrukturverbrauch darstellt. Durch das Erfassen von Abschreibungen wird so sichtbar, wann welche Infrastruktur erneuert werden muss.
Ein weiterer Vorschlag wäre, dass das Bundeskabinett politische Ziele setzt – und die Abteilungen und Referate der Ministerien müssen pitchen, wie ihre Maßnahmen auf die politischen Ziele einzahlen.
Wenn etwa das Ziel ist, dass 500.000 mehr Jugendliche eine Ausbildung abschließen, dann gehen die Haushaltsmittel an die Abteilungen, die die überzeugendsten Maßnahmen dafür vorlegen. Das fördert die Kooperation und vermeidet Doppelstrukturen. Förderprogramme, die auf das gleiche Ziel einzahlen, werden zusammengelegt.
Die Milliarden wirken nur mit weniger Bürokratie
Aber Ziele reichen nicht aus. Wenn Milliarden in das bestehende System gegossen werden, müssen Unternehmen, Organisationen und Kommunen sich wieder ins Bürokratiedickicht begeben, um an die Gelder überhaupt heranzukommen. Das gilt auch für die Beschaffung, etwa im Verteidigungsbereich. Wenn die finanziellen Mittel aufgrund der Bürokratie nicht abgerufen werden, bleibt der erwünschte Effekt aus.
Das Sondervermögen bietet die Chance, hier eine leichte Bürokratie vorzumachen: Pauschalen und Einzelfallprüfungen auf Missbrauchsverdacht, mehr Vertrauen und weniger Genehmigungspflichten, keine detaillierten Auflagen und Berichtspflichten – stattdessen eine Steuerung über Ziele und eine höhere Haftung.
Gleichzeitig kann erprobt werden, wie eine bessere Finanzierung der Kommunen aussehen könnte. Die vielen Förderprogramme zeigen die Ineffektivität des Systems: Die Kommunen mit dem meisten Finanzbedarf haben oft gar nicht das Personal, Anträge für Förderprogramme zu schreiben und den Bürokratieaufwand auf sich zu nehmen.
Um die schlechte Finanzlage vieler Kommunen zu verbessern, muss auch die Art, wie die Gelder zwischen Bund, Ländern und Kommunen verteilt werden, reformiert werden. Den Kommunen sollten mehr Steuergelder, etwa durch Teile der Umsatzsteuer, direkt zugewiesen werden. Eine Reform des Finanzausgleichsgesetz kann mit dem Sondervermögen getestet werden.
Damit wird deutlich: Nach dem politischen Mut, auf der Einnahmenseite jetzt große Schritte zu unternehmen, braucht es den gleichen Mut für staatliche Reformen, um grundsätzlich zu reformieren, wie der Bund Geld ausgibt. Es geht nicht um weniger Staat, es geht um einen besseren Staat.
Deswegen muss wie das Sondervermögen auch die Staatsreform zur politischen Priorität erklärt werden. Sie muss als zentrales Ziel in den Koalitionsvertrag und danach institutionell verankert werden, mit einem Minister oder einer Ministerin am Kabinettstisch – sonst meint es die künftige Regierung Merz nicht ernst mit der Botschaft, die das Sondervermögen sendet.
Die Autoren:


Philipp von der Wippel ist Gründer der zivilgesellschaftlichen Organisation Project Together.
Arne Treves ist Mitglied des Führungsteams von Project Together.





