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KommentarDie alte Weltordnung ist schon verloren

Während Xi und Trump wohl in Südkorea sprechen, verschieben sich die globalen Ströme. China richtet seine Wirtschaft neu aus – die Entkopplung vom Westen ist längst Realität.Martin Benninghoff 27.10.2025 - 15:36 Uhr
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Donald Trump und Xi Jinping 2017. In der Beziehung zwischen den USA und China ist etwas dauerhaft zerbrochen. (Photo by Nicolas ASFOURI / AFP) Foto: AFP

Es klang wie eine wütende Kampfansage: „Wir wollen mit allen zusammenarbeiten, auch mit den USA, aber sie wollen das nicht“, sagte mir ein Shanghaier Ökonom vor wenigen Tagen bei einem Termin ins Gesicht. „Wir wollen mit Europa, Japan und Südkorea kooperieren, doch sie alle folgen den USA.“

Ein seltener Moment direkter Konfrontation: Die stille Bewunderung für Washington, das wird vor Ort immer wieder deutlich, ist bei den chinesischen Eliten einer Abwehr gewichen, die nur mühsam mit einem Pokerface überspielt wird. Etwas ist dauerhaft zerbrochen. China, das neuerdings vor Kraft und Rücksichtslosigkeit kaum laufen kann, hat selbstverständlich seinen Anteil an dieser Zuspitzung.

So freundlich die Bilder am Donnerstag auch wirken mögen, wenn Xi Jinping und Donald Trump am Rande des Apec-Gipfels in Südkorea zusammentreffen sollten: Sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die alte Weltordnung bröckelt – und längst lawinenartig den Berg herunterrollt. Der Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften ist kaum noch zu stoppen, selbst wenn es Zugeständnisse geben sollte. Im Hintergrund läuft ein politisches Programm: das Ringen um den Status als Weltmacht Nummer eins.

Die Spuren dieser Entwicklung zeigen sich längst im Alltag. Chinas Exporte in die USA sinken, während der Handel mit dem Süden und Osten rapide wächst. Zentralasien, der Nahe Osten, Südamerika, Südostasien und Afrika werden zu neuen Wachstumsmärkten. Dort sucht Peking Absatz, Ressourcen und politische Verbündete. Lieferketten werden verlegt, Häfen, Pipelines und Datenrouten gebaut; nicht als Rückzug, sondern als strategische Umlenkung: weg von westlicher Abhängigkeit, hin zur Selbstversorgung.

Asien

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Damit sorgt China vor, wenn die US-Regierung, wie angekündigt, tatsächlich die Zölle um zusätzliche 100 Prozent erhöhen sollte, aufbauend auf den bestehenden Zöllen. Natürlich ist ein solches Niveau für chinesische Exporteure kaum zu ertragen, auch wenn manche Produkte so ramschgünstig sind, dass sie selbst mit solchen Aufschlägen noch halbwegs wettbewerbsfähig sein könnten. Doch auf solche Rechenspiele lässt sich auch in China keiner ein – lieber wird vorgesorgt und in andere Weltregionen geliefert. Sicher ist sicher.

Und daran wird sich so schnell auch nichts mehr ändern, auch  dann nicht, wenn Trump und Xi am Donnerstag ein weiteres Zollmoratorium verkünden, Xi Chinas Sojabohnen-Boykott abschwächt, sich Trump handzahm zeigt und Xi Besserung bei den restriktiv gehandhabten Exporten von seltenen Erden verspricht. Es ist auch möglich, dass China und die USA ihre gegenseitigen Hafengebühren reduzieren oder gar abschaffen – was aus Sicht der Globalisierung alles wünschenswert wäre.

Ernüchterung statt Bewunderung

Am Befund allerdings ändert das alles nichts: Niemand weiß, wie lange eine Zolleinigung dieses Mal hält. 24 Stunden? Oder 24 Tage? Wochen? Niemand weiß, wie viel Zeit vergeht, bis Chinas Führung wieder neue Maßnahmen einführt, die Trump verärgern, und umgekehrt. Der Dissens um geopolitische Fragen wie Taiwan oder Chinas Unterstützung für Russland im Ukrainekrieg bleibt ohnehin bestehen.

Für Chinas Führung gibt es deshalb nur einen logischen Schluss: Was zählt, sind Planbarkeit und Kontrolle. Die Bewunderung für den „Businessman“ Trump, die in China durchaus spürbar war zu Beginn seiner zweiten Amtszeit, ist allgemeiner Ernüchterung gewichen und reicht nur noch bis zum nächsten Tweet des erratischen Präsidenten.

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Diese Erkenntnis ist auch für Europa wichtig. Die Zeiten, in denen China als Wachstumsmotor galt, sind vorerst vorbei – eine Lehre, die sich weithin durchgesetzt haben dürfte. Was ungleich schwieriger zu akzeptieren ist: Die EU muss in einer Welt bestehen, in der China Märkte abschirmt und Rohstoffe noch stärker als geopolitisches Druckmittel einsetzt, die USA protektionistischer werden und andere Regionen aufsteigen.

Was daraus folgt? Europa darf nicht zusehen, wie die tektonischen Platten der Weltwirtschaft neu verschoben werden, sondern muss seine eigene Rolle definieren; als eigenständiger Akteur, nicht als Zuschauer des US-China-Konflikts. Wenigstens dabei hat der wütende Shanghaier Ökonom nicht unrecht.

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