Kommentar: Thyssen-Krupp lässt TKMS los – aber nicht wirklich

Der Börsengang von Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) wird als Schritt in Richtung Unabhängigkeit gefeiert. Doch bei näherem Hinsehen offenbart sich: Loslassen sieht anders aus. Die Marinesparte mag formal börsennotiert werden, in Wahrheit aber bleibt TKMS an die Essener Zentrale gebunden. Finanzierungsdetails und Governance-Struktur sind so gestaltet, dass der Mutterkonzern die Kontrolle behält.
Auf der außerordentlichen Hauptversammlung meldeten Aktionäre daher deutliche Kritik an. Zwar soll TKMS formal eigenständig agieren, doch der Aufsichtsrat wird mehrheitlich mit Vertretern der Mutter besetzt, inklusive Thyssen-Krupp-Vorstand Volkmar Dinstuhl als Vorsitzender. Für Investoren, die auf eine unabhängige Unternehmensführung setzen, ist das alarmierend: Das Schiff mag vom Dock gelöst sein, doch die dicken Trossen an der Konzernpier sind geblieben – so äußerte sich ein Aktionärsvertreter.
Zudem bleibt unklar, wie die durch den Börsengang freigesetzten Mittel verwendet werden. Kritische Stimmen befürchten, dass das Kapital primär der strategischen Handlungsfähigkeit von Thyssen-Krupp zugutekommt, statt TKMS selbst echten Spielraum zu verschaffen. Für Minderheitsaktionäre bleibt die Frage: Wer profitiert tatsächlich?
Welche Chance Thyssen verpasst hat
Der Börsengang hätte die Chance geboten, TKMS als eigenständigen europäischen Player zu etablieren – gerade angesichts der geopolitischen Notwendigkeit, industrielle Souveränität und technologische Unabhängigkeit von den USA aufzubauen. Stattdessen entsteht der Eindruck eines kontrollierten Ausstiegs: Marktchancen sollen wahrgenommen werden, strategische Entscheidungen könnten unter der Ägide der Konzernmutter bleiben.
TKMS ist damit ein Spin-off mit angezogener Handbremse – für die Märkte elegant verpackt.
Erstpublikation: 20.10.2025, 14:59 Uhr.