Impulspapier WWF: Fünf Lösungen, mit denen die Finanzpolitik dem Klimaschutz dienen kann

Nach den Vorstellungen von WWF und FÖS muss die Verkehrsinfrastruktur nutzungsabhängig finanziert werden. Daher empfehlen sie die Einführung einer Pkw-Maut.
Berlin Die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung lassen sich nach Überzeugung der Umwelt- und Klimaschutzorganisation WWF nur erreichen, wenn es einen Kurswechsel in der Finanzpolitik gibt. Erforderlich sei eine „Klima-Finanzpolitik“, sagte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz beim WWF Deutschland, dem Handelsblatt.
„Es geht dabei nicht allein um den Ab- und Umbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen; das ist zwar ein wichtiger Aspekt. Es muss darüber hinaus aber gelingen, das Steuersystem auf eine nachhaltige Staatsfinanzierung auszurichten, die Transformation befördert“, ergänzte sie. In den Wahlprogrammen der Parteien gebe es in dieser Hinsicht „viele Leerstellen“.
In einem noch unveröffentlichten Impulspapier, das dem Handelsblatt vorliegt, hat der WWF gemeinsam mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) seine Vorstellungen skizziert. Die fünf wichtigsten Punkte im Überblick.
1. Weiterentwicklung der CO2-Bepreisung
Die Höhe der CO2-Bepreisung im europäischen Emissionshandel in den Sektoren Energien und Industrie sowie im nationalen Preissystem für die Sektoren Gebäude und Verkehr reicht nach Überzeugung der Autoren des Impulspapiers nicht aus. Sie fordern „ambitioniertere Preispfade“ und wollen die Gewährung von Ausnahmen überprüfen, ebenso die Zuteilung kostenloser Zertifikate. Zumindest im Ansatz verfolgen auch die Grünen dieses Ziel. Sie wollen die CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Gebäude schneller steigen lassen als nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz bislang vorgesehen; außerdem sprechen sie sich für einen Mindestpreis im Emissionshandelssystem aus.
2. Nachhaltige Staatsfinanzierung
Die Verkehrsinfrastrukturfinanzierung soll von der Steuer- auf eine Nutzerfinanzierung umgestellt werden. Gefordert wird deshalb „eine Ausweitung der erfolgreich erprobten Lkw-Maut auf Pkws“. Dahinter steckt die Überlegung, dass sich mit einer fortschreitenden Elektrifizierung die Einnahmen aus der Benzin- und Dieselbesteuerung reduzieren, obwohl auch E-Autos die vorhandenen Straßen, Brücken und Tunnel nutzen.
Doch WWF und FÖS sehen noch an ganz anderen Stellen erheblichen Reformbedarf, um eine nachhaltige Staatsfinanzierung dauerhaft sicherzustellen: „Digitale Technologien verändern ganze Wirtschaftszweige und Konsumstile, neue und dezentralere Arbeitsmodelle werden zunehmend üblich. All das hat Auswirkungen auf die staatlichen Einnahmen und erfordert eine Prüfung und Neubewertung der großen Steuerarten wie Einkommen-, Umsatz- und Mehrwertsteuer“, schreiben sie.
Das Steuersystem müsse „anpassungsfähig sein, um auch in Zukunft zuverlässig Einnahmen zu generieren“. Flächenverbrauch, Luftverschmutzung oder Stickstoffüberschüsse sollten mit Steuern adressiert werden.
3. Abbau klimaschädlicher Subventionen
Die Autoren plädieren dafür, die vom Umweltbundesamt mit jährlich 57 Milliarden Euro bezifferten klima- und umweltschädlichen Subventionen abzubauen. Das werde zwar seit Jahren in Aussicht gestellt, nennenswerte Fortschritte habe es bislang aber nicht gegeben. „Sinnvoll ist dabei zunächst ein Blick auf das jeweilige Emissionsminderungspotenzial“, heißt es in dem Papier.
Gleichzeitig müsse der Umbau sozialverträglich gestaltet werden, klimaschonendes Verhalten müsse vom Staat durch Förderinstrumente unterstützt werden. „Allein die zehn klimaschädlichsten Subventionen haben zusammen ein Finanzvolumen von 45 Milliarden Euro. Ihr Abbau könnte fast 100 Millionen Tonnen CO2 sparen.“ Die Bundesregierung müsse daher einen konkreten Plan für den Abbau aller klimaschädlichen Subventionen bis 2025 vorlegen.
4. Öffentliche Investitionen erhöhen
Die öffentliche Hand muss ihre Investitionen nach den Vorstellungen der Autoren nicht nur erhöhen, sondern zugleich stärker an den Erfordernissen des Klimaschutzes ausrichten. Investitionen in Aus- und Weiterbildungsprogramme, Forschungs- und Digitalisierungsoffensiven seien „gut angelegtes Geld“, das auch dabei helfe, Verschiebungen am Arbeitsmarkt – etwa durch die Umstellung vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität – auszugleichen.
„Bleiben die Zukunftsinvestitionen aus, riskieren wir die wirtschaftlichen Chancen zukünftiger Generationen und die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen“, heißt es in dem Impulspapier. „Eine Modernisierung der Schuldenbremse wäre entsprechend zu prüfen, falls sie in ihrer aktuellen Ausgestaltung die notwendigen Investitionen verhindert.“
5. Private Investitionen mobilisieren
Die Verfasser des Impulspapiers sind davon überzeugt, dass mit Blick auf die erforderlichen Emissionsreduktionen „noch große Innovationssprünge zu erreichen sind und überzeugende technische Lösungen erst noch entwickelt oder marktfähig gemacht werden müssen“. Bei der Dekarbonisierung vieler Industrieprozesse bewegten sich die Akteure aber in vielen Fällen in einem noch nicht funktionierenden Marktumfeld. Ein CO2-Grenzausgleich könne in diesem Zusammenhang hilfreich sein.
Außerdem könne der Staat als „Investor erster Instanz“ dabei helfen, private Investitionen zu mobilisieren. Dies könne zum Beispiel über zielgerichtete Investitionen in die Forschung sowie die Förderung erster Anwendungen und Demonstrationsprojekte passieren. „Im Sinne der Gesellschaft übernimmt der Staat hier anteilig Kosten und Risiken und ebnet den Weg dafür, dass marktfähige Lösungen entwickelt werden können.“
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