Smartlaw-Urteil Verträge aus dem Computer: Anwalt als Betreiber ist unnötig

Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe eines digitalen Rechtsdokumentengenerators ist keine unlautere Handlung, entschied der Bundesgerichtshof.
Berlin Erstellen Firmen mit programmierter und im Internet bereitgestellter Software Vertragsdokumente mit den Vorgaben der Nutzer, dann ist das rechtens. Ein zugelassener Rechtsanwalt ist für den Betrieb eines solchen Vertragsgenerators nicht nötig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag entschieden (Az. I ZR 113/20). Demnach handelt es sich beim automatisierten Erstellen von Rechtsdokumenten über eine Software um keine unerlaubte Rechtsdienstleistung.
Konkret ging es um den Vertragsgenerator „Smartlaw“, der mit den Daten der Nutzer zum Beispiel Miet- und Kaufverträge oder Vollmachten erstellt. Er wird vom juristischen Fachverlag Wolters Kluwer angeboten, der keine Zulassung zur Anwaltschaft hat.
Die Kunden schließen entweder ein Abonnement ab oder tätigen einen Einzelkauf. Hierzu werden dem Nutzer verschiedene Fragen gestellt, die er – überwiegend im Multiple-Choice-Verfahren – beantworten muss. Anhand der Antworten werden mithilfe einer Software aus einer Sammlung von Textbausteinen Vertragsklauseln generiert, die zu einem Vertragsentwurf zusammengestellt werden.
Dagegen hatte die Hanseatische Rechtsanwaltskammer geklagt. Sie sieht in der digitalen Erstellung eines individuellen Vertragsdokuments eine wettbewerbswidrige Rechtsdienstleistung. Der Standpunkt: Nur Anwälte dürfen eine rechtliche Prüfung im Einzelfall vornehmen. Vor dem Landgericht Köln bekam die Kammer zunächst recht.
Die Karlsruher Richter entschieden nun, die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe des digitalen Rechtsdokumentengenerators sei zulässig, also keine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Denn der Internetanbieter werde nicht „in einer konkreten Angelegenheit des Nutzers“ tätig.
Nutzer erwartet keine rechtliche Prüfung
Smartlaw habe die Software auf der Grundlage von denkbaren typischen Sachverhaltskonstellationen programmiert, zu denen es im Vorgriff auf die vorgegebenen Antworten standardisierte Vertragsklauseln entwickelt habe.
In einer Erklärung des Bundesgerichtshofs hieß es: „Die über den üblichen Fall hinausgehenden individuellen Verhältnisse des Anwenders finden – ähnlich wie bei einem Formularhandbuch – bei der Erstellung des Vertragsdokuments keine Berücksichtigung.“ Der Nutzer erwarte daher auch keine rechtliche Prüfung seines konkreten Falls.
Das Urteil trägt zur weiteren Umwälzung des deutschen Rechtsmarkts bei. Schon zuvor hatte der Bundesgerichtshof im Falle des Portals „wenigermiete.de“ zur Durchsetzung der Mietpreisbremse im Jahr 2019 ein Grundsatzurteil zu automatisierten Rechtsdienstleistungen gefällt. Umstritten war, ob und in welcher Form die Legal-Tech-Anbieter, die auf Grundlage einer Inkassolizenz tätig sind, agieren dürfen. Die Richter erklärten seinerzeit die Tätigkeiten der Anbieter für zulässig (Az. VIII ZR 285/18).
Sie können Provisionen oder Erfolgshonorare vereinbaren und sogar als Prozessfinanzierer auftreten. Verbraucher trauen sich so, auch bei niedrigen Streitwerten ihre Forderungen gegen große Konzerne oder den Staat geltend zu machen – ohne ein Kostenrisiko tragen zu müssen.
Gerade erst entschied der Bundesgerichtshof, dass diese Anbieter Ansprüche auch massenhaft in Sammelklagen wie im Dieselskandal bündeln und finanzieren dürfen (Az. II ZR 84/20).
Zuletzt hatte der Bundestag ein Legal-Tech-Gesetz beschlossen, das ab Oktober gilt. Es legt fest, was der Gesetzgeber als Inkasso wertet. Legal-Tech-Anbieter müssen nun bei der Registrierung als Inkasso-Unternehmen höhere Anforderungen erfüllen und werden Informationspflichten unterworfen.
Um der Anwaltschaft den Wettbewerb mit Legal Tech zu erleichtern, wird Anwälten in bestimmten Fällen ein Erfolgshonorar erlaubt. Das Verbot der Prozessfinanzierung wird allerdings nicht gelockert.
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