Sportkonzerne in der Coronakrise Doppeltes Drama: Adidas und Nike müssen Läden schließen und auf Events verzichten

Der Sportkonzern muss seine Läden in vielen Ländern dichtmachen.
München Die Bauarbeiter auf dem Campus von Adidas können einen Gang zurückschalten. Ursprünglich sollte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Juni ein Gästehaus beziehen, das für sie erst errichtet wird. Wegen des Coronavirus findet die Europameisterschaft nun aber erst nächstes Jahr statt – und die Handwerker auf dem weitläufigen Gelände des Sportkonzerns in Herzogenaurach haben üppig Zeit.
Dass die Fußballstars den „Home Ground“, wie Adidas den Komplex nennt, erst einmal gar nicht nutzen werden, kann Vorstandschef Kasper Rorsted leicht verschmerzen. In der fränkischen Kleinstadt mangelt es ohnehin an Hotelbetten, und in der Übergangszeit kann er Mitarbeiter in dem Gebäude unterbringen.
Viel schlimmer für ihn ist, dass er seine Läden nicht mehr öffnen kann. Wegen des Coronavirus würden die eigenen Geschäfte in Europa und Nordamerika bis Ende des Monats geschlossen, teilte Europas größter Turnschuhhersteller mit.
Adidas folgt damit Weltmarktführer Nike sowie Wettbewerbern wie Under Armour, New Balance und Lululemon. Die nordamerikanischen Konkurrenten hatten bereits zu Wochenbeginn angekündigt, ihre Shops vorübergehend dichtzumachen. Auch kleinere Sportmarken wie der Schweizer Outdoor-Ausrüster Mammut schließen ihre Läden.
Vertriebskanäle entfallen
Das heißt: Im stationären Handel können die Labels in den Industriestaaten praktisch nichts mehr verkaufen. Denn auch der Sportfachhandel ist weitgehend lahmgelegt, und Ketten wie Foot Locker haben ihre Mitarbeiter nach Hause geschickt. In Ländern wie Frankreich und Italien gilt eine Ausgangssperre, in weiten Teilen Europas sind nur noch die Supermärkte und Apotheken geöffnet.
Damit fällt die wichtigste Vertriebsschiene der Sportfirmen weg. Der Verkaufsstopp vor Ort ist aber nicht die einzige Sorge der Marken. Ihnen fehlt inzwischen auch das Schaufenster, um ihre Shirts, Shorts und Schuhe zu präsentieren.
Denn praktisch alle westlichen Sportligen haben die laufende Saison unterbrochen. Dazu kommt: Die Fußball-Europameisterschaft wird um ein Jahr verschoben, die Olympischen Spiele in Tokio stehen auf der Kippe.
Das habe zwar erst einmal keinen großen Einfluss auf den Umsatz, meint Matt Powell, Sportexperte des Marktforschers NPD Group. Schließlich würden nur wenige Konsumenten Ausrüstung kaufen, wie sie die Profis tragen. Aber die Events und Meisterschaften garantierten den Labels Aufmerksamkeit und seien langfristig wichtig fürs Image.
Keine Fanartikel mehr
Was unmittelbar fehle, seien hingegen die Einnahmen aus dem Verkauf von Trikots und Fanartikeln, weiß Powell. Das trifft in Amerika vor allem Nike. Die USA sind der größte Sportmarkt der Welt.
Die Marke mit dem Swoosh-Logo ist Sponsor der drei wichtigsten US-Ligen im Baseball, Football und Basketball. Allerdings könnten die Unternehmen die Umsatzeinbußen abmildern, wenn der Betrieb weitergehe.
Die im Fußball führenden Marken Adidas, Nike und Puma werden auf jeden Fall spüren, dass die EM dieses Jahr nicht stattfindet. Die Trikots der Nationalmannschaften liegen längst in den Regalen der Händler, sie dürften sich nun nur noch mit großen Rabatten absetzen lassen. Genauso die Turnierbälle von Adidas.
Sollte neben der EM auch Olympia ausfallen, entgingen Adidas zwischen 50 und 70 Millionen Euro Umsatz, sagte jüngst Vorstandschef Rorsted. Das ist nicht viel bei knapp 24 Milliarden Euro Konzernumsatz. Doch nach diesen Mega-Events drängen regelmäßig die Kids weltweit in Sportvereine und Fußballklubs und beleben so massiv das Geschäft.
Analysten sehen die Sportkonzerne daher momentan skeptisch. Mit der Coronavirus-Pandemie hätten sich die Rahmenbedingungen für Adidas nicht nur in China, sondern nun auch in Europa und Nordamerika deutlich verschlechtert, urteilt Herbert Sturm von der DZ Bank.
Er gehe für 2020 nur noch von einem Umsatz auf Vorjahreshöhe aus. Die Ergebnisschätzung habe er zudem für 2020 deutlich und für die Folgejahre jeweils leicht nach unten angepasst.
Adidas-Chef Rorsted sagte vergangene Woche, allein in China könnte der Umsatz im ersten Quartal um bis zu eine Milliarde Euro wegen der Coronakrise sinken; eine halbe Milliarde Euro operativer Gewinn könnte zudem verloren gehen. In dem Land hatte der Konzern seine Läden schon im Februar geschlossen.
Wie stark die Auswirkungen auf die Sportkonzerne sein werden, ist noch völlig offen. Prognosen für die nächsten Wochen und Monate seien „unmöglich“ geworden, teilte Puma mit. Am kommenden Dienstag wird Nike die Ergebnisse seines dritten Geschäftsquartals vorlegen, das am 29. Februar endete. Der Branchenprimus ist damit der erste Sportkonzern, in dessen Zahlen sich die Folgen des Virus für das Chinageschäft widerspiegeln werden.
Das Analysehaus Cowen erwartet für den Sportartikelhersteller wegen des Coronavirus einen Umsatzeinbruch um gut ein Drittel im laufenden vierten Quartal. Damit werde Nike zwischen März und Ende Mai rote Zahlen schreiben.
Abhaken sollten Anleger die Sportbranche nicht, meinen Analysten. Das längerfristige Umsatz- und Margenpotenzial im Sportartikelmarkt sei weiterhin attraktiv, urteilt Richard Edwards von Goldman Sachs. Für die Konsumenten ist das Coronavirus derweil eine Chance, günstig an Sportausrüstung zu kommen.
Im Internet wirbt Adidas mit bis zu 50 Prozent Rabatt in seinem Onlinestore. Aus gutem Grund: Die Winter- und Frühjahrskollektionen müssen raus. Wenn die Läden wieder öffnen, stehen schon die Paletten mit der Sommerware vor der Tür.
Mehr: Valeska Benner: Nothelferin der Sporthändler in der Coronakrise.
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