Maschinenbauer Dürr-Chef Ralf Dieter tritt ab und wird Investor

„Ich werde mich alleine und mit Partnern als Investor vor allem im Maschinenbau betätigen.“
Stuttgart Beim Maschinenbauer Dürr gibt es einen Wechsel an der Spitze: Der langjährige Chef Ralf Dieter, 60, gibt zum Ende des Jahres sein Amt an seinen Stellvertreter Jochen Weyrauch, 55, ab. Intern ist das keine Überraschung: Weyrauch kümmerte sich zuletzt bereits um das Kerngeschäft, während sich Dieter der Holzverarbeitungsmaschinen-Tochter Homag im Schwarzwald annahm.
Direkt nach der Bekanntgabe des Chefwechsels am Mittwoch gab die Dürr-Aktie nur wenig nach. Am Donnerstag notierte sie dann allerdings mehr als sechs Prozent im Minus. Denn mit Dieter geht beim Weltmarktführer für Lackierroboter auch eine Ära zu Ende.
16 Jahre lang führte der Volkswirt mit großem Faible und Expertise für Digitalisierung das Unternehmen. Größter Aktionär ist mit einem Anteil von 29 Prozent immer noch die Familie von Ex-Bahn-Chef Heinz Dürr über eine Stiftung. Das Unternehmen ist seit 1990 an der Börse notiert. Der Patriarch Dürr hatte Dieter damals noch gerade rechtzeitig gefunden, um sein angeschlagenes Familienunternehmen wieder auf Kurs zu bringen.
Der damalige Chef und heutige Aufsichtsratsvorsitzende von Volkswagen, Hans Dieter Pötsch, hatte den Familienkonzern mit einem Expansionskurs überfordert und in Bedrängnis gebracht. Nachlassende Bestellungen vor allem aus der Autoindustrie sorgten für einen Liquiditätsengpass. Ungebetene Hedgefonds interessierten sich für die Industrieperle, die Commerzbank liebäugelte mit der Weitergabe der Kredite. Dieter trennte sich von Unternehmensteilen.
Um sich anfangs nicht zu verzetteln, konzentrierte er sich voll auf das Kerngeschäft mit der Autoindustrie. Mutig investierte er in den chinesischen Markt. Die Rechnung ging auf: Aus 1,4 Milliarden Euro Umsatz bei einem Verlust von mehr als 100 Millionen Euro werden wohl in diesem Jahr zwischen 3,6 und 3,8 Milliarden Euro Umsatz bei einem erwarteten Gewinn zwischen 70 und 120 Millionen Euro.
Das Vor-Corona-Niveau wird zwar noch nicht wieder erreicht, aber die Aufholjagd ist in Dieters Abschiedsjahr in vollem Gang. In den vergangenen fünf Jahren hat er das Unternehmen weiter diversifiziert – unter anderem in Richtung Holzverarbeitung, Applikationstechnik, Ablufttechnik, Batterietechnik und Medizintechnik. Auch Digitalkompetenz wurde zugekauft.
Nicht nur Dieter ist auf seine eigene Leistung stolz, auch der Aufsichtsrat bedauerte die Entscheidung des langjährigen Vorstandschefs, dessen Vertrag noch zwei Jahre gelaufen wäre. Der Werdegang des Unternehmens erscheint in noch hellerem Licht, wenn man in Betracht zieht, dass zwischenzeitlich der größte Konkurrent Eisenmann im Wettbewerb nicht mehr mithalten konnte und insolvent ging. Die Böblinger hatten Dürr zunächst mit Dumpingpreisen schwer unter Druck gesetzt, machten damit aber gigantische Verluste.
Weyrauch gilt als idealer interner Nachfolger
Seinen Nachfolger kennt Dieter schon sehr lange. „Mir war wichtig, dass das, was ich in den vergangenen 16 Jahren aufbauen durfte, auch weiterentwickelt und -geführt wird“, sagte Dieter dem Handelsblatt. Er sei schließlich auch Dürr-Aktionär, „wenn auch nur mit einem bescheidenen Anteil von 0,3 Prozent“.
Der Wirtschaftsingenieur Weyrauch gehört dem Vorstand schon seit 2017 an. Als Dieter 2005 noch Chef der damals kriselnden Dürr-Tochter Carl Schenck AG war, war auch Weyrauch im Vorstand des Auswucht- und Diagnosespezialisten. Er begann seine unternehmerische Karriere beim Autozulieferer Continental Teves; später ging er zur Turbo-Luft-Technik, die zum Anlagenbauer Babcock Borsig gehört.
Auch Dürr-Aufsichtsratschef Gerhard Federer sieht den Manager als idealen internen Nachfolger. Weyrauch erhält einen Fünfjahresvertrag. Nach dem Austritt von Dieter wird dem Vorstand der Dürr AG „bis auf Weiteres“ nur noch Dietmar Heinrich, 57, weiterhin als Finanzvorstand angehören. Nach Einschätzung eines gut informierten Beraters ist selten zuvor ein Amtswechsel so harmonisch verlaufen wie jetzt bei Dürr.
Dieter wird Dürr auch künftig in Digitalisierungsfragen beraten. Aber der passionierte Tennisspieler freut sich schon auf neue Aufgaben: „Ich werde mich allein und mit Partnern als Investor vor allem im Maschinenbau betätigen“, sagte er dem Handelsblatt. Es gebe viele Unternehmen mit Schwierigkeiten bei der digitalen Transformation, denen er mit seiner Erfahrung weiterhelfen könne. Sein Fokus liegt auf Unternehmen, die die Transformation auch in die Elektromobilität schaffen können.
„Ich bin ja bis Jahresende noch voll im Dienst bei Dürr und werde mich erst ab Jahresanfang mit möglichen Investments intensiver beschäftigen. In einigen Monaten kann ich vielleicht mehr dazu sagen“, kündigte Dieter an.
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