Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes US-Börsenaufsicht bestraft die blutleeren Versprechen
New York Elizabeth Holmes war der Shootingstar der Biotech-Branche. Ihre tragbaren Bluttests sollten den Gesundheitsmarkt revolutionieren. Mit einem kleinen Pikser für einen einzigen Tropfen sollten Kunden bis zu 70 verschiedene Bluttests durchführen können, viele Arztbesuche wären überflüssig geworden.
Tatsächlich hat die heute 34-jährige Gründerin von Theranos heimlich kommerzielle Test-Technologie gekauft und benutzt, statt die eigene, angeblich revolutionäre Technologie zu verwenden. Nun hat die US-Börsenaufsicht SEC sich mit der Theranos-Vorstandsvorsitzenden auf harte Strafen geeinigt. Hunderte Millionen an Risikokapital sind futsch.
Damit findet eine steile Karriere ein Ende. Holmes, deren Markenzeichen nicht zufällig ein schwarzer Rollkragenpullover à la Steve Jobs war, galt lange als Wunderkind der Biotech-Branche im Silicon Valley: Als Neunjährige schreibt die Tochter zweier Staatsangestellter ihrem Vater, sie wolle in ihrem Leben „etwas Neues entdecken, etwas, das die Menschheit nicht für möglich hält“. Als Jugendliche lernt sie Mandarin. Im Sommer belegt sie Kurse an der Stanford Universität und gründet ein Unternehmen, das ein Computerprogramm an chinesische Universitäten verkauft, das C++ in andere Computersprachen übersetzt.
Mit 19 das erste Patent
All das erreicht sie, noch bevor sie die High School abgeschlossen hat. Im Alter von 19 Jahren hat sie ihr erstes Patent angemeldet. 2003 brach sie ihr Ingenieurstudium an der Stanford Universität ab, um in Palo Alto ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Auf die Idee kam sie, als sie in Singapur in einem Genlabor mit Bluttests gearbeitet hatte.
Statt mit Spritzen und Röhrchen zu hantierten, sollte ein Tropfen Blut reichen. Die Tests waren zudem handlich, Holmes behauptete, dass das US-Militär sie in Krisengebieten einsetze. In ihrem Board saßen illustre Figuren wie der frühere Außenminister Henry Kissinger und der amtierende Verteidigungsminister James Mattis – allerdings lange keine Naturwissenschaftler. Sogar der Medienunternehmer Rupert Murdoch investierte in das vielversprechende Unternehmen.
Auch die große Apothekenkette Walgreens konnte Holmes überzeugen und als Investor und als Kunden gewinnen. Nach zehn Jahren war Theranos eines der wertvollsten Start-ups im Silicon Valley. Auf seinem Höhepunkt wurde es am grauen Kapitalmarkt mit fast zehn Milliarden US-Dollar bewertet. Weil Holmes die Hälfte der Theranos-Anteile besaß, führte sie das „Forbes“-Magazin zwischenzeitlich mit geschätzten 4,75 Milliarden US-Dollar Privatvermögen als reichste „Selfmadefrau der USA“. Dann kam der Betrug ans Licht.
Erste Zweifel an den Testergebnissen machten im Jahr 2015 die Runde. Es war das „Wall Street Journal“, das den Skandal aufdeckte, nachdem es mit ehemaligen Mitarbeitern gesprochen hatte. Sie fanden heraus, dass die Bluttests auf konventionellen Geräten ausgeführt wurden und nicht etwa auf den Wunder-Kits von Theranos. Holmes‘ Start-up verlor die Lizenz für Bluttests. Sie musste zahlreiche Labore schließen und rund 40 Prozent der Mitarbeiter entlassen. „Forbes“ setzte ihr Privatvermögen auf „null“, weil Theranos nun angesichts drohender Klagen quasi wertlos sei. Diese Meinung teilten offenbar nicht alle: Um die Klage eines Hedgefonds zu vermeiden, schenkte sie ihm Aktien an dem Unternehmen für einen Klageverzicht.
„Wir haben eigentlich immer gedacht, dass das, was Holmes verspricht, wissenschaftlich noch nicht möglich ist“, sagt ein Biotech-Manager im Nachhinein. „Aber es gab keine Beweise.“
Mittlerweile gibt es Beweise für den Betrug. Holmes hat bei Präsentationen vor Kunden und Investoren konventionelle Technologie benutzt, ohne dass das sichtbar war. Deshalb hat sich die Gründerin nun mit der Börsenaufsicht SEC darauf geeinigt, die Mehrheit der Stimmrechte von Theranos abzugeben. „In der Praxis heißt das, sie hat keine Kontrolle mehr über das Unternehmen“, erklärte Steven Peikin, Co-Director der Enforcement-Abteilung der SEC. Außerdem darf sie zehn Jahre lang kein anderes Unternehmen führen und muss 500.000 Dollar Strafe zahlen.
Konkret wirft die SEC Holmes und dem früheren Präsidenten Ramesh Balwani vor, von Investoren 700 Millionen US-Dollar auf der Grundlage eines „komplexen und jahrelangen Betrugs“ eingesammelt zu haben. Die falschen Aussagen über das angeblich revolutionäre Produkt hätten die Investoren überzeugt, moniert die SEC. „In Wahrheit konnte Theranos‘ Hauptanalyse nur eine kleine Anzahl an Tests durchführen.“ Der Großteil der Tests habe auf anderen Geräten stattgefunden. Auch die Behauptung, das US-Militär setzte die Theranos-Kits in Afghanistan und in Sanitäter-Hubschraubern ein, sei falsch gewesen, betont die SEC.
Lehre fürs Silicon Valley
Die Börsenaufsicht will an Holmes auch ein Exempel statuieren für andere Start-ups, die versucht sein könnten, ihre Unternehmen schönzureden und Investoren zu betrügen. Der SEC-Co-Direktor Peikin nannte die Einigung in einer Telefonkonferenz außergewöhnlich für Silicon-Valley-Standards. „Dieses Paket an Mitteln ist beispielhaft für unsere Bemühungen, maßgeschneiderte und bedeutsame Sanktionen zu verhängen, die das unrechtmäßige Verhalten direkt angehen und die den Schaden der Aktionäre am besten wettmachen.“
Peikin mahnte die Investoren, bei Start-up-Unternehmen genau hinzuschauen: „Investoren sollten Fragen stellen. Start-ups haben mehr Risiko als börsennotierte Unternehmen. Das sollte den Investoren bewusst sein“, sagte er.
Auch die regionale SEC-Direktorin Jina Choi in San Francisco meldete sich zu Wort und nannte den Fall von Holmes und Theranos eine wichtige Lektion für das Silicon Valley. „Innovatoren, die eine Industrie revolutionieren und aufmischen wollen, müssen Investoren die Wahrheit sagen, was ihre Technologie heute kann, nicht nur, was sie hoffen, was sie eines Tages kann“, stellte sie klar.
Holmes‘ Geschäftspartner, der ehemalige Präsident Balwani hat sich nicht mit der SEC geeinigt, die Behörde klagt gegen ihn nun vor dem Gericht in Nord-Kalifornien. Aber die Saga der genialen Biotech-Gründerin Elizabeth Holmes ist nun an ihrem Ende.
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