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Morning Briefing PlusDas China-Problem der Journalisten

Polizei-Anrufe, Einschüchterung, Hausbesuche: Nicht nur deutsche Unternehmen, auch unsere Korrespondenten spüren den Druck des Regimes. Dabei ist der Blick nach China unverzichtbar.Sebastian Matthes 06.12.2025 - 08:24 Uhr Artikel anhören
Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes. Foto: Handelsblatt

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen zurück zu unserem Blick auf die wichtigsten Nachrichten der Woche, den ich heute mit einem Blick nach China beginnen möchte.

Ich sprach neulich mit unserem Shanghai-Korrespondenten Martin Benninghoff, der nun seit zwei Jahren mit seiner Familie in China lebt.

Am Telefon erzählte er von seinen Recherche-Plänen, einigen Reisen und sagte dann, dass er das Gefühl habe, dass die journalistische Arbeit selbst in der kurzen Zeit, in der er nun in China lebt, deutlich schwieriger geworden sei.

Das ist eine Entwicklung, die uns allen Sorgen machen sollte. Ähnliches berichtet nämlich auch Sabine Gusbeth, die schon seit der Coronapandemie für das Handelsblatt aus Peking berichtet: Politiker äußern sich ohnehin seit einiger Zeit kaum noch gegenüber Medien.

Korrespondent Martin Benninghoff: Recherchegespräch in Chengdu. Foto: Privat

Mittlerweile aber wollen selbst Wirtschaftsvertreter und Ökonomen oft nicht mehr sprechen, weil sie Gespräche mit ausländischen Medien vom Regime teils genehmigen lassen müssen.

Ebenfalls immer komplizierter: Vor-Ort-Recherchen. Beschattung, überraschende Hausbesuche: Sabine und Martin haben gelernt, mit dieser Art der Einschüchterung umzugehen.

Und so müssen Journalisten versuchen, das System auszutricksen: Wenn sie im Land unterwegs sind, reisen sie deshalb möglichst früh zum Rechercheort, führen so viele Gespräche wie möglich am Anreisetag und checken erst am Abend im Hotel ein, da alle Gäste mit Journalistenvisum an die lokalen Behörden gemeldet werden müssen.

Die häufige Folge: Ein Anruf der Polizei. Frage nach Reisegrund und Interviewpartnern.

Und so werden Termine oft kurzfristig abgesagt oder Interviews zurückgezogen, weil Gesprächspartner von den Behörden eingeschüchtert wurden.

Überwachung unter chinesischer Flagge: Die Arbeit von Medien wird erschwert. Foto: dpa

Sogar Konferenzen werden restriktiver. Ein großes Tech-Event machte für die Akkreditierung zur Bedingung, alle Artikel vor Veröffentlichung vorzulegen, was für Handelsblatt-Reporter natürlich unverhandelbar ist. Sie veröffentlichen, was sie für richtig halten. Also fiel das Event für uns aus. Und es ließen sich viele weitere Beispiele finden.

Das wird am Ende auch für China zu einem Problem. Wenn die Arbeit von Medien behindert wird, schwindet gleichzeitig das gegenseitige Verständnis und das gegenseitige Vertrauen.

Wenn aber das Vertrauen schwindet, wachsen geopolitische Risiken. Wir erleben ohnehin schon ein Auseinanderdriften der Welt. Wenn Journalisten ihre Arbeit nicht mehr machen können, wird dieser Prozess nur noch beschleunigt.

Trotz der schwierigen Bedingungen gelingen den beiden immer wunderbare Recherchen.

Sabine berichtete für unsere Wochenendausgabe über das E-Auto-Start-up Xpeng, über das manche sagen, es sei das „bessere Tesla“. Xpeng will mit eigener Software, Robotaxis, Flugautos und Milliarden aus Peking in völlig neue Märkte vorstoßen.

Sabine Gusbeth interviewt Xpeng-Chef He Xiaopeng: Besser als Tesla? Foto: Privat

Martin war zuletzt in Taiwan unterwegs, um vor Ort zu recherchieren, wie sich die Insel vor Pekings wachsender Drohnenmacht zu schützen versucht. Denn Chinas „Volksbefreiungsarmee“ baut nicht nur auf Luftwaffe und Marine, sondern vor allem auf Drohnen, die sich günstig und flexibel einsetzen lassen.

Solche Texte, Reisen und Recherchen sind wichtig, weil China gerade für die deutsche Wirtschaft wichtig war und ist. Und auch deshalb, weil wir über eine neue Weltordnung verhandeln, in der China und die USA um die technologische Vorherrschaft ringen.

Technologie und Zukunft wird in China gemacht. Die Volksrepublik wird auch im kommenden Fünfjahresplan weiterhin voll auf seine KI- und Tech-Unternehmen setzen – sie gelten als Kern des wirtschaftlichen und politischen Wiederaufstiegs des Landes.

Bleibt zu hoffen, dass auch die Pressefreiheit in China an Bedeutung gewinnt.

Was uns diese Woche noch beschäftigt hat:

1. Eine Frage beherrschte die Debatten der Woche: Schafft Friedrich Merz die Kanzlermehrheit für das umstrittene Rentenpaket? Seit Freitag steht fest: Der Kanzler kann aufatmen, das Rentenpaket ist durch, die Zitterpartie überwunden. Doch zufrieden ist trotzdem niemand: „Es gibt viele Wege, die Zukunft des Landes zu verspielen. Union und SPD haben sich für den direktesten entschieden“, kommentiert mein Kollege Thomas Sigmund. Die ganze Rekonstruktion einer geschichtsträchtigen Abstimmung lesen Sie hier.

2. Wenn Sie noch nicht genug vom Thema Rente haben, empfehle ich Ihnen diesen Text. Meine Kollegen Barbara Gillmann und Martin Greive zeichnen in einem sehr lesenswerten Report die Chronik des angekündigten Todes einer nachhaltigen Rentenreform. 

Merz, Klingbeil, Bas: Bei der Rente zeigen sich Union und SPD erfinderisch. Foto: Imago, Dpa, Getty, brckmnn [M]

3. Keine andere Nachricht hat unsere Leser diese Woche so interessiert wie die Exklusivmeldung meines Kollegen Jakob Vela Hanke: Er erfuhr, dass die EU-Kommission das Verbrenner-Aus kippen will. Hier lesen Sie, welche Tür sich nun für VW, Mercedes und BMW öffnet.

4. Der Druck auf die neue Bahnchefin Evelyn Palla ist enorm. Nun wagt sie mit einem radikalen Umbau den Befreiungsschlag. Meine Kollegin Josefine Fokuhl erfuhr exklusiv aus geheimen Unterlagen des Aufsichtsrats, dass die Konzernchefin die Hälfte der Stellen im Topmanagement streichen will. Hier lesen Sie alle Details der Recherche, die von vielen anderen Medien aufgegriffen wurde.

Evelyn Palla: Die Vorstandsvorsitzende der DB steht unter großem Druck. Foto: Christoph Soeder/dpa

5. Er ist einer der bekanntesten Politologen der Welt: Francis Fukuyama. Mein Kollege Jens Münchrath hat mit ihm über die Ursachen des Trumpismus gesprochen. Der Stanford-Forscher sieht die Trump-Bewegung als einen „Aufschrei gegen die Moderne“. Das ganze Interview lesen Sie hier.

6. Deutschlands wertvollstes KI-Unternehmen kommt aus Freiburg: Black Forest Labs. Das Start-up, das sich darauf spezialisiert hat, fotorealistische Bilder zu generieren, sammelte in dieser Woche über 300 Millionen Dollar ein – und zählt damit zu den am schnellsten wachsenden KI-Unternehmen Europas. Im Interview erklärt Gründer Robin Rombach, warum er glaubt, dass Deutschland mit dem Silicon Valley mithalten kann.

Robin Rombach von Black Forest Labs: So stark wie das Silicon Valley? Foto: Getty Images, Florian Forsbach [M]

7. Diese Nachricht hat mich diese Woche sehr beschäftigt: Australien führt als erstes Land der Welt ein Social-Media-Verbot für Jugendliche unter 16 Jahren ein, über das Mathias Peer für das Handelsblatt berichtete. Ich persönlich halte den australischen Vorstoß für die richtige Entscheidung: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Smartphones eine starke Suchtwirkung auf Kinder haben.

8. Passend dazu: In unserem neuen Podcast „Meckel & Matthes diskutiere ich mit Miriam Meckel, Publizistin, Professorin und Unternehmerin, über das Für und Wider eines solchen Social-Media-Verbotes. Aber auch über die neuesten süchtigmachenden Technologien: Sexroboter, AI-Companions und Erotikbots. Ich freue mich, wenn Sie mal reinhören.

Miriam Meckel und Sebastian Matthes: Was bringt ein Social-Media-Verbot? Foto: Max Brunnert

9. Indien ist die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt – und die große Hoffnung für Europa. Im ersten Halbjahr 2025 sind die EU‑Ausfuhren nach China um 14 Prozent eingebrochen. Deutschlands Warenlieferungen nach Indien hingegen sind um acht Prozent gestiegen.

Indiens Regierungschef Narendra Modi: Europas neuer Hoffnungsträger? Foto: Illustration: Samson Goetze

Indien ist schon länger Hoffnungsträger, aber auch ein schwieriger Partner. Staatschef Narendra Modi empfing am Freitag Wladimir Putin mit offenen Armen. Die beiden vereinbarten, ihre „strategische Partnerschaft“ gar stärken zu wollen. Kann die andere politische Partnerschaft, jene zwischen Europa und Indien, unter diesen Voraussetzungen überhaupt gelingen? Unser Wochenendtitel.

Und damit wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Verwandte Themen China Indien Europa Friedrich Merz Evelyn Palla SPD

Herzlichst

Ihr

Sebastian Matthes

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