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German-Pellets-Insolvenzverwalterin Schmudde Immer auf Augenhöhe

Bettina Schmudde hat als Insolvenzverwalterin von German Pellets ihren außergewöhnlichsten Fall: 17.000 Gläubiger, ein eigenmächtiger Patriarch und leere Kassen. Sie glaubt, es hilft, dass sie eine Frau ist.
07.07.2016 Update: 10.07.2016 - 12:08 Uhr Kommentieren
„Ich habe schnell klargemacht, wer hier das Sagen hat.“ Quelle: picture alliance/dpa
Insolvenverwalterin Schmudde

„Ich habe schnell klargemacht, wer hier das Sagen hat.“

(Foto: picture alliance/dpa)

Schwerin Es ist nicht einmal mehr Kaffee da. Am 10. Februar 2016 stehen im Wismarer Hauptwerk des Brennstoffherstellers German Pellets schon seit Wochen die Maschinen still. Ein paar Haufen Sägespäne liegen noch zwischen leicht rostigen Silos herum, die Löhne sind überfällig. Es ist Tag eins des vorläufigen Insolvenzverfahrens. Es ist Tag eins für Verwalterin Bettina Schmudde.

Fünf Monate später steht sie bei der ersten von vier Anleihegläubigerversammlungen in Schwerin auf der Bühne und schildert, was sie vorgefunden hat. „Die Pelletsproduktion wurde am 15. Dezember eingestellt, die Mitarbeiter haben ab Januar kein Geld mehr gesehen.“ Sofortige Amtshandlungen seien gewesen: „Datensicherung in der ersten Minute“, denn es käme häufig gerade am ersten Tag vor, dass „plötzlich das System abstürzt und alle Informationen weg sind“. Danach habe sie umgehend alle Konten geprüft, um zu sehen, wie viel Geld noch in der Kasse ist. Was sie in der Kongresshalle nicht erwähnt: Sie hat auch sofort die Sicherheitscodes der Verwaltungsräume geändert, den Datenzugang von Geschäftsführer Peter Leibold gesperrt und – sie hat wieder Kaffee für alle besorgt.

Schmudde, Anfang 50, Partnerin bei White & Case, ist die Schlüsselfigur in einem der größten Insolvenzverfahren Deutschlands. Von der eher zart wirkenden Frau, stets im dunklen Kostüm, blonder Pagenschnitt, hängt nun wesentlich ab, was für 17.000 Anleihe- und Genussrechtsgläubiger und dazu 800 Lieferanten, Banken und sonstige Gläubiger noch zu retten ist. 480 Millionen Euro Schulden, schätzt ihr Team, hat Leibold bis zum Tag der Insolvenz angehäuft. Darunter etwa 270 Millionen Anlegergeld, Anleihen und Genussrechte. Hinzu kommen noch einmal rund 550 Millionen Dollar im US-Geschäft, das indirekt auch zu German Pellets gehört. Zu retten galt es von Beginn an auch so viele Arbeitsplätze wie möglich: Insgesamt 280 Mitarbeiter standen auf der Lohnliste.

25 Jahre ist Bettina Schmudde schon im Geschäft, es ist vieles Routine. Sie ist für White & Case vor allem in Ostdeutschland Statthalterin. Als Verwalterin der Infinus Gesellschaft IKP ist sie in die große Infinus- und Fubus-Pleite eingebunden. Die Hamburgerin betreute bislang auch Mittelständler wie Bens Edelstahl oder die Deutsche Biogas GmbH.

German Pellets ist aber eine ihrer ungewöhnlichsten Insolvenzen. Nicht nur wegen der hohen Zahl der Gläubiger. Es sind überwiegend Privatanleger mit durchschnittlichen Anlagebeträgen von 15.000 Euro. Sie hat noch nie so wenig Geld vorgefunden: Es waren gerade mal 5000 Euro da. „Das war praktisch 0,0, damit kann man in einem Konzern mit mehreren Produktionsstätten überhaupt nichts anfangen.“

Es reichte nicht für Strom, sie konnte damit keinen einzigen Lieferanten bezahlen. Die nächsten Schritte: einen Massekredit über 1,4 Millionen Euro besorgen, das Insolvenzgeld für die Mitarbeiter sichern und wenigstens zwei Produktionsanlagen wieder in Gang bringen. „Wir mussten Investoren finden, die auch die Arbeitsplätze halten. Die wollen sehen, dass Anlagen funktionieren“, sagt sie. Zudem war es bald Frühjahr, nicht gerade die beste Saison für Brennstoffhersteller.

Gerade mal 5000 Euro vorgefunden

Dazu kam ein schwieriger Gegenspieler. Schnell fanden Schmudde und ihre Prüfer Hinweise auf eine mögliche „Kriminal-Insolvenz“. Sprich: Firmengründer Peter Leibold hat nicht nur viel Geld verbrannt, er hat möglicherweise auch verschleiert, wo es hingeflossen ist. Er könnte die Zahlungsunfähigkeit, lange bevor er zum Gericht gehen musste, verheimlicht haben. Mit der Presse spricht Leibold schon lange nicht mehr.

Mit dem selbstherrlichen Patriarchen, der kein Controlling duldete, keinen Betriebsrat und schon gar keinen Aufsichtsrat, musste die freundliche, eher dezent auftretende Schmudde klarkommen. Mit einem Mann, der jede Bodenhaftung verloren zu haben scheint. Mit einem Mann, der in den USA mit riesigen neuen Produktionsstätten das ganz große Rad drehen wollte. Der schnell mal ein Kohlekraftwerk auf Kosten von German Pellets kaufte und es sich selbst für einen Euro übertrug. Mit 40 Firmen im In- und Ausland hatte Leibold am Ende jongliert. Schmudde braucht ihn bis heute. Er allein hat und hatte alle Informationen.

„Ich habe schnell klargemacht, wer hier das Sagen hat“, erklärt Schmudde im persönlichen Gespräch. Sie habe Leibold aber auch bis heute immer wieder einbezogen. „Da hatte ich als Frau einen klaren Vorteil“, glaubt Schmudde. „Wir Frauen sind bei solchen Aufgaben häufig die besseren Spieler.“ Kein Kräftemessen, sachlich bleiben und vielleicht auch mal Charme und Verständnis zeigen. Schmudde und ihr Team haben mit Leibold gemeinsam das Kohlekraftwerk verkauft. „Ein Verfahren gegen ihn hätten wir in dieser Sache sicher gewinnen können, aber das hätte Jahre gedauert“, sagt sie.

Pragmatisch, mit allen auf Augenhöhe. So schildern Menschen, die bei German Pellets mit ihr zu tun hatten, Schmuddes Stil. Nur wenige Anleger haben zu den Gläubigerversammlungen in die riesige Halle in Leipzig gefunden. Jedem, der zu ihr kommt, beantwortet sie nach der Veranstaltung Fragen im persönlichen Gespräch. Sachorientiert, keine Alleinrednerin, so tritt sie auch in ihren Teamtreffen und vor dem Gläubigerausschuss auf, sagen Menschen, die sie täglich erleben. Ein „Moin“ würde man von der Hamburgerin zu keinem Sitzungsbeginn hören. „Meine Damen und Herren, wir sind vollzählig und können beginnen“, schon eher.

Bislang ist es Schmudde und ihrem siebenköpfigen Juristen-Team gelungen, neben dem Kohlekraftwerk auch die vier wichtigsten Produktionsstandorte an Investoren zu verkaufen. Damit sind zumindest mehrere Hundert Arbeitsplätze gerettet.

Kann sie manchmal schlecht schlafen? „Nein, ich bin ja nicht alleine, wir machen das zusammen.“ 60–Stunden-Wochen oder mehr, das sei in solchen Phasen normal, findet sie. „Das sind wir alle gewöhnt.“ Das Miauen ihrer Katze hat sie als Klingelton aufs Handy geladen. Zur Erinnerung. Und die Familie? „Mein Mann ist leidensfähig.“

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