Für bezahlbare Mobilität! Für was der Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. (GVA) kämpft
Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. (GVA)
- 06.11.2024

Herr Scharmer, Herr Vollmar, Sie repräsentieren mit dem GVA Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. den zentralen Akteur, der sich für den "freien" Handel mit Auto-Ersatzteilen einsetzt. Können Sie zunächst erläutern, was dieser freie Markt ist und weshalb er für die Autofahrer so bedeutsam ist?
Der sogenannte Kfz-Aftermarket oder auch Sekundärmarkt umfasst alles, was nach dem Neuwagengeschäft passiert, also wenn das Auto "auf die Straße kommt". Aber auch Neuwagen bedeutet nicht nur Fahrzeughersteller. Vielen ist gar nicht bewusst, dass 80 Prozent der Teile eines Autos nicht von den Fahrzeugherstellern entwickelt und produziert werden, sondern von den vielen Kfz-Teileherstellern, die mit ihren Innovationen den Automobilstandort groß gemacht haben.Zum Sekundärmarkt zählen unter anderem der Vertrieb von Ersatzteilen sowie Services rund um das Fahrzeug, etwa wo und mit welchen Teilen es repariert und gewartet wird, aber auch Fragen der Gewährleistung und der Garantie. Der freie Markt setzt sich aus Akteuren zusammen, die nicht zum Vertriebsnetz der Fahrzeughersteller gehören. Dazu zählen Kfz-Teilehersteller, der freie Autoteile-Großhandel, Anbieter technischer Informationen, aber auch die circa 22.000 freien Werkstätten unter den 36.000 Werkstätten in Deutschland.
Auf dem Markt für Ersatzteile und Services konkurrieren diese Unternehmen mit dem Vertriebs- und Servicenetz der Fahrzeughersteller. Dieser Wettbewerb zwischen freiem Markt und Vertriebsnetz der Fahrzeughersteller führt letztlich zu steigender Qualität bei sinkenden Kosten und somit für bezahlbare Mobilität.
Der Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. ist der Branchenverband und die Interessenvertretung des freien Autoteile-Handels in Deutschland. Ebenfalls im GVA organisiert sind die meisten Unternehmen der renommierten deutschen Kfz-Teilehersteller sowie Anbieter technischer Informationen.
Können Sie das Verhältnis zwischen freiem und gebundenen Markt erklären? Welche Relevanz hat der freie Markt?
Der Kfz-Aftermarket ist zweigleisig. Zum einen gibt es das Vertriebs- und Servicenetz der Fahrzeughersteller und zum anderen den freien Markt. Diese zwei Gleise konkurrieren miteinander, wobei die Grenzen nicht starr sind. Der GVA hat sich dafür eingesetzt, dass die Kfz-Teileindustrie von Fahrzeugherstellern nicht daran gehindert werden darf, ihre Produkte, die sie für die Erstausrüstung und den Ersatzteilvertrieb des Fahrzeugherstellers herstellt, auch an den freien Markt zu liefern – unter eigenem Logo. Diese Teile kommen oft vom selben Band. Dadurch bekommt der Autofahrer qualitativ hochwertige Ersatzteile auch im freien Markt.Ein großer Teil der renommierten Kfz-Teileindustrie ist im GVA organisiert, weil wir als Stimme des freien Marktes auch ihre Interessen gegenüber einigen Großabnehmern, den Fahrzeugherstellern, vertreten. Der freie Kfz-Teilehandel vertreibt die in der Regel baugleichen Teile der Kfz-Teilehersteller unter deren Logo, also ohne das Logo des Fahrzeugherstellers.
Die größte Kundengruppe des freien Autoteile-Handels sind die circa 22.000 freien Werkstätten in Deutschland. Auf der Reparatur- beziehungsweise Serviceebene konkurrieren die freien Werkstätten mit den Vertragswerkstätten der Fahrzeughersteller. Dank der Arbeit des GVA darf der Fahrzeughersteller seinen Servicebetrieben jedoch nicht untersagen, Teile des freien Marktes zu verwenden, solange diese so hochwertig sind, dass sie das Ansehen des Fahrzeugherstellers nicht gefährden. Der freie Markt umfasst auf Reparatur- und Wartungsebene circa 62 Prozent der Leistungen.
Welche Vorteile bietet der freie Markt, die der gebundene Markt nicht bietet?
Zum einen die Wahlfreiheit, ein Auto zeitwertgerecht reparieren zu lassen. Wenn sie ein älteres Auto fahren, möchten oder müssen sie eventuell auf die Kosten der Reparatur achten. Die freien Werkstätten bieten ihnen dann preiswerte Qualitäts-Ersatzteile bei einem günstigeren Stundensatz an, sodass die Reparatur zweitwertgerecht, sprich günstiger, ist.Zum anderen können auch Versicherer durch die Existenz und Funktionstüchtigkeit des freien Marktes bei gleicher Qualität der Ausführung Geld sparen, sodass die Prämien für die Versicherten stabil bleiben.
Zudem bietet der freie Markt heute schon Remanufacturing-Teile an, die Rohstoffe schonen, Produktlebenszyklen erhöhen und nachhaltig sind. Der freie Markt ist Innovationstreiber der kompletten Automobilbranche.
Sie werfen Automobilherstellern Wettbewerbsverzerrung vor. Worin äußert die sich?
Sie äußert sich leider auf vielen Ebenen, beispielsweise durch Diskriminierungen beim Zugriff auf die Daten eines Fahrzeuges, wenn der Fehlerspeicher ausgelesen oder gelöscht werden muss, oder beim Bereitstellen von notwendigen Informationen über das Fahrzeug und die verbauten Teile – obwohl der Europäische Gerichtshof diese Vorgehensweisen untersagt hat. Die Fahrzeughersteller nutzen zum Beispiel das Thema Cybersecurity gerne als Vorwand, um Wettbewerb auf dem Automotive Aftermarket einzuschränken.Auch hier müssen wir als Stimme des freien Marktes frühzeitig einschreiten. Der Gesetzgeber will Wettbewerb auf dem Ersatzteil- und Reparaturmarkt, um die Kosten für Verbraucher zu senken und die Qualität der Leistungen zu erhöhen. Das wollen wir auch. Gegen Fahrzeughersteller, die sich nicht an die Spielregeln halten, gehen wir auch juristisch vor. Der GVA besitzt eine Aktivlegitimation, die ihn in die Lage versetzt, unzulässige Vorgehensweisen abzumahnen und auch vor Gericht auf eine korrekte Einhaltung geltenden Rechtes zu klagen.
Derzeit haben wir diesbezüglich eine Branchenallianz auf die Beine gestellt, die es in dieser Stärke noch nie gegeben hat. Geltendes Recht muss durchgesetzt werden. Wir fordern keine Sonderbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung. Davon profitieren am Ende die Millionen Autofahrer in Deutschland.
Der GVA nimmt für sich also in Anspruch, im Sinne der Verbraucher zu agieren. Was leisten Sie in deren Sinn?
Befragungen wie der DAT-Report zeigen, dass die meisten Menschen in Deutschland auf ihr Auto angewiesen sind, um den Alltag zu bewältigen. Sei es, um zur Arbeit zu kommen, die Kinder zur Schule zu bringen oder weil der öffentliche Nahverkehr nicht ausreichend ausgebaut ist – die Menschen brauchen ihr Auto.Genauso wichtig, wie das Auto auf die Straße zu bekommen, ist es, das Auto auf der Straße zu halten. Circa 55 Millionen Fahrzeuge allein in Deutschland müssen regelmäßig gewartet und repariert werden. Das gelingt nur mit Hilfe der GVA-Mitglieder und der freien Werkstätten. Die Vertriebs- und Servicenetze der Fahrzeughersteller könnten diesen Bedarf ohne die Existenz der freien Betriebe überhaupt nicht bewältigen. Die Mitgliedsunternehmen des GVA sowie die freien Werkstätten in Deutschland stützen das gute Renommee der deutschen Automobilwirtschaft und sind ein wichtiger Teil davon.
Werkstattkunden raten wir unbedingt, beim nächsten Werkstattbesuch nach Ersatzteilen aus dem freien Markt zu fragen. Es zeigt sich, dass dort, wo kein fairer Wettbewerb herrscht – weil etwa ein Designschutz das Verbauen von günstigen Alternativen unmöglich macht – die Preise stark gestiegen sind beziehungsweise nach wie vor stark steigen.
Kann der Gesetzgeber diese Ziele unterstützen? Welche seiner Forderungen hat Ihr Verband idealerweise in zehn Jahren durchgesetzt?

Das Feld mit dem größten Wachstumspotenzial der kommenden Jahre wird definitiv der Bereich "Fahrzeugdaten" sein. Hier gibt es derzeit keinen geeigneten Rechtsrahmen, wodurch die Fahrzeughersteller bevorteilt werden und Wettbewerb verhindert wird. Moderne Fahrzeuge produzieren während des Betriebs immer mehr Daten, die für die Wartung, Reparatur und den Service relevant sind. Der Data Act der EU regelt, dass Daten, die bei Gebrauch eines Gegenstandes anfallen, dem Benutzer dieses Gegenstandes gehören und dieser darüber verfügen kann, was mit den Daten geschieht.
Nun ist der Data Act für das Internet of Things beziehungsweise für Gebrauchsgegenstände gemacht und trägt der Komplexität der Datenstruktur eines Kfz nicht Rechnung. Diese wichtigen Daten liegen auf den Servern der Fahrzeughersteller und nur sie entscheiden willkürlich über den Zugang zu den Daten. Das birgt die Gefahr, dass der freie Markt bei Reparatur und Wartung rund um das "digitale Fahrzeug" außen vor bleibt. Die großen Verlierer wären alle Autofahrer, die dann keine Wahlfreiheit mehr beim Service genießen würden und mit steigenden Kosten zu rechnen haben.
Wir fordern deshalb eine sektorspezifische Regulierung, die unter Einhaltung von Sicherheitsvorschriften einen bidirektionalen Zugang in Echtzeit zu Fahrzeugdaten, -funktionen und -ressourcen beinhaltet.
Der GVA veranstaltet jährlich die Automotive Conference. Was hat es damit auf sich?
Die jährliche GVA-Automotive Conference ist das Branchenevent des Jahres. Sie findet in diesem Jahr vom 19. bis 20. November 2024 in Hannover statt unter dem Überthema "Independent Aftermarket? – Wie sich Deutschland aus den vielfältigen Abhängigkeiten lösen kann." Die deutsche Automobilwirtschaft bewegt sich in sehr schwerem Fahrwasser und nichts scheint mehr gewiss.Das gilt für viele Branchen, die sich aus der politisch bedingten Realität, die Abhängigkeiten verstärkt, lösen müssen. Wir werden die Abhängigkeiten und Maßnahmen zu deren Verringerung exemplarisch am freien Markt aufzeigen und so auch für andere Branchen Impulse geben können. Hochkarätige Redner werden die verschiedenen Abhängigkeiten Deutschlands – angefangen bei Technologien, Fachkräften, Rohstoffen über rechtliche und geopolitische Abhängigkeiten – analysieren und Lösungswege aufzeigen.
Unsere Speaker sind absolute Experten auf ihrem Gebiet. Reden werden Arnd Franz, CEO von Mahle, der Journalist Dr. Claus Kleber, Dr. Peter Buchholz, Leiter der deutschen Rohstoffagentur, die Unternehmensberaterin und HR-Spezialistin Ulrike Winzer sowie Rechtsanwalt Marcus Sacré, Partner bei Osborne Clarke.
Die Teilnehmer der GVA-Conference sollen durch die Diskussion und Demonstration inspiriert werden, sodass sie in ihren Unternehmen, in ihren Branchen den bestehenden Abhängigkeiten besser begegnen können.