"Geregelte Finanzen sind ein Schlüssel zum Glück!", betont
Prof. Dr. Katrin Löhr
Katrin Löhr
- 05.09.2022

Frau Prof. Dr. Katrin Löhr, Sie weisen schon seit Jahren darauf hin, dass Finanzbildung genauso wichtig ist wie Lesen und Schreiben, im deutschen Bildungssystem jedoch beklagenswert vernachlässigt wird. Im Moment geraten viele Menschen durch sich überlagernde Krisen in eine schwierige finanzielle Situation. Ist Finanzbildung heute wichtiger denn je zuvor?

Das klingt jetzt aber sehr nach Weltuntergang. Ist es so schlimm?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Dass wir in Deutschland so wenig Finanzbildung haben, ist tatsächlich katastrophal. Wir entlassen junge Menschen in eine Welt, in der sie ohne Finanzbildung stark benachteiligt sind.Auf der anderen Seite gibt es auch gute Nachrichten: Wir leben im Grunde in einem Paradies für Privatanleger*innen. Wenn wir uns anschauen, wie viele kostengünstige Produkte es gibt, um auch mit kleinen Beträgen Vermögensaufbau zu betreiben, ist das eine schöne Sache. Mit solidem Finanzwissen lassen sich sehr viele Klippen umschiffen und clevere Wege nutzen. Und auch wenn schon jedes Baby mit einem Junior-Depot Investor*in werden kann und man besser so früh wie möglich startet – es ist nie zu spät, sich mit seinen Finanzen zu beschäftigen. Man kann seine Finanzen immer optimieren.
Was hätte denn durch besseres Finanzwissen vermieden werden können?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Was besseres Finanzwissen konkret bewirkt, sehen wir beispielsweise bei der Geldanlage. Ohne Finanzwissen wiegen sich die Menschen mit risikolosen Anlagen oft in falscher Sicherheit. Ich nenne das dann das "Risiko der risikolosen Geldanlage". Bei der Verschuldung ist es ähnlich: Es gibt gute und schlechte Schulden. Den Unterschied zu kennen, ist entscheidend.Was meinen Sie mit dem Risiko der risikolosen Geldanlage?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Viele Menschen meiden Risiko, weil sie denken, dass sie dann auf der sicheren Seite sind. Das ist oft eine fatale Strategie. Wer keine Millionen auf dem Konto hat, kann sich diese Strategie gar nicht leisten, wenn der Lebensstandard im Alter einigermaßen gehalten werden soll.Wenn ich mir Statistiken anschaue, wo das Geld der Deutschen liegt, sehe ich hart erarbeitetes Geld in niedrig verzinsten Anlagen, das mit jedem Jahr weniger wert wird und damit an Kaufkraft verliert. Konkret heißt das: Wenn jemand heute 100.000 Euro unverzinst auf dem Konto liegen lässt, liegt die Kaufkraft bei der derzeitigen Inflation in drei Jahren nur noch bei etwa 80.000 Euro. Wie das dann in zehn Jahren aussieht, kann sich jede*r ausmalen.
Und was meinen Sie mit guten und schlechten Schulden?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Die Verschuldung kann Fluch oder Segen sein. Konsumkredite können für viele Menschen ein großes Übel sein und zählen in der Regel zu den schlechten Schulden.Der clevere Einsatz von Fremdkapital bietet hingegen eine Möglichkeit, seine Eigenkapitalrendite zu erhöhen und seinen Vermögensaufbau schneller voranzutreiben. Gleichzeitig kann ich mit Fremdkapital auch eine gewisse Absicherung gegenüber der Inflation erwirken. Selbstverständlich geht das dann auch mit einem erhöhten Risiko einher. Rendite und Risiko hängen auch hier wieder eng zusammen und je nachdem ob man sich auskennt oder nicht, kann man das gleiche Vehikel ganz unterschiedlich nutzen.
Die Betonung auf Wissen und Kompetenz spiegelt sich auch im Namen der Genossenschaft wider, bei der Sie ehrenamtlich im Vorstand tätig sind. Was genau macht die "Deutsche Gesellschaft für Finanzkompetenz DeGeFin"?

Was ist Ihre Vision?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Unsere Vision ist, dass wirklich jede*r jederzeit finanziell glücklich sein kann. Denn finanzielles Glück hat viel weniger mit Einkommen oder Rahmenbedingungen zu tun, als wir denken. Aber es hat auch viel mehr mit Finanzbildung zu tun, als wir denken. Daher ist unsere Mission "Finanzbildung für alle".Finanzbildung ist heutzutage so wichtig wie nie zuvor: so wichtig wie Lesen und Schreiben. Doch wo bekommen die Menschen eine unabhängige Finanzbildung her? Und wie können sie überhaupt feststellen, ob das Angebot finanzwirtschaftlich auch Hand und Fuß hat? Es gibt eine Vielzahl von Angeboten und wer sich nicht auskennt, fühlt sich schnell wie im Dschungel. Da möchten wir anknüpfen und mehr Klarheit reinbringen. Zudem haben wir auch eigene zielgruppenspezifische Angebote im Bereich der unabhängigen Finanzbildung, zum Beispiel für Azubis und Frauen.
Sie sprachen das Spezialangebot für Frauen an. Ist Geld genderspezifisch?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Ja und nein. Zum einen sind viele Geldthemen natürlich nicht genderspezifisch. Frauen haben aber andere Erwerbsgeschichten, ein viel höheres Risiko in Bezug auf Altersarmut und oft auch eine andere Einstellung zum Thema Geldanlage. In gemischten Gruppen gehen Frauen oftmals unter, weil sie sich mit dem Thema unwohl fühlen. Dabei zeigen Studien, dass Frauen, die Geld anlegen, im Vergleich zu Männern häufig bessere Ergebnisse erzielen. Mit "Financial Wellness für Frauen" haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, da sich verborgene Talente im Bereich der Geldanlage besonders gut in einem geschützten Raum zeigen.Als Reaktion auf die Inflation erhöhen die Zentralbanken nach Jahren ihrer Niedrig- und Negativzinspolitik die Leitzinsen. Aktien-, Anleihe-, Immobilienmärkte reagieren mit heftigen Ausschlägen. Rennen Ihnen als Finanzcoach die Kunden nicht die Tür ein?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Die Nachfrage nach unabhängiger Finanzbildung ist groß. Mittlerweile erkennen die meisten Menschen, dass es keinen Sinn macht, das Thema weiter zu ignorieren – der Preis der fehlenden Finanzbildung ist einfach zu hoch. Es macht einen riesigen Unterschied, ob ich heute meine finanzielle Strategie entwickle und ihr folge – oder nicht. Je nach Situation ist diese Entscheidung in ein paar Jahren schnell mehrere 100.000 Euro wert.Zudem sind nun auch die Unternehmen auf das Thema aufmerksam geworden. In Zeiten der Arbeiterlosigkeit können Unternehmen mit Angeboten wie "Financial Wellbeing" hinsichtlich Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität punkten.
Dass das Thema wichtig ist, ist sicher unstrittig. Aber ist unabhängige Finanzbildung wirklich ein Thema für den Arbeitgeber?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Der Trend zeigt sich auch in der aktuellen Mercer-Studie "Global Talent Trends", wo dem Thema "Financial Wellness" sogar ein eigener Part gewidmet ist. Zudem gibt rund ein Drittel der Beschäftigten an, dass ihre Arbeitsleistung durch finanziellen Stress beeinträchtigt ist. Da hat auch der Arbeitgeber etwas davon, wenn die finanziellen Sorgen beseitigt werden können. "Finanzbildung", "Finanzielle Achtsamkeit" oder "Finanzielles Wohlbefinden" werden einfach in das bestehende Weiterbildungsangebot oder auch in das betriebliche Gesundheitsmanagement integriert. Oftmals macht auch die Verknüpfung zu bereits bestehenden Aktivitäten im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge oder betrieblichen Versicherungsangeboten Sinn.Es fällt auf, wie sehr Ihnen die Finanzbildung junger Menschen am Herzen liegt. Seit 2013 engagieren Sie sich neben Ihrer Hochschultätigkeit in der "FunnyMoney Academy", deren Kurse sich gezielt an junge Menschen richten. Worauf legen Sie bei diesem Angebot besonders Wert?

Auf der Webseite der Academy zeigen sich viele Teilnehmende ungemein angetan von den Inhalten und der Methodik. Was war der originellste Dank, den Sie je erhalten haben?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Wir haben vor einigen Jahren mit FunnyMoney einen Kinder-Ferienkurs veranstaltet. Im Anschluss haben die Kids Dankesbilder gemalt, in denen sie goldene Finanzregeln sehr kreativ verarbeitet haben. Das war so rührend, weil damit klar war, dass sie das Thema in ihr Herz geschlossen haben.Wenn Sie auf Ihre jahrelange Erfahrung im Bereich der Finanzbildung zurückblicken, was sind aus Ihrer Sicht die drei größten Fehler, die die Menschen mit ihren Finanzen machen können?
Prof. Dr. Katrin Löhr: Der größte Fehler ist sicherlich, sich nicht finanziell zu bilden und sich nicht um seine Finanzen zu kümmern. Denn das ist immer der erste Schritt zu informierten und bewussten Finanzentscheidungen. Wer informierte und bewusste Finanzentscheidungen trifft, vermeidet wahrscheinlich auch den zweiten großen Fehler: nämlich risikolose Anlagen vorschnell für sich auszuschließen. Das Risiko der risikolosen Anlage – darüber habe ich eben schon gesprochen.Der dritte Fehler ist auch sehr verbreitet: die Relevanz von passivem Einkommen zu unterschätzen. Mit verschiedenen Einkommensströmen kann ich mich langfristig so aufstellen, dass ich meine Abhängigkeit gegenüber einem einzigen Einkommensstrom verringere. Das ist sehr wertvoll.
Und dann liegt mir noch etwas Grundlegendes auf dem Herzen: Finanzen sind das meist unterschätzte Thema überhaupt! Die Erleichterung und die Glücksgefühle zu sehen, wenn Teilnehmer*innen merken, es ist gar nicht so schwer und ihr Finanz-Masterplan steht: Das ist sehr erfüllend. Denn geregelte Finanzen und ein individueller Finanz-Masterplan setzen so viel Energie frei, die jede*r Einzelne dann wieder für die eigenen Herzensthemen einsetzen kann. Geregelte Finanzen sind einfach ein Schlüssel zum Glück!