125 Jahre Kurfürstendamm: Berlins legendäre Flaniermeile feiert Geburtstag
Berlin.
Im Schaufenster der Juweliere glitzern Diamanten, das Handtäschchen nebenan kostet 1500 Euro und die Namen der Kanzleien sind in edles Metall gestanzt. So präsentiert sich der neue Berliner Westen, gebündelt am nördlichen Kurfürstendamm zwischen Knesebeck- und Giesebrechtstraße. 125 Jahre Kurfürstendamm feiert Berlin ab dem 5. Mai. Zum Start der Feierlichkeiten wird eine Sonderausstellung eröffnet. In 125 Vitrinen entlang der Straße soll bis Ende Oktober von der wechselvollen Geschichte des Boulevards erzählt werden.
Ungewöhnliche Führungen und Rundgänge sollen während der Jubiläumsfeiern zu Neuentdeckungen anregen. Eine eigens entwickelte iPhone-App bietet eine GPS-gestützte Citytour zu vierzehn verschiedenen Sehenswürdigkeiten an. Nach einer besonderen Illumination während des beliebten Berliner „Festival of Lights“ soll das Jubiläum am 29. Oktober mit einer Shopping Night ausklingen.
Tourismusexperten glauben indes nach dem jahrzehntelangen Auf und Ab an die Renaissance des Kurfürstendamms. Stadtforscher zweifeln aber, dass dieser Kiez, der zu Mauerzeiten das künstliche Herz Westberlins war, dem alten Zentrum Unter den Linden Paroli bieten kann.
„Der Kurfürstendamm ist weltweit ein Markenzeichen der Stadt -und so soll es auch in Zukunft bleiben“, sagte wiederum der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Montag bei der Vorstellung des Festprogramms. Nach dem Fall der Mauer hatte der in die Jahre gekommene Ku'damm im Westteil Berlins zugunsten der neuen Mitte im einstigen Osten stark an Strahlkraft verloren.
Er freue sich über die erneuten Zeichen von Investitionsbereitschaft in der „City West“, sagte Wowereit. Zugleich sprach er sich dafür aus, die soziale Mischung der vom Nobelviertel Charlottenburg bis nach Halensee führenden 3,5 Kilometer langen Straße zu erhalten. „Dort wohnen nicht nur die Reichen und Schönen dieser Republik, dort wohnen auch ganz normale Menschen mit einem normalen Einkommen - die Sozialhilfeempfänger genauso wie diejenigen, denen es wirklich gut geht“, sagte Wowereit. „Wir wollen, dass die Mischung erhalten bleibt.“
Die Geschichte des Kurfürstendamms reicht von den mondänen Anfangszeiten als protziges Großbürger-Quartier bis in die blühenden, wilden 20er Jahre mit Promi-Cafés, Theatern und Amüsement bis zum Morgengrauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich der Ku'damm im geteilten Berlin zum Schaufenster des Westens, 20 Jahre später zur Bühne der Studentenrebellion. In den 80er Jahren stürzte er als Billig-Boulevard ab. Dann fiel die Mauer und alle Blicke gingen nach Osten.
Aus diesem Tief hat sich der Kurfürstendamm langsam aufgerappelt. „Es strömt wieder Geld in den Westen“, sagt Burkhard Kieker, Geschäftsführer der Tourismusorganisation Visit Berlin. Der Boulevard könne neben Friedrichstraße und Gendarmenmarkt existieren. „Beides lebt“, betont Kieker. Der Berliner Osten sei nun fast fertig saniert und der Blick wende sich wieder gen Westen. „Das Pendel schlägt zurück“, ist Kieker überzeugt.
Investoren haben den alten Westen schon wiederentdeckt. Direkt neben dem Bahnhof Zoo zieht die Hilton-Luxusmarke Waldorf-Astoria bald in ein neues Hochhaus-Hotel. Ob das die direkte Nachbarschaft mit Erotik-Museum und vielspurigen Straßen hebt, bleibt abzuwarten. Doch es tut sich mehr. Das nahe „Bikini-Haus“, zuletzt Berlinkitsch-Meile, wird für viele Millionen Euro geliftet, die Gedächtniskirche saniert.
Die Gebäude des Ku'damm Karrees weiter westlich soll kein geringerer als Architekt David Chipperfield umgestalten, der im Osten das Neue Museum wieder zum Leben erweckte. Und im ehrwürdigen Haus Cumberland, vor 100 Jahren erbaut, entstehen Eigentumswohnungen mit Quadratmeterpreisen bis zu 7500 Euro. Für Berlin ist das teuer.
Was dem Kurfürstendamm noch fehlt, sind die berühmten Gäste, die dem Boulevard zu seinen besten Zeiten ein Flair des Sehen-und-Gesehen-Werdens verliehen. Es gibt schon lange kein „Romanisches Café“ mehr, in dem sich Künstler und Intellektuelle treffen. Die einstigen Star-Gäste des Kempinski-Hotels Bristol sind fast alle tot. Berlinale-Prominenz tummelt sich heute am Potsdamer Platz. Politische Kundgebungen gibt es im Westen selten. Der Ku'damm dient eher als Autocorso- und Jubelmeile nach wichtigen Sportereignissen.
Die Meinungen zu Berlins Markenzeichen sind geteilt. Angestaubt nennen die Jüngeren die Atmosphäre am Kurfürstendamm. Im besten Sinne konservativ, sagen die Älteren. Berlins dienstältester Playboy Rolf Eden, 81, bringt die Sache für sich auf den Punkt: „So schön wie der Kurfürstendamm ist nichts.“ In einem Film der Medienakademie wird er als „Champs Elysées von Berlin“, „meine Heimat“, „das Leben“ und „ein Hammer“ bezeichnet. Und eine alteingesessene Berlinerin meint gar: „Ich möchte da beerdigt werden.“
Tatsache ist: Der Kiez gibt sich gesetzt, nicht gehetzt, gern auch wieder mondän. In einem Punkt sind sich die Hauptstadt-Experten einig: Die Stadt verträgt dieses Wechselbad der Berlin-Gefühle. Sie ist groß genug.
Kulturelle Einrichtungen sind nach Einschätzung des Kunsthistorikers Sven Kuhrau wichtig für die Zukunft des traditionsreichen Kurfürstendamms in Berlin. „Es muss weiterhin Boulevard-Theater, Kinos und Cafés geben, damit der Ku'damm auch abends noch belebt ist“, sagte Kuhrau am Mittwoch. Nur Geschäfte am Ku'damm zu haben, sei nicht sinnvoll. Am Donnerstag (5. Mai) starten die Feierlichkeiten zum 125-jährigen Bestehen der Flaniermeile.
Kuhrau hob die Einzigartigkeit der Straße hervor. „Der Ku'damm war schon immer eine Mischung aus Hotellerie, Wohnen, Einkaufen undKultur. Es ist eine extrem vielfältige Straße“. Der Ku'damm dürfenicht austauschbar und nicht zu einem zweiten Potsdamer Platz werden. „Die Straße muss ihren individuellen Charakter bewahren und zu seiner Geschichte stehen“, betonte der Kunsthistoriker. Dazu gehöre auch der Prestige-Abstieg, der bereits in den 80er Jahren begann. „In dieser Zeit wurde der Kudamm sehr viel volkstümlicher und zog sogenannte Turnschuhtouristen an“, sagte Kuhrau.

Ursprünglich sollte der Ku'damm zur Prachtstraße Berlin werden. Anfang der 1870er Jahre veranlasste Otto von Bismarck den großzügigen Ausbau des Damms nach dem Vorbild der Champs-Élysées in Paris. „Es ging darum, dass Berlin nach dem deutsch-französischen Krieg mit der französischen Metropole gleichziehen wollte. DerKu'damm war eine Art Prestigeobjekt“, sagte Kuhrau. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sei dabei ebenso wie der Triumphbogen in Paris ein Blickfang des Boulevards.
Ein weiteres Merkmal sind die zahlreichen Vitrinen am Ku'damm. „Es gibt heute rund 300 solcher Vitrinen, die ersten wurden in den 20er und 30er Jahren aufgebaut. Sie gehören oft zu den Läden, die sich an den Straße befinden und dort ihre Waren ausstellen“, sagte Kuhrau, der die derzeitige Vitrinen-Ausstellung zum Jubiläum des Boulevards zusammen mit dem Architekten Christian Pabst organisierte. Rund 80 Läden hätten sich mit 125 ihrer Vitrinen bereit erklärt, bei der durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin finanzierten Jubiläums-Schau teilzunehmen. „In jeder Vitrine gibt es eine Geschichte zu einem Bewohner des Ku'damms oder einer Institution oder einem historischen Vorfall“, erläuterte Kuhrau.





