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Immendorff-Bronzen droht PreissturzZum Affen gemacht

In seinen letzten Jahren suchte der kranke Maler Jörg Immendorff noch mal nach Bestätigung. Halt fand er in der Familie – und dort offenbar auch einen Helfer für die Kunst. Die Käufer derselben könnte das teuer kommen.Hans Peter Riegel 19.09.2015 - 17:42 Uhr Artikel anhören

Wenn die tausendfachen Kopien den Markt schwemmen, könnte der Preis drastisch fallen.

Foto: dpa

Zürich. Rund um die Affenskulpturen von Jörg Immendorff gibt es viel zu entdecken. Man stößt auf etliche Fragwürdigkeiten, auf Vergrößerungen, Verkleinerungen, auf unklare Auflagen und obskure Rechteinhaber. Zum Beispiel: Was wusste Immendorffs Stammgalerist Michael Werner über die dubiosen Geschäfte mit den Affen? Sicher ist, dass Experte Werner die künstlerischen Mängel der teils höchst banalen Skulpturen sah, weshalb er zunächst ablehnte, sie in sein Programm aufzunehmen. Dass er die Affen trotzdem 2004 in seiner Galerie zeigte, war dem seinerzeit schwierigen Verhältnis zu Immendorff geschuldet.

Seit Ende der 1990er-Jahre benötigte Jörg Immendorff sehr viel Geld für seine medizinische Betreuung, für seine Steuerschulden, seine Drogensucht und sexuellen Obsessionen. Es ging um Millionenbeträge. Nachdem Werner nicht in gewünschtem Umfang leistete, sprang Kunstberater Helge Achenbach als Financier ein. Immendorff und Werner distanzierten sich. Um 2004 wollte der Galerist die Kooperation revitalisieren und wieder Einfluss über die künstlerische Reputation Immendorffs gewinnen. In diesem Sinn war die Ausstellung ein Versuch, die Verbreitung der Affen zu kontrollieren.

Der Galerist Michael Werner will auf Anfrage zu den Vorwürfen nicht detailliert Stellung nehmen. Er sieht jedenfalls „keine seriösen Quellen“.

Werner wird gewusst haben, dass die Affen nicht von Immendorff stammten. Wohl auch deshalb wollte er ihre Verbreitung zumindest bremsen. Als er die Gipsentwürfe der Affen 2001 erstmals zu Gesicht bekam, war Immendorff seit drei Jahren an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS erkrankt, die zur Paralyse des Körpers führt. Seine linke Hand war bereits vollständig gelähmt, die rechte geschwächt. Schon aus diesem Grund dürfte es dem begabten Maler, einem Linkshänder, schwer möglich gewesen sein, die Affenmodelle zu formen. Nicht Immendorff, sondern dessen Schwiegervater, ein bulgarischer Künstler, war deshalb Bildhauer der Affen.

Der Vater von Oda Jaune, Georgi Danowsky, machte sich nach der Hochzeit des Paares in Immendorffs Atelier nützlich. Ob er die ersten Gipsmodelle der Affen aus eigenem Antrieb herstellte oder Immendorff ihn darum bat, ist nicht festzustellen. Immendorff fertigte wohl aber Skizzen zu den Affen, die in dem von ihm mit Tilmann Spengler verfassten Bändchen „15 Affen für Ida“ zu finden sind.

Oda Jaunes Rechtsvertreter stellt auf Anfrage klar: „Der Künstler war zwar in seinen letzten Lebensjahren krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, die Skulpturen vollständig selbst zu schaffen. Er hat sich daher der handwerklichen Unterstützung des Vaters seiner Ehefrau versichert, der die detaillierten Anweisungen des Künstlers umgesetzt hat. Es kann deshalb überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass Jörg Immendorff alleiniger Schöpfer der berühmten Affenskulpturen ist.“

Kenner begegnen den Bronzeaffen von Immendorff mit Vorsicht. Dass Skepsis angebracht ist, zeigten Recherchen des Handelsblatts, die im August nach Zürich zu einer Galerie namens St. Gilles führten. Die Galerie war Immendorffs Vertragspartner bei Finanzierung und Vertrieb der Affen. Doch weder deren Rechtsvertreterin, eine Züricher Anwaltskanzlei, noch der Insolvenzverwalter der Achenbach Kunst Beratung, Marc d’Avoine, waren damals zu Auskünften über die Geschäftstätigkeit der Galerie bereit. Ebenso zugeknöpft reagierte der Düsseldorfer Gießereibesitzer Herbert Schmäke, bei dem die Affen im Auftrag von St. Gilles produziert wurden.

Inzwischen deutet sich an, dass St. Gilles eine Briefkastenfirma ist. Ein regulärer Galeriebetrieb wurde nie bekannt. Bei der im Handelsregister angegebenen Adresse der Aktiengesellschaft findet sich keinerlei Hinweis auf das Unternehmen. Im Dezember 2013 hatte Immendorffs Witwe Oda Jaune einen Prozess gegen St. Gilles gewonnen, weil Zahlungen von rund 1,2 Millionen Euro nicht geleistet wurden. Nach der Niederlage war das Unternehmen offenbar fähig, die geforderte Summe zu zahlen. Denn noch ist St. Gilles im Züricher Handelsregister als „aktiv“ vermerkt. Sofern die Verträge nicht gekündigt wurden, hätten die Inhaber der vorgeblichen Galerie weiterhin das Recht, die gesamte Menge der zwischen St. Gilles und Immendorff festgelegten Affenproduktion von 1008 Exemplaren herzustellen und zu verkaufen.

Wer Eigentümer von St. Gilles ist, kann wegen des Anonymität sichernden Schweizer Unternehmensrechts nicht ermittelt werden. Einzig unterschriftsberechtigter Verwaltungsrat des Unternehmens ist ein renommierter Züricher Wirtschaftsanwalt, der zahlreiche solcher Mandate hat. Er könnte als Treuhänder für die tatsächlichen Besitzer agieren. Kaum anzunehmen, dass er die Affen verkauft.

Geklärt ist die Rolle von Helge Achenbach. Im Zusammenhang mit dem Prozess vor dem Züricher Handelsgericht hatte er noch angegeben, für St. Gilles lediglich als Berater fungiert zu haben. St. Gilles ließ auf Anfrage mitteilen: „Herr Achenbach war einer von mehreren Kommissionären der Galerie St. Gilles S.A. Deren Eigentümer ist kein Deutscher und hat auch keinen Wohnsitz im Deutschland.“

Wie aktiv der Düsseldorfer Kunstberater in der Schweiz war, deutete Stefan Horsthemke in einem Interview vom Januar 2013 an. Horsthemke war seinerzeit Geschäftsführer des Achenbach-Unternehmens Berenberg Art Advice und brüstete sich, das Unternehmen erhalte vom Zollfreilager Genf „Sonderkonditionen“. Vergünstigungen also, die nur Kunden mit hohen Umsätzen gewährt werden. Offen ist, wo sich die unzähligen Affen befinden.

Im genannten Prozess stritten die Parteien über weitere 1021 Bronzeaffen von 26 Zentimeter Höhe, die Immendorff für eine Münchener Galerie produzieren lies. Sogar die Rechtsvertreter von St. Gilles beschwerten sich, der Markt würde deswegen mit den Skulpturen „geflutet“. Über den Verbleib dieser Affen ist nichts bekannt. Wartet man die aktuelle Preisentwicklung ab, bevor die Affen-Massenproduktion verramscht wird?

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Dass Achenbach nicht weiß, wie die Affen entstanden, ist unwahrscheinlich. Er war regelmäßig Besucher in Immendorffs Atelier. Gleichfalls liegt es nahe, dass auch Kunstgießer Schmäke die Umstände kennt. Und Van Ham? Das Kölner Versteigerungshaus wird am 30. September fünf überlebensgroße Exemplare der Affen als Zugnummer der „Achenbach-XXL-Auktion“ versteigern. Deren Schätzpreise liegen für alle fünf Bronzeskulpturen zwischen 25.000 und 35.000 Euro.

Es ist nun kein Geheimnis mehr, dass Hilfskräfte die Werke des gelähmten, todkranken Künstlers ausführten. Warum sind die Verantwortlichen nicht bereit, dies ebenso für die Serie der beliebten Affenskulpturen einzuräumen? Ihr fortgesetztes Schweigen könnte zum Schaden der heutigen Käufer werden, wenn die tausendfachen Kopien auf den Markt schwemmen und die Preise deshalb fallen. Zukünftige Käufer sollten vor einer Auktion exakt festlegen, wie viel ihnen eine Immendorff-Bronze wert ist.

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