Kunsthalle Baden-Baden "Onkel Rudi" in politischer Mission

Jörg Immendorff: "Café Deutschland IV", 1978. (Ausschnitt)
Baden-Baden In der Staatlichen Kunsthalle stellt die Ausstellung „Bilderbedarf“ eine unangenehme, weil existenzielle Frage, der die meisten Kunst-Institutionen ausweichen: „Braucht Gesellschaft Kunst?“ Dabei geht es dem neuen Direktor, Johan Holten, nicht um nur ästhetische Wirkung von Kunst im Sinne Hölderlins: „Lerne im Leben die Kunst, im Kunstwerk lerne das Leben.“ Dafür ist eher das benachbarte Burda-Museum mit seinen Highlights Klassischer Moderne und Nachkriegskunst zuständig.
In der Staatlichen Kunsthalle wird direkter, wenn auch nicht weniger sinnlich analysiert, was die Kunst zum öffentlichen gesellschaftspolitischen Diskurs beizutragen vermag. „Eine ganze Menge“, sagt der junge Direktor und versammelt mit seinen Co-Kuratoren Hendrik Bündge und Jakob Racek Bilder und Symbole, Dokumentationen und Reflexionen, mit denen die Kunst gesellschaftliche Umbrüche der letzten 60 Jahre begleitet hat.
Was fehlt ohne Bilder
Die Exkursion durch die Ausstellung beginnt im Dunklen. Ein bedrängend enger, finsterer Gang. Hier sind nur drei Schriftstücke beleuchtet. Sie zeugen davon, was uns ohne Bebilderung wichtiger Ereignisse fehlt: Wissen über Nelson Mandelas Gefangenschaft zum Beispiel. Der zweite Text erinnert an den Plan Bill Gates’, 17 Millionen Fotografien von zeitgeschichtlich bedeutenden Vorgängen in einen Bergwerkstollen wegzusperren. Die dritte Information behandelt die Anweisung des US-Militärs, in Afghanistan freie Bildberichterstattung zu unterbinden. Die Installation „Lament of the Images“ von Alfredo Jaar führt weiter in einen Raum mit einer grell bestrahlten Leinwand, auf der das schmerzhafte Nichts unmittelbar körperlich zu spüren ist. Die eindringliche Arbeit über die eminente Bedeutung der Bilder für das kollektive Bewusstsein wurde schon auf der Documenta 11 gezeigt.
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Immendorfs Polit-Ikone
„Fotonotizen“ von Hans Haacke erinnern an die immense Wirkung der Documenta 2 für den Anschluss des deutschen Publikums an die heftig diskutierten Strömungen der Kunst der Moderne mit ihren Abstraktionen: Kontrastprogramm zur Blut-und-Boden-Kunst der NS-Zeit. Haackes Aufnahmen halten interessierte, irritierte, in jedem Fall engagierte Besucher fest.
Natürlich ist Jörg Immendorffs Gemälde „Café Deutschland IV“ mit von der Partie. Das 1978 entstandene Werk, zeigt rechts die DDR hinter Stacheldraht, links die BRD mit ihrer Gesinnungsschnüffelei und in der Mitte Immendorff und seinen Malerfreund R.A. Penck. Sie pinseln gemeinsam ihr deutsches Einheitsbild. Das Werk gilt heute als Ikone für die Widernatürlichkeit der deutschen Spaltung.
Immendorff hat seine Polit-Ikone immer wieder auch auf Papier wieder aufleben lassen. Eine aquarellierte Zeichnung von 1984 brachte laut Artprice im März 2012 bei Sotheby’s umgerechnet netto 5.000 Euro. Ein „Café Deutschland“-Linolschnitt von 1986 kostete bei Van Ham vor einem Jahr 10.000 Euro.
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