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Kunsthalle Baden-Baden"Onkel Rudi" in politischer Mission

Kunst reagiert auf gesellschaftliche Umbrüche. Aber hat sie auch Wirkung? „Braucht Gesellschaft Kunst?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich eine spannende Ausstellung in der Kunsthalle Baden-Baden.Harald Raab 12.12.2012 - 11:22 Uhr Artikel anhören

Jörg Immendorff: "Café Deutschland IV", 1978. (Ausschnitt)

Foto: Kunsthalle Baden-Baden

Baden-Baden. In der Staatlichen Kunsthalle  stellt die  Ausstellung „Bilderbedarf“ eine  unangenehme, weil existenzielle Frage, der die meisten Kunst-Institutionen ausweichen: „Braucht Gesellschaft Kunst?“ Dabei geht es dem neuen Direktor, Johan Holten, nicht um nur ästhetische Wirkung von Kunst im Sinne Hölderlins: „Lerne im Leben die Kunst, im Kunstwerk lerne das Leben.“ Dafür ist eher das benachbarte Burda-Museum mit seinen Highlights Klassischer Moderne und Nachkriegskunst zuständig.

In der Staatlichen Kunsthalle wird direkter, wenn auch nicht weniger sinnlich analysiert, was die Kunst zum öffentlichen gesellschaftspolitischen  Diskurs beizutragen vermag. „Eine ganze Menge“, sagt der junge Direktor und  versammelt mit seinen Co-Kuratoren Hendrik Bündge und Jakob Racek Bilder und Symbole, Dokumentationen und Reflexionen, mit denen die Kunst gesellschaftliche Umbrüche der letzten 60 Jahre begleitet hat.

Was fehlt ohne Bilder

Die Exkursion durch die Ausstellung beginnt im Dunklen. Ein  bedrängend enger, finsterer  Gang. Hier sind nur drei Schriftstücke beleuchtet. Sie zeugen davon, was uns ohne Bebilderung wichtiger Ereignisse fehlt: Wissen über Nelson Mandelas Gefangenschaft zum Beispiel. Der zweite Text erinnert an den Plan Bill Gates’, 17 Millionen Fotografien von zeitgeschichtlich bedeutenden Vorgängen in einen Bergwerkstollen  wegzusperren. Die dritte Information behandelt die Anweisung des US-Militärs, in Afghanistan freie Bildberichterstattung zu unterbinden. Die Installation „Lament of the Images“ von Alfredo Jaar führt weiter in einen Raum mit einer grell bestrahlten Leinwand, auf der das schmerzhafte Nichts unmittelbar körperlich zu spüren ist. Die eindringliche Arbeit über die eminente Bedeutung der Bilder für das kollektive Bewusstsein wurde schon auf der Documenta 11 gezeigt.

Immendorfs Polit-Ikone

„Fotonotizen“ von Hans Haacke erinnern an die immense Wirkung  der Documenta 2 für den Anschluss des deutschen Publikums an die heftig diskutierten Strömungen der Kunst der Moderne mit ihren Abstraktionen: Kontrastprogramm zur Blut-und-Boden-Kunst der NS-Zeit. Haackes Aufnahmen halten interessierte, irritierte, in jedem Fall engagierte Besucher fest.

Natürlich ist Jörg Immendorffs Gemälde „Café Deutschland IV“ mit von der Partie. Das 1978 entstandene Werk, zeigt  rechts die DDR hinter Stacheldraht, links die BRD mit ihrer Gesinnungsschnüffelei und in der Mitte Immendorff und seinen Malerfreund R.A. Penck. Sie pinseln gemeinsam ihr deutsches Einheitsbild. Das Werk gilt heute als Ikone für die  Widernatürlichkeit der deutschen Spaltung.

Immendorff hat seine Polit-Ikone immer wieder auch auf Papier wieder aufleben lassen. Eine aquarellierte Zeichnung von 1984 brachte laut Artprice im März 2012 bei Sotheby’s umgerechnet netto 5.000 Euro. Ein „Café Deutschland“-Linolschnitt von 1986 kostete bei Van Ham vor einem Jahr 10.000 Euro.

Alfredo Jaar: "Lament of the Images", Installation 1994/2012.

Foto: Kunsthalle Baden-Baden

Die Dokumentation der Reichstagsverhüllung durch Christo & Jeanne-Claude und der über 20 Jahre währenden Vorarbeit für das Projekt machen dem Betrachter deutlich, welche enorme Symbolkraft damit aktiviert worden ist. Ebenso Hans Haackes florale Arbeit in einem der Reichstagshöfe: „Der Bevölkerung“ gewidmet.

Joseph Beuys, gefilmt in seiner Zweisamkeit mit einem Kojoten, und Christoph Schlingensiefs  „Ausländer-Rauß“-Aktion in Wien dürfen in diesem Rückblick auf die politische Relevanz der Kunst nicht fehlen. Auch nicht Klaus Staecks preislich günstige Polit-Plakate und Gerhard Richters „Onkel Rudi“. Die unscharf verwischten fotorealistischen Gemälde nach Familienfotos sind zwar nicht so extrem gesucht wie die abstrakten Meisterwerke des teuersten lebenden Künstlers. Doch mit umgerechnet 3,1 Millionen Euro war „Tante Marianne“ von Gerhard Richter aus dem Jahr 1965 2006 bei Sotheby’s nicht mehr für jedermann erschwinglich.

Instrumentalisierte Skulptur

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Helmut Kohls wenig sensible Entscheidung in Sachen Gedenkkultur ist eine aussagekräftige Facette im Kontext politisch zu deutender Kunst. Der Kanzler hat bekanntlich die kleine Käthe-Kollwitz-Plastik  „Mutter mit totem Sohn“  in einem vielfach vergrößerten Abguss als „Pietà“ 1993 in der  Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewalt in Berlin aufstellen lassen.

Nichts Neues also in Baden-Baden? Johan Holten legt nach eigener Aussage mit dieser Ausstellung nur ein historisches Fundament seiner These von der gesellschaftspolitischen Wirkkraft der Kunst. Im kommenden Jahr gibt es eine Fortsetzung mit aktueller Kunst, die politisch wahrgenommen wird. Er selbst sieht es als Experiment in Erfüllung des staatlichen Museumsauftrags, in die Gesellschaft  zu wirken –  auch in Ergänzung zum Opulenten im Frieder-Burda-Museum. Einen prominenten Befürworter des Projekts hat die Kunsthalle im exklusiven Baden-Baden jedenfalls schon. Bundespräsident Joachim Gauck hat die Schirmherrschaft übernommen.

„Bilderbedarf– Braucht Gesellschaft Kunst?“ läuft bis 17. Februar 2013 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden. Der Katalog erschien im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln. Er kostet 20 Euro, im Buchhandel 24 Euro. Am 31. Januar 2013 findet um 19 Uhr eine  Podiumsdiskussion statt unter dem Titel „Wie kann man mit den Mitteln der Kunst in gesellschaftliche Prozesse eingreifen?“ Teilnehmer sind René Block, Klaus Staeck und Michael S. Cullen, Initiator der Reichstagsverhüllung.

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