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Multimediale Kunst Die indische Künstlergruppe Raqs Media Collective stellt Fragen, die alle angehen

Mit ihren multimedialen Installationen treibt die indische Künstlergruppe Raqs Media Collective ein lustvolles Spiel mit Sprache und Zeichen.
07.06.2018 - 19:16 Uhr Kommentieren
Blick in das zentrale Foyer der Ausstellung im Ständehaus. Die erwähnte Lichtskulptur „Marks“ (2010)  befindet sich im Bild rechts. Im Hintergrund läuft die Videosequenz „Lost Birds“ (2005). Quelle: Achim Kukulies/Kunstsammlung NRW
Raqs Media Collective

Blick in das zentrale Foyer der Ausstellung im Ständehaus. Die erwähnte Lichtskulptur „Marks“ (2010) befindet sich im Bild rechts. Im Hintergrund läuft die Videosequenz „Lost Birds“ (2005).

(Foto: Achim Kukulies/Kunstsammlung NRW)

Düsseldorf Wer den Namen „Raqs Media Collective“ hört und gleich an die politisch inspirierten Videoaktivisten der 1970er-Jahre denkt, liegt nicht falsch. Damals eröffnete die noch neue, tragbare Videoausrüstung plötzlich die Chance, dem Fernsehen mit alternativen Formen von Dokumentation und Berichterstattung die Stirn zu bieten.

Einen Boom erlebte diese Art der Nutzung von Video aber erst ab den 1990er-Jahren. Weltweit brachte die digitale Technik politische Gruppen und soziale Bewegungen dazu, sich zu vernetzen. 1992, in der Frühphase also, gründeten die damals noch im Dokumentarfilm beheimateten indischen Künstler Jeebesh Bagchi, Monica Narula und Shuddhabrata Sengupta, alle Ende der 1960er-Jahre geboren, die Künstlergruppe Raqs Media Collective. Nun haben sie mit einer Werkschau im Ständehaus der Kunstsammlung NRW (K21) in Düsseldorf ihre erste Einzelausstellung in Europa (bis 12.8.).

In den Museen der Welt zu Gast

Mit ihren multimedialen Installationen und selbst kuratierten Ausstellungen ist das Raqs Media Collective in den angesehenen Museen weltweit zu Gast. Das ist nicht überraschend, denn die Künstlergruppe nimmt sich Themen an, die Menschen quer über den Globus etwas angehen; und sie treibt ein lustvolles Spiel mit Sprache und Zeichen, die universell lesbar sind. Dafür liefert schon das Wort „Raqs“ ein schönes Beispiel.

Man kann Raqs als Akronym für „Rarely Asked Questions“ („selten gestellte Fragen“) lesen, aber auch mit dem islamischen Mythos der Sufi-Derwische in Verbindung bringen, die sich tanzend in Ekstase versetzen. Wie der Derwisch reklamiert Raqs Media Collective für sich ein hochkonzentriertes und in permanenter Bewegung befindliches künstlerisches Tun.

Die Botschaften der Künstlergruppe artikulieren sich einmal mit Temperament, ein anderes Mal leise, aber nie vordergründig. Gleich beim Betreten der Ausstellung springt rot leuchtend eine Lichtskulptur mit Hammer und Sichel ins Auge. Erst wer das 2010 entstandene Werk genauer betrachtet, sieht, dass es sich aus einem gekreuzten Ausrufe- und Fragezeichen zusammensetzt. Mit dieser Erkenntnis ist viel gewonnen, aber noch nicht alles. Denn nur wer sich die Mühe macht, auch nach dem Titel zu schauen, sieht mehr.

„Marks“ lässt sich dann auch mit „Zeichen“ übersetzen, kann aber auch phonetisch gelesen auf Karl Marx anspielen. Was geblieben sei von der Strahlkraft der revolutionären Ideen angesichts des aktuellen Raubtierkapitalismus, fragen die Organisatoren der Ausstellung. „Ein hohler Schlagabtausch von Behauptung und Gegenfrage im verheißungsvollen Glanz der Leuchtreklame?“

Die Re-Inszenierung des 1948 aufgenommenen Fotos von Cartier-Bresson als Endlosschleife in Video. Wer ohne das Vorwissen die extrem verlangsamte Szene eine Weile beobachtet, der entwickelt ganz andere Assoziationen, als der Zusammenhang mit dem historischen Fotografie nahelegt. Quelle: Raqs Media Collective/Kunstsammlung NRW
Raqs Media Collective

Die Re-Inszenierung des 1948 aufgenommenen Fotos von Cartier-Bresson als Endlosschleife in Video. Wer ohne das Vorwissen die extrem verlangsamte Szene eine Weile beobachtet, der entwickelt ganz andere Assoziationen, als der Zusammenhang mit dem historischen Fotografie nahelegt.

(Foto: Raqs Media Collective/Kunstsammlung NRW)

Zu den leiseren, nicht minder eindrucksvollen Arbeiten gehört eine Videoprojektion in Endlosschleife, die sich auf ein krisenhaftes Ereignis von 1948 bezieht. „Re-Run“ (2013) ist die Re-Inszenierung eines Fotos, das Henri Cartier-Bresson von einer Menschenschlange machte, die aus Angst um ihre Ersparnisse eine der Banken Schanghais stürmte; eine Parabel auf die Erwartung der Zukunft, die in der Gegenwart die Voraussetzung für das Eintreffen jener erwarteten Zukunft, nämlich einer Bankenkrise, schafft.

Vermutlich kennt kaum ein Ausstellungsbesucher das Foto von Cartier-Bresson. Doch auch ohne dieses Wissen hat das Video etwas zu erzählen, ähnlich wie die Installation mit den rückwärts laufenden Weltzeituhren, die statt Ziffern Wörter tragen und emotionale Zustände beschreiben. Besucher sind dennoch gut beraten, den kostenlosen Kurzführer zurate zu ziehen. Ausgerüstet mit diesem knappen, gut lesbaren Cicerone „sieht“ man einfach noch mehr.

So erschließt sich etwa, was sich hinter dem rätselhaften Satz auf der gleichnamigen Fotoarbeit „More Salt in Your Tears“ verbirgt, der in großen Lettern über dem Wasser den Schiffsverkehr zwischen Finnland und Schweden grüßt. Die Arbeit reflektiert die Versalzungsgefahr des ökologisch sensiblen Brackwassers der Ostsee im Zuge des Klimawandels. Der lesende Besucher erfährt auch, was die Abdrücke der zählenden Hand mit den Methoden der Datenerfassung speziell in Indien zu tun haben („Untold Intimacy of Digits“, 2011).

„Raqs Media Collective. Everythin else is ordinary“, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, bis 12. August 2018. Kurzführer kostenlos. Der Katalog kostet an der Museumskasse 28 Euro, im Buchhandel 38 Euro

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