Raubkunst: Das Museum Georg Schäfer steht unter Druck

Carl Blechen: „Gotischer Klosterhof/Klosterhof mit Kreuzgang“ um 1833/35.
Düsseldorf. Schon viele Jahrzehnte erfreuen sich die Bürger der Stadt Schweinfurt an ihrem ebenso strahlkräftigen wie eleganten Museum Georg Schäfer. Hier ist die weltweit bedeutendste Sammlung zur deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts zu Hause. Zusammengetragen hat sie Georg Schäfer, einst Lenker des später von Schaeffler übernommenen Stahlkonzerns FAG Kugelfischer. Mit Recht ist man in der Stadt stolz darauf, Kunstinteressierte aus aller Welt anzuziehen.
Doch es gibt Ärger. Für 23 Werke liegen Rückgabeersuchen von den Nachfahren der einstigen jüdischen Besitzer vor. Für ein Museum eigentlich ein klarer Fall: Die Bilder müssen nach der sogenannten Washingtoner Erklärung, der Selbstverpflichtung von 44 Staaten zur Restitution von Raubkunst, zurückgegeben werden.
Aber beim Museum Georg Schäfer liegt der Fall anders. Die Gemälde gehören der Stiftung Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer und sind an das Museum ausgeliehen. Mit im Spiel: die Stadt Schweinfurt und der Freistaat Bayern, die das Museum tragen.
Die Stiftung, vertreten von ihrem Vorsitzenden Fritz Ritzmann, begründet ihre Ablehnung einer Rückgabe der Werke unter anderem mit dem Argument, das Unrecht sei von staatlicher Seite ausgegangen. „Für seine Wiedergutmachung trägt die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches die Verantwortung.“
Die Stiftung beruft sich auf Artikel 14 des Grundgesetzes, nach dem rechtmäßig erworbenes Privateigentum geschützt ist – und darauf, dass Georg Schäfer beim Erwerb nichts von Raubkunst wusste. „Letztlich ist die Stiftung auch stiftungsrechtlich zum Erhalt des Vermögens verpflichtet.“
Die Haltung der Stiftung und der Träger des Museums sind für Sibylle Ehringhaus empörend. Sie war drei Jahre Provenienzforscherin im Museum, sie rekonstruierte die Herkunftsgeschichte der Kunstwerke. Das Ergebnis ihrer Untersuchung ist eindeutig: In 20 von 23 Fällen handelt es sich eindeutig um Raubkunst.
Jetzt verlängerte sie aus Protest ihren Vertrag nicht. „Meine Arbeit ist bislang folgenlos geblieben. Ich war nur das Feigenblatt“, klagt die Kunsthistorikerin dem Handelsblatt. Sie fühle sich als Stellvertreterin für ungelöste Konflikte instrumentalisiert. Unter diesen Umständen sei Provenienzforschung nicht zumutbar.
Anders als Museen in öffentlicher Hand müssen sich Privateigentümer nicht den Washingtoner Prinzipien unterwerfen. Sie sind weder verpflichtet, aktiv nach Raubkunst in ihrem Bestand zu suchen, noch sind sie angehalten, eine faire und gerechte Lösung zu finden. Sie können sich auf einen gutgläubigen, mindestens zehn Jahre zurückliegenden Erwerb berufen. Eine Regelung, die sich in den meisten europäischen Rechtsordnungen wiederfindet.
„Das Berufen hierauf ist nicht unmoralisch“, erläuterte die Hamburger Rechtsanwältin Christina Berking kürzlich in einem Vortrag zum Thema Privatrestitution in Bonn. Wenn ein Privateigentümer restituiere, tue er dies ohne rechtliche Verpflichtung. „Er nimmt also aus moralischen Erwägungen eine Schuld auf sich, die ihm selbst nicht anzulasten ist. Das ist ihm hoch anzurechnen“, findet Berking.
In Schweinfurt ist die Gemengelage allerdings komplizierter. Denn hier sind im Museum Georg Schäfer Stadt und Land mit involviert. Es fließen Steuergelder für den Betrieb durch die Stadt, die auch die Provenienzforscherin beauftragte und 80 Prozent der Kosten übernahm. Der Freistaat Bayern finanzierte den Bau des Museums und ist sein Eigentümer. Da stellt sich die Frage, ob die öffentliche Hand nicht eine Mitverantwortung trägt.
Ruf nach Ersatzleistungen
Die Stadt Schweinfurt will sich dazu unter Verweis auf die Rechtslage nicht bekennen. Jedoch ist es aus ihrer Sicht begrüßenswert, „dass die Eigentümer in den Fällen von nachgewiesener Raubkunst eine Lösung suchen und die Werke für die Zeit dieser Lösungssuche aus dem Museum zurückziehen“, lässt die Pressestelle von Oberbürgermeister Sebastian Remelé auf Anfrage verlauten.
Eine Lösung des Konflikts deutet die Stiftung bereits in ihrer Stellungnahme zur Restitution an. Dort ist von „Ersatzleistungen“ die Rede, „wenn zum Beispiel eine staatliche Rückgabe nicht möglich ist wie im Falle des Privateigentums der Stiftung“. Eine „Enteignung zugunsten früherer Besitzer wäre nur in engen Grenzen möglich und bedürfte zudem eines Gesetzes, das auch eine Entschädigung der Stiftung regelt“.
Die Frage, ob ein Werk nicht bereits dadurch an Wert verlöre, wenn seine Herkunft belastet ist, und damit natürlich auch das Grundstockvermögen der Stiftung schmälert, verneint Hans Peter Schäfer, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung. „Die Bilder verlieren erst an Wert, wenn sie restituiert sind“, meint er. Denn dann fallen sie aus dem Stiftungsvermögen heraus.
In der Praxis dürfte jedoch das Gegenteil der Fall sein – Bilder aus umstrittener Herkunft haben in der Regel einen deutlich verringerten Marktwert. Kommt es bei den Verhandlungen zu einer gütlichen Einigung, gibt es für alle einen moralischen Gewinn und das Werk wird wieder frei für den Markt. Und warum sollte Schweinfurt nicht dem Beispiel der Kunsthalle Emden oder des Städels in Frankfurt folgen? Beides sind Privatstiftungen, in beiden Häusern engagiert sich die öffentliche Hand. Beide restituieren.
Angenommen, die Stiftung lehnte eine Restituierung weiterhin ab, könnte dann die öffentliche Hand Zuwendungen kappen oder anderweitig Druck ausüben? Das bayerische Kulturministerium winkt ab. „Wir bitten um Verständnis, dass wir auf inhaltliche Entscheidungen der Stiftung eines nichtstaatlichen Museums keinen Einfluss nehmen können“, heißt es auf Nachfrage des Handelsblatts.
Dasselbe gilt für die bei der Regierung von Unterfranken liegende Stiftungsaufsicht. Und die Stadt Schweinfurt, die sehr vom gesellschaftlichen Engagement der Schäfer-Familie profitiert, zieht sich auf bürokratische Klauseln zurück: „Ein von der Rechtspraxis abweichender moralischer Anspruch kann nur im unmittelbaren Aufgabengebiet der Stadt Schweinfurt umgesetzt werden.“ Und dazu zähle das Museum Georg Schäfer aufgrund seiner Trägerschaft nur bedingt, so die Pressestelle.
Die Konflikte bleiben ungelöst

Das Museum Georg Schaefer in Schweinfurt beherbergt die bedeutendste Sammlung deutscher Malerei des 19. Jahrhunderts. Den Grundstock bildete die Privatsammlung des Industriellen Georg Schäfer.
„Es bewegt sich nichts“, konstatiert Sibylle Ehringhaus. Seit 20 Jahren treffe sich zwei Mal im Jahr der Museumsbeirat – auf Kosten des Steuerzahlers. Darin seien alle Beteiligten vertreten. „Sie haben diesen Konflikt nicht gelöst“, kritisiert die Provenienzforscherin. „Das ist skandalös.“
Die Stadt Schweinfurt wiederum glaubt, ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Mehrfach habe der Beirat die Frage des Umgangs mit Raubkunst diskutiert und 2016 die Entscheidung getroffen, mit der professionellen Provenienzforschung zu beginnen. Außerdem betont die Stadt, dass das Museum hierbei „eine Vorreiterrolle“ einnehme, „weil die Erforschung von Leihgaben im deutschen Museumswesen bis dato unüblich war“.
Der Stadt liegen die Ergebnisse der Herkunftsuntersuchungen von Ehringhaus vor, da sie wie vertraglich vereinbart halbjährlich Bericht erstattete und ihre Erkenntnisse am Ende ihrer Tätigkeit zusammenfasste. Schweinfurt hat es nun in der Hand, Konsequenzen daraus zu ziehen und diese der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Doch bislang wurden Museumsbesucher nur in zwei Fällen über Rückgabeforderungen informiert. Nach Angaben des Kuratoriumsvorsitzenden Schäfer wolle man in Zukunft aber in Anlehnung an Vorschläge von Ehringhaus in den verschiedenen Sälen auf Restitutionsfälle hinweisen. Jeweils ein Bild pro Raum solle entsprechend beschriftet werden, präzisiert Stiftungsvorsitzender Ritzmann.
Das Museum lässt die Restitutionsforschung jetzt zwei Jahre lang ruhen. Eine Fortsetzung wird es „erst nach der vollständigen digitalen Inventarisation der knapp 5 000 grafischen Werke“ geben, lässt sich auf der Website nachlesen. Fernziel sei es, mit belastbaren Ergebnissen die Frage zu beantworten, woher jedes einzelne Bild komme. Das dürfte für die Stiftung essenziell sein, denn mit Rückgabeforderungen belastete Leihgaben könnten im Ausland konfisziert werden.
Ist es wirklich nötig, dass sich öffentliche Hand und Stiftung, die sich vertraglich auf einvernehmliches Handeln verpflichtet haben, hinter der Rechtsprechung und dem Stiftungsrecht verschanzen? Denkbar wäre eine Rückgabe ohne gesetzlich geregelte Entschädigung.
Auch wenn das nicht satzungskonform ist: Würde die Stiftungsaufsicht in so einem Fall überhaupt eingreifen? Nötig wäre für diese unbürokratische Lösung, dass sich alle Mitglieder im Stiftungsvorstand darauf einigen.
Das wäre dann wohl auch im Sinne des bayerischen Bernd Sibler sieht die Aufarbeitung des Unrechts der NS-Zeit als eine „fortdauernde ethische Verpflichtung“ an. Auf Anfrage des Handelsblatts verweist seine Pressestelle darauf, dass er nichtstaatliche Museen immer wieder auffordert, „sich diesem Thema zu stellen“.
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