1. Startseite
  2. Arts und Style
  3. Kunstmarkt
  4. Kunstmarkt: Mehrwertsteuer belastet deutsche Galeristen

SteuerpolitikHohe Mehrwertsteuer wird deutschen Galeristen zum Nachteil

Deutsche Galeristen suchen nach Wegen, die Belastung durch Steuern zu drücken. Das Agenturmodell ist eine Alternative, hat aber Tücken.Christiane Fricke 29.06.2018 - 07:56 Uhr Artikel anhören

Bei seinem Vortrag über das Agenturmodell auf dem Praxistag für Galerien in der IHK Köln.

Foto: Markus Hoffmann für den BVDG

Düsseldorf. Als die Länderfinanzminister Ende 2014 die genauen Regeln für die von sieben auf 19 Prozent erhöhte Umsatzbesteuerung von Kunst festlegten, hatten sie die Chance für eine standortförderliche Auslegung des zugrunde liegenden Gesetzesbeschlusses der Bundesregierung vertan.

Anstatt sich die EU-konforme französische Praxis der Pauschalmargenbesteuerung zu eigen zu machen, wie es das vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates einstimmig beschlossene Gesetz ermöglicht hätte, entschieden sich die Finanzminister der Länder für eine restriktive Auslegung. Damit votierten sie gegen Gestaltungsoptionen, mit denen der deutsche Handel Nachteile gegenüber seinen ausländischen Mitbewerbern hätte kompensieren können.

Die meisten Galeristen berechnen seither 19 Prozent auf den gesamten Verkaufspreis oder wenden die Differenzbesteuerung an, bei der 19 Prozent auf die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis erhoben werden. Besser gestellt sind in Deutschland nur jene Galeristen, die ihre Geschäfte über eine Filiale im Ausland abwickeln können oder den Weg der umsatzsteuerfreien Eigentumsübergabe in einem Zollfreihandelslager wählen. Wird das Werk in die Bundesrepublik eingeführt, fallen dann nur sieben Prozent Einfuhrumsatzsteuer an.

Spezialauktion in London

Sotheby’s steigert Umsatz bei Versteigerung zeitgenössischer Kunst um 77 Prozent

Ein „Agenturmodell“ als Alternative stellte jüngst der Steuerberater und Rechtsanwalt Florian Greiner in der Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) vor, Schauplatz des vom Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) für seine Mitglieder veranstalteten „Praxistag für Galerien“. Bei dem von Greiner beschriebenen Agenturmodell fallen statt 19 nur sieben Prozent Umsatzsteuer an, weil der Kaufvertrag nicht mehr zwischen Galerist und Sammler abgeschlossen wird, sondern zwischen Künstler (Handelsherr) und Sammler.

Aus dem Kommissionsgeschäft wird ein Agenturgeschäft, das ähnlich funktioniert wie eine Tankstelle, die im Namen und auf Rechnung eines Konzerns handelt. Der Galerist tritt in fremdem Namen, dem des Künstlers, auf und macht das Geschäft auf fremde, also auf Rechnung des Künstlers. So wird aus einem Galeristen ein Handelsvertreter (Paragraf 84 HGB).

Das Geschäftsmodell hat verschiedene Effekte. Statt zwei Lieferungen, die vom Künstler zum Galeristen (sieben Prozent Mehrwertsteuer) und vom Galeristen zum Endkunden (19 Prozent Mehrwertsteuer) gibt es nur noch eine Lieferung vom Künstler zum Sammler zu sieben Prozent Mehrwertsteuer. Damit liegt aber auch die Weisungsbefugnis beim Künstler, was zur Folge hat, dass der Galerist eine Bevollmächtigung benötigt, um in seinem Namen handeln zu können.

Greiner empfiehlt, die Nebenpflichten vertraglich zu regeln und sehr „sauber“ zu arbeiten. Dazu gehört, einen schriftlichen Vertrag abzuschließen, Vollmachten jeweils für den Geschäftsabschluss und den Geldeingang einzuholen sowie Angebot und Rechnung unbedingt mit dem Zusatz „Verkauf und Abrechnung im Namen und auf Rechnung von Künstler XY“ zu versehen.

Frankreichs Kolonialgeschichte

„Mission Macron“ – Geraubtes Kulturgut soll zurück nach Afrika

Für Frank Schlag kommt das Agenturmodell nicht infrage. „Es verursacht zu hohen Verwaltungsaufwand. Außerdem profitiert nur der Sammler“, wendet der Essener Galerist ein. Er würde auf sein Vermittlungshonorar 19 Prozent Umsatzsteuer zu zahlen haben und außerdem auch die Künstlersozialabgabe (4,2 Prozent), rechnet er vor. „Was habe ich davon? Nix!“ Im Übrigen stelle sich die Frage, was eigentlich noch die Aufgabe des Galeristen bleibe. Die klassische und weltweit praktizierte Geschäftsbeziehung zwischen Künstler und Galerie würde damit verunklärt.

Die Politik in Berlin hätte längst eingreifen können, um dem beschlossenen Margenmodell Geltung zu verschaffen. Warum haben sie es nicht getan? Weil sie die Stimmen der Länder für die Verabschiedung des Kulturgutschutzgesetzes brauchte und für die Evaluierung noch brauchen wird? Das Bundesgesetz ist aber bis heute gültig.

Verwandte Themen Steuern Deutschland

Dem neuen Koalitionsvertrag zufolge will sich die Politik auch auf europäischer Ebene für die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes „bei gewerblich gehandelten Kunstgegenständen“ einsetzen und außerdem darauf hinwirken, „dass der ursprüngliche gesetzgeberische Wille für den Kunsthandel aus dem Jahr 2014 verwirklicht wird“.

Brüssel von einer neu auszuhandelnden Regelung zu überzeugen, die mit 28 Partnern mühsam ausgearbeitet wurde, dürfte jedoch illusorisch sein. Ein Ausweg auf nationaler Ebene: Es steht unseren Bundesländern nach wie vor offen, eine niedrigere Steuerbelastung durch entsprechende Durchführungsverordnungen herbeizuführen.

Florian Greiner übt Kritik am voreiligen Vorgehen der Bundesregierung. Im Raum stand eine EU-Richtlinie, keine Verordnung. Man hätte das Vertragsverletzungsverfahren gelassen auf sich zukommen und diskutieren müssen. Bleibt die Frage, warum die neue Bundesregierung die Mehrwertsteuer noch einmal auf ihre Agenda gesetzt hat. Vielleicht, weil immer offensichtlicher wird, dass der deutsche Handel ein Problem mit den Kosten hat.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt