Tatort aus Münster: So absurd waren die Quotenkönige selten

In „Erkläre Chimäre“ gehen Boerne (l., Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) zum Schein den Bund der Ehe ein.
Quelle: ARD
Düsseldorf. Mittlerweile dürfte niemand mehr vom Münsteraner Tatort wirklich ein Sozialdrama oder auch sonst irgendetwas ernst zu nehmendes erwarten, die Quoten stimmen so oder so immer. Da war auch der gestrige Fall „Erkläre Chimäre“ keine Ausnahme.
Die Autoren wissen mittlerweile anscheinend auch, wie weit sie gehen können mit Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) – und vermählten das ungleiche Paar im Bund der Ehe. Zumindest zum Schein, denn Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne will seinen alten, reichen (und schwulen) Onkel beeindrucken, um an dessen Strandhaus in Florida zu kommen.
Dafür spannt er Kollege Thiel als seinen Angetrauten ein, um so die Gunst des sterbenskranken Onkels zu gewinnen. „Doof“ nur, dass dessen Krebserkrankung, auf die Boerne zuvor gesetzt hatte, plötzlich ausgeheilt ist und er in Münster auf der Matte steht.
Wem das alles noch nicht abgefahren genug ist für den Münsteraner Tatort, der sollte beachten, wie Boerne seinen lieben Thiel zu dieser Scharade überreden konnte: Nach einem gemeinsamen Saufgelage verschluckt sich Thiel an einem Wurstbrötchen und wäre erstickt, wenn Boerne ihm nicht mit einem Luftröhrenschnitt das Leben gerettet hätte. Mit der Folge, dass Thiel sich durch die gesamte Folge röcheln muss.
Abseits aller gewohnten Abstrusitäten gab es jedoch auch einen Mordfall zu klären. Der junge Brasilianer Luiz Bensao liegt mit aufgeschnittener Kehle im Kühlhaus einer Schlachterei, zuvor oder währenddessen war er an einem spitzen Gegenstand erstickt. Am Tatort findet sich jedoch nur die DNA des Opfers – keine guten Voraussetzungen für eine Ermittlung.
Eine Weinhandlung in der Nähe von Münster ist zunächst die einzige Spur. Hierhin hatte sich Luiz Bensao am Tag vor seinem Tod mit dem Taxi bringen lassen. Kommissar Frank Thiel und seine Kollegin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter), die gerade zur Kommissarin befördert wurde, übernehmen die Ermittlungen.

Boerne (hinten) und Thiel standen lange auf dem Schlauch, was die Suche nach dem Täter betraf.
Die Besitzer der Weinhandlung, besonders aber ihr drogenabhängiger Sohn sind lange Zeit die Topverdächtigen des Falls, schließlich wollte Luiz Bensao ihnen Champagner im Wert von 300.000 Euro verkaufen. Den hatte Bensao zusammen mit Boernes Onkel Gustav von Elst aus einem vor Kuba gesunkenen Schiff erbeutet – das war angesichts der nun folgenden Ereignisse sogar noch das Glaubwürdigste der gestrigen Folge.
Die Verfolgung des Sohnemannes, der sich die hohe Geldsumme für den Champagner von Bensao erpressen wollte, ist so ziemlich das Lächerlichste, was seit langem im Tatort zu sehen war – selbst in Münster. Gleich zwei Mal entkommt der Junkie Thiel und seiner Kollegin Nadeshda zu Fuß.
Beim ersten Mal schlägt er die Neu-Kommissarin kurzerhand K.O., beim zweiten Mal braucht er nur ein Holztor hinter sich abzuschließen, um den vom Luftröhrenschnitt schwer gezeichneten Thiel abzuhängen. Als Zuschauer entweicht einem bei solchen Szenen schon mal ein „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“. Nein, kann es nicht – aber ist ja auch der Münsteraner Tatort.
Die Auflösung des Falls ist dann nicht minder skurril. Am Tatort fand sich tatsächlich nur eine DNA – die gehörte aber sowohl dem Opfer als auch dem Täter. Luiz Bensao war als Kind an Leukämie erkrankt, dank einer Knochenmarkspende des Münsteraner Arztes Thomas Jehle überlebte er. Dabei übernahm sein Blut jedoch die DNA des Spenders - ein Chimärismus. Die Erklärung dafür lieferte Boerne in gewohnter Manier: „In der modernen Medizin beschreibt der Begriff Chimärismus jene Situation, in der der Körper eines Menschen aus den Zellen zweier genetisch verschiedener Wesen besteht. Und damit meine ich nicht Mama und Papa.“


Als Doktor Jehle von Bensaos verstecktem Kapital erfährt, bringt er ihn kurzerhand um. Die überraschende Wendung, so „Dr. House“-mäßig sie auch ist, wurde dann doch ziemlich lieblos inszeniert. Das Tatmotiv, Geldnöte des Doktors und eine drohend Privatinsolvenz, wurden quasi in den letzten drei Minuten in zwei Nebensätzen runter gespult, als wäre den Autoren diese abgefahrene Erklärung selbst für einen Münster-Tatort zu lächerlich gewesen.
Wie gesagt, der Tatort aus Münster will gar nicht ernst genommen werden und setzt eher auf die Entwicklung seiner skurrilen Charaktere. Das Ganze funktioniert aber nur so lange, wie der inszenierte Klamauk auch tatsächlich lustig ist. Wirkliche Lacher hatte „Erkläre Chimäre“ aber selten. Sogar die bösen Sprüche von Professor Boerne über das verminderte Körperwachstum seiner Assistentin Alberich waren im aktuellen Fall eben genau das: einfach nur bösartig - und nicht lustig.





