Schlagzeuger von „Die Ärzte“ Bela B.: „Weil ich es kann“

„Man gibt sich damit ja schon ein bisschen die Blöße.“
Frankfurt Die Ärzte gehen nächstes Jahr wieder auf Tour, Karten gibt es keine mehr. Über die bevorstehenden Musikpläne und die überhöhten Ticketweiterverkäufe im Internet will die Band nicht reden. Stattdessen erzählt Gitarrist und Schlagzeuger Bela B. Felsenheimer lieber über seine vergangenen sieben Jahre ohne seine Bandkollegen. Ein Gespräch über den Luxus, sich zwischendurch unrentable Geschäftsideen leisten zu können.
Herr Felsenheimer, neben Ihrer Musikkarriere waren Sie als Synchron- und Hörbuchsprecher aktiv, haben einen eigenen Comicverlag gegründet und als Schauspieler gearbeitet. Noch kurz vor Bekanntgabe der neuen Tour haben Sie einen Roman veröffentlicht.
Und wenn man mich jetzt so ganz profan fragen würden: Bela, warum hast Du ein Buch geschrieben, dann würde ich einfach sagen: weil ich es kann.
Was genau können Sie denn?
Ich bekomme das Angebot, ein Buch zu schreiben, mit der Garantie einer Veröffentlichung. Etwas, wofür ein Autor sehr lange kämpfen muss.
Finden Sie das fair?
Ich verstehe, dass das unfair wirkt, aber ich habe lange an mir und meiner Karriere gearbeitet. Ich bin auch nicht von heute auf morgen dahin gekommen, wo ich jetzt stehe.
Und Ihre Bekanntheit eröffnet Ihnen immer neue Möglichkeiten.
Ja, das ist schon ein Luxus, den ich häufig genug auskoste.
Wieso kamen Sie dazu, ein Buch zu schreiben?
Das ist einfach zu erklären: Ich habe das Angebot bekommen, für einen österreichischen Verlag ein Buch zu schreiben, quasi als Quereinsteiger, und die Idee hat mir gefallen.
Was war Ihr Anspruch an das Buch? Die Bestseller-Liste zu erreichen?
Ich wollte etwas schreiben, das mir selbst gefällt, und nicht der Pop-Typ mit der Krachliteratur sein, der alle mit den Ellenbogen zur Seite drängt. Trotzdem hatte ich auch etwas Angst, dass es ein Flop wird und dem Verlag die Zusammenarbeit anschließend peinlich sein würde. Man gibt sich damit ja schon ein bisschen die Blöße.

Bela B. Felsenheimer: Scharnow
Heyne 2019
416 Seiten
20 Euro
ISBN-13: 978-3453271364
Das Buch ist kein Flop geworden, sondern auf Platz zwei der Bestsellerliste eingestiegen. Sind Ihre Projekte auch deshalb Selbstläufer, weil Sie berühmt sind?
Ich glaube, der Verlag war sich zumindest sicher, dass sie da nicht mit einem großen Minus rausgehen, weil ich als Musiker schon eine große Fangemeinde habe. Aber eine Garantie gibt es nie. Es gibt Projekte, die wirtschaftlich wirklich null sinnvoll waren in meinem Leben.
Welche denn?
Mein Comic-Verlag, den ich aber zehn Jahre durchgezogen habe. Mir hat jede Veröffentlichung total viel Spaß gemacht, und das habe ich mir einfach geleistet. Solche Projekte machen mir nicht des Erfolgs wegen Spaß, sondern weil ich sie selbst umsetzen kann. Auch meine letzten beiden Country-und-Western-orientierten Solo-Alben haben mich mehr Geld gekostet, als sie eingespielt haben.
Ist Ihnen das egal?
Nein, mich interessiert das schon, wie die Projekte laufen, bei denen ich mitgemacht habe. Erfolg ist ein Zuspruch von außen, den man aber nicht immer bekommt.
Mit welchem Ihrer Solo-Projekte waren Sie denn bisher am erfolgreichsten?
Tatsächlich mit meinem Buch, obwohl mein erstes Soloalbum auch sehr erfolgreich war. Das zweite lief auch ganz gut. Momentan halten sich das Buch und die erste Platte wahrscheinlich die Waage, würde ich sagen.
Wann haben Sie denn überhaupt Zeit gefunden, einen Roman zu schreiben?
Am Anfang habe ich mich nachts um die ganzen Ideen für das Buch gekümmert und einfach ziemlich spät notiert, was mir eingefallen ist. Irgendwann habe ich dann auch tagsüber daran gearbeitet, meistens an den Nachmittagen. Die ganze Fleißarbeit hat trotzdem weiterhin nachts stattgefunden.
Und wie sah die Arbeit aus?
Es war mein erstes Buch, und ich konnte alles auf mich zukommen lassen. Ich konnte da sämtliche Regeln brechen. Auch viele, von denen ich gar nicht wusste, dass sie existierten. Ich habe ja nicht Literatur studiert. Dieser Schaffensprozess hatte etwas Gottähnliches.
Inwiefern?
Es hat Spaß gemacht, mit meinen selbst ausgedachten Protagonisten Zeit zu verbringen und ihr Schicksal zu verändern. Ich habe ihnen teilweise immer mehr aufgebürdet, dann wieder etwas Glück gegeben, es wieder genommen und ihnen wiedergegeben.
Hatten Sie mit Schreibblockaden zu kämpfen?
Ja, auf einmal ist mir einfach nichts mehr eingefallen. Drei Wochen saß ich dann da und hab den Computer aufklappt und zugeklappt und aufgeklappt. Ich habe mich ans Fenster gesetzt, mich in den Keller gesetzt, mich an den Schreibtisch gesetzt. Nachts und morgens.
Was hat letztendlich geholfen?
Ich bin irgendwann abends ins Bett gegangen und habe über einige meiner Figuren und deren Charakter nachgedacht. Und da war mir auf einmal klar, wie welche Person reagieren wird und die Geschichte dann weitergehen kann. Meine eigenen erfundenen Figuren haben mich also quasi aus dieser Krise rausgeholt.
Unterscheidet sich die Arbeit als Autor vom Songwriter?
Ich bin auch bei den Ärzten derjenige, der gerne Geschichten in Liedern erzählt, aber Songs sind zeitlich limitierter, da muss ich etwas in drei Minuten erzählen können. Das war beim Buch ganz anders. Da hatte ich genügend Raum.
Sehen Sie sich in Zukunft also eher als Autor?
Es ist so: Ich bin hauptberuflich Musiker, und alles was ich außerhalb der Musik mache, empfand ich bisher als Ausflug. Musik ist meine Hauptliebe. Aber ich nehme jede andere Aufgabe absolut ernst und will da mein Bestes geben. Und ein Buch werde ich mindestens noch schreiben, da bin ich sicher.
Was würden Sie denn gerne als nächstes ausprobieren?
Im Moment steht wieder die Musik im Vordergrund. Nächste Woche gehe ich erst mal wieder ins Studio mit ein paar Musikern, mit denen ich schon öfter was gemacht habe.
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