Finanzaufsicht Wirecard-Skandal: Staatsanwälte prüfen Verfahren gegen Bafin-Verantwortliche

Die Finanzaufsicht steht im Wirecard-Skandal unter Druck.
Frankfurt, Düsseldorf Die Staatsanwaltschaft Frankfurt prüft ein Verfahren gegen Verantwortliche der Finanzaufsicht Bafin im Zusammenhang mit dem Wirecard-Komplex. Geprüft werde, ob die Behörde ihren Aufsichtspflichten nachgekommen sei, erfuhr das Handelsblatt aus informierten Kreisen. Im Zuge dieser Vorermittlungen haben Beamte der Staatsanwaltschaft Geschäftsräume der Bafin aufgesucht und Informationen eingefordert.
Aufschluss erhoffen sich die Ermittler darüber, ob das Leerverkaufsverbot, das die Behörde Anfang 2019 für Wirecard-Papiere erlassen hatte, ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Zum anderen soll es darum gehen, ob die Behörde ausreichend Vorkehrungen gegen Insiderhandel eigener Mitarbeiter getroffen hat.
Eine Sprecherin der Bafin betonte gegenüber dem Handelsblatt, dass es keine Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft gebe, sondern der Bafin lediglich ein Auskunftsersuchen überreicht wurde. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt bestätigte, dass seine Behörde prüft, ob ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Finanzaufsicht eingeleitet wird. Dazu habe man der Bafin heute ein Auskunftsersuchen übergeben. Außerdem verlange man Auskünfte von einer weiteren Bundesbehörde sowie einer Privatbank.
Zum Inhalt der Auskunftsersuchen könne er derzeit nichts sagen, erklärte der Behördensprecher dem Handelsblatt. „Wir haben noch kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.“ Unklar ist, von welcher weiteren Bundesbehörde die Staatsanwaltschaft weitere Informationen verlangt hat. Um die Bundesbank scheint es sich nicht zu handeln. Dort war am Mittwoch von einem Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft jedenfalls nichts bekannt.
Die Vorermittlungen gehen zurück auf mehrere Strafanzeigen insbesondere von Aktionären der Wirecard AG. Sie richten sich gegen unbekannte Mitarbeiter der Bafin. Zum einen wird den verantwortlichen Bafin-Beamten vorgeworfen, sie hätten ihre Aufsichtspflichten verletzt.
Zum anderen geht es um die möglicherweise strafbare Verletzung von Insiderwissen. Bafin-Mitarbeiter haben im Zeitraum von 2018 bis 2020 mit Wertpapieren des Zahlungsdienstleisters gehandelt. „Diese Anzeigen und auch Presseberichte waren für uns Anlass, eine Prüfung zu veranlassen“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Die Bafin hatte in den vergangenen Monaten die Wertpapiergeschäfte ihrer Mitarbeiter noch einmal untersucht und im Januar einen ihrer Mitarbeiter wegen des Verdachts auf Insiderhandel bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart angezeigt.
Bereits im Februar 2019 hatte die Bafin verboten, auf fallende Wirecard-Kurse zu setzen. Dieses für eine Dauer von zwei Monaten erlassene sogenannte Leerverkaufsverbot gehörte zu den umstrittensten Aktionen der Finanzaufseher im Zusammenhang mit dem Wirecard-Konzern. Das Verbot begründete die Behörde damals unter anderem mit Attacken von Leerverkäufern gegen Wirecard sowie einer Bedrohung des Marktvertrauens in Deutschland. Viele Investoren werteten dies wiederum als Vertrauensbeweis für den Konzern.
Interne Dokumente zeigten später, dass die Bafin in der Person ihrer damaligen Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele die Entscheidung durchgedrückt hatte, obwohl andere Behörden keine Anhaltspunkte zum Handeln sahen. Auch innerhalb der Bafin wurde die Entscheidung nach Informationen des Handelsblatts damals von einigen kritisch gesehen.
Wirecard hatte im vergangenen Jahr Insolvenz beantragen müssen, da die Bilanz über Jahre hinweg offenbar künstlich aufgebläht worden war. Im Zusammenhang mit der Pleite laufen bereits Ermittlungen gegen frühere Topmanager. Die Bafin stand als Aufsichtsbehörde für zumindest einen Teil des Wirecard-Konzerns bislang nicht im Fokus der Ermittler.
Grünen-Abgeordneter kritisiert Finanzministerium
Für den Bundestagsabgeordneten Danyal Bayaz (Grüne) war es „nur eine Frage der Zeit, bis die Staatsanwaltschaft aktiv wird“. Es gebe gute Argumente dafür, dass das Leerverkaufsverbot der Bafin rechtswidrig erfolgt sei. Aus seiner Sicht hat die Aufsicht die von ihr postulierte Gefahr für die Finanzstabilität „frei erfunden“.
Bayaz kritisiert im Zusammenhang mit dem Leerverkaufsverbot das Verhalten des Bundesfinanzministeriums. „Ich warte seit mehreren Tagen auf eine überfällige Antwort des Ministeriums, ob sie das Leerverkaufsverbot tatsächlich für rechtmäßig halten“, so Bayaz. „Offenbar windet man sich im Umfeld von Finanzminister Scholz bei der Beantwortung dieser Frage und bittet quasi täglich um Fristverlängerung. Dort dürfte das Eingreifen der Staatsanwaltschaft zu denken geben.“
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